Aktion für Kriegsdienstverweigerer Enver Aydemir in Istanbul, 2. Januar 2010

Aktion für Kriegsdienstverweigerer Enver Aydemir in Istanbul, 2. Januar 2010

Türkei: Kriegsdienstverweigerer Enver Aydemir zu 10 Monaten Haft verurteilt

von DFG-VK Hessen

(14.04.2010) Der türkische Kriegsdienstverweigerer Enver Aydemir ist am 29. März von einem Gericht in Eskisehir wegen des Vorwurfs der Desertion zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt worden. In Anbetracht der Zeit, die er bereits in Haft verbracht hatte, wurde er formell freigelassen, aber wieder nach Bilecik gebracht, um dort Kriegsdienst zu leisten. Er weigerte sich erneut und wird inzwischen wieder im Militärgefängnis von Eskisehir gefangen gehalten.

Damit setzt sich der Teufelskreis von Verweigerung, Militärgefängnis, Verurteilung, erneutem Versuch, ihn zum Dienst zu zwingen, erneuter Verweigerung usw. fort. Enver Aydemir stehen Prozesse aufgrund von zwei früheren Anklagen wegen Befehlsverweigerung und "fortgesetzter Befehlsverweigerung" bevor.

Enver Aydemir verweigert den Militärdienst aufgrund seiner religiösen Überzeugungen als Moslem. Er weigert sich Teil eines laizistischen Militärs zu sein.

Enver Aydemir war zunächst zu einer Gendarmerieeinheit in der nordwestlichen türkischen Provinz Bilecik einberufen worden. Er wurde mit Gewalt zu seiner Einheit gebracht. Nachdem er seine Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen erklärt hatte, wurde er am 24. Juli 2007 festgenommen und im Militärgefängnis in Eskisehir inhaftiert, wo er mehrere Monate bis zum Prozess verbrachte. Am 4. Oktober 2007 wurde er vom Militärgericht freigelassen, mit der Auflage, sich bei seiner Einheit in Bilecik zu melden. Diesen Befehl befolgte Enver Aydemir jedoch nicht.

Er wurde 24. Dezember 2009 erneut festgenommen und nach mehreren Tagen wieder ins Militärgefängnis in Eskisehir gebracht. Im Gefängnis wurde er wegen seiner Weigerung, die Gefängnisuniform zu tragen und wegen Befehlsverweigerung disziplinarisch bestraft: einen Monat lang untersagte man ihm jeglichen Briefverkehr, und niemand außer seinem Anwalt durfte ihn besuchen.

Die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist in der Türkei rechtlich nicht anerkannt, obwohl die Türkei dahingehende internationale Abkommen unterzeichnet hat. Kriegsdienstverweigerer müssen für gewöhnlich mit Strafverfolgungsmaßnahmen rechnen, und ihnen drohen bis zu drei Jahre Gefängnis. Nach Verbüßen ihrer Haftstrafe erhalten sie oft neue Einberufungsbefehle, und die Prozedur wiederholt sich ein weiteres Mal. Die Türkei hat eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2006 bislang nicht umgesetzt. In dem Richterspruch wird das Land zu einer Gesetzeskorrektur aufgefordert, um die wiederholte Strafverfolgung von Kriegsdienstverweigerern und die mehrfache Verhängung von Schuldsprüchen zukünftig zu verhindern. Ein solches Vorgehen befand das Gericht als unvereinbar mit dem in Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Verbot unmenschlicher Behandlung.

Die War Resisters’ International (WRI) und die DFG-VK fordern die unverzügliche Freilassung von Enver Aydemir und aller anderen inhaftierten Kriegsdienstverweigerer und -verweigerinnen. Die War Resisters’ International (WRI) und die DFG-VK bitten um Protestschreiben an türkische Behörden und Botschaften. Fordern Sie die türkischen Behörden auf, Enver Aydemir umgehend und bedingungslos freizulassen.

Verlangen Sie, dass Enver Aydemir vor Folter oder Misshandlung geschützt, von einem unabhängigen Arzt untersucht und angemessen medizinisch versorgt wird. Erinnern Sie die Behörden daran, dass die Türkei als Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte die Verpflichtung eingegangen ist, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen anzuerkennen.

Appelle bitten wir zu richten an Präsidentschaft der Türkischen Republik: Fax 0090-312-4271330, e-mail cumhurbaskanligi(at)tccb(dot)gov(dot)tr. Eine Protestmail an den türkischen Präsidenten Abdullah Gül kann geschickt werden über http://wri-irg.org/node/9859.

DFG-VK Hessen: eMail vom 14. April 2010

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