Laudatio für Timo Vogts Audio-Slideshow

...aber hat nicht gedient – Junge Menschen verweigern den Krieg

von Dr. Joachim Thommes

(05.03.2011) Können Bilder und Geschichten die Welt verändern? Vielleicht! Timo Vogt jedenfalls hat sich entschlossen, seine Neugierde und seine Gabe, einfühlsame und spannende Geschichten zu entdecken und zu erzählen, zum Beruf gemacht. Der 1980 in Zernien geborene Fotograf und Journalist fand nach seiner Schulzeit durch die Dokumentation des Widerstands gegen das Atommülllager in Gorleben zur Fotografie. Diesem Themenkreis ist er bis heute treu geblieben.

../bilder/insert/suttnerpreis2011_01-9.jpgBeruflich startete Vogt mit dem Tagesgeschäft für die großen deutschen Nachrichtenagenturen. Schon bald veröffentlichte er seine Bilder und Geschichten u.a. in der Frankfurter Allgemeinen, der Süddeutschen und der Berner Zeitung. Vogt fand neue Bilder und Geschichten in Rumänien, Tschechien und Moldawien. Insbesondere die Eindrücke, die er 2005 in der abtrünnigen Kaukasus-Republik Abchasien sammeln konnte, ließen den Entschluss zu der zum Suttnerpreis eingereichten Reportage reifen. Vogt fand mit „... aber hat nicht gedient. Junge Menschen verweigern den Krieg“ einen neuen Themenschwerpunkt.

Die 45 Minuten dauernde Audio-Slideshow des Fotografen Timo Vogt überzeugt die neun Juroren vor allem durch die einfühlsame Nähe und die gelungene Kontextualisierung, die es dem Zuschauer ermöglicht, die persönlichen Entscheidungswege der porträtierten Kriegsdienstverweigerer aus Armenien, Deutschland, Israel und der Türkei nachzuvollziehen. Aus der fotografisch dokumentierten und durch die Interviews konkret beschriebenen politisch-gesellschaftlichen Situation vor Ort werden die jeweiligen Hintergründe und Motive der Verweigerer sichtbar. Und seine Bilder und Geschichten wirken: In einer Welt, die von immer schnelleren, aktuelleren Bildern und Informationen nur so wimmelt, zwingt uns Vogt zum Hinschauen und zum Zuhören. Die gewählte Form der Foto- und Audio-Slideshow wirkt nach und zieht uns in ihren Bann. Die audio-visuelle Slideshow lässt den „Film“ dort entstehen, wo er wirken kann und soll: im Kopf und im Bauch.

Gleichzeitig manifestiert sich in den Geschichten der drei jungen Kriegsgegner und der israelischen friedensbewegten Feministin die enorme Bandbreite der durch Gesellschaft, Staat und einzelne Individuen ausgeübten Repression, mit denen die konsequenten KriegsgegnerInnen konfrontiert werden. Sichtbar wird zudem der enorme Anpassungsdruck, der sich über Verfolgung und Ausgrenzung bis hin zum existentiell bedrohenden Trauma erstreckt.

Die DVD ist 2010 mit einem umfangreichen Booklet im Trotzdem Verlag erschienen. Timo Vogt, der von Connection e.V. und dem Komitee für Grundrechte und Demokratie unterstützt wurde, gelingt es in hervorragender Art und Weise, das auf seiner journalistischen Recherchereise gesammelte Interview- und Fotomaterial zu einem aufwühlenden zeitgeschichtlichen Dokument zu kompilieren. Gefördert wurde seine Publikation mit einem Stipendium der VG Bild-Kunst.

Wir wünschen uns, dass Timo Vogt weiterhin engagiert, aufrichtig und einfühlsam unsere Welt beschreibt und uns so mit seinen Geschichten hilft, sie so zu sehen wie sie ist, damit wir angeregt werden, unsere Welt gemeinsam, mutig und mit viel Kraft in unserem Sinne zu gestalten. Krieg ist immer ein Verbrechen, aber beginnt Krieg nicht bereits, wenn wir fraglos einen Status Quo, den wir fälschlicherweise für Frieden halten, akzeptieren? Frieden ist ein aktiver Prozess, der von Auseinandersetzung mit Gesellschaft, Politik und den Menschen in unserer direkten Umgebung lebt. Es bleibt zu hoffen, dass unsere Gesellschaft auch nach der Aussetzung der Wehrpflicht mehrheitlich bereit ist, sich für friedliche Konfliktlösung stark zu machen. Auf dem Weg dorthin helfen uns engagierte und mutige Reportagen - Reportagen, die Stellung beziehen und uns zum Nachdenken anregen.

Herzlichen Glückwunsch, Timo Vogt.

Dr. Joachim Thommes, Friedensinstitut 21. Laudatio zur Verleihung des Bertha-von-Suttner Kunst- & Medienpreises 2011. Der Preis wurde verliehen am 5. März 2011 im Unperfekthaus in Essen. Weitere Informationen unter www.suttnerpreis.de und www.friedensinstitut21.de. Foto der Preisübergabe an Timo Vogt durch Joachim Thommes: Rudi Friedrich, Connection e.V. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe April 2011

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