Gegen Krieg und Diktatur in Äthiopien – eine Einführung

von Rudi Friedrich

(15.01.2008) Ende des Jahres 2006 marschierten mehrere Tausend äthiopische Soldaten in Somalia ein. Der Premierminister von Äthiopien, Meles Zenawi, hatte zuvor erklärt, dass der Kriegseinsatz notwendig sei, um die Übergangsregierung in Somalia zu unterstützen, die durch die Union Islamischer Gerichte (UIC) bedroht sei. Zudem würden die bewaffneten Gruppen im Süden Äthiopiens von der UIC unterstützt. Sie gefährdeten die Souveränität des äthiopischen Volkes. Dabei wurde die äthiopische Regierung durch die USA im Rahmen des "Krieges gegen den Terror" unterstützt.

Schon im Januar 2007 wurde von der Nachrichtenagentur Reuters berichtet, die äthiopischen Truppen würden bald wieder abziehen. Der Auftrag im Namen der Übergangsregierung von Somalia wäre erledigt. Danach gab es praktisch keinerlei Berichte mehr in den Medien über die Situation in Somalia und im Süden Äthiopiens.

Auch der nach wie vor offene Konflikt zwischen Äthiopien und Eritrea spitzte sich in den Jahren 2006 und 2007 zu. In beiden Ländern wurden an der Grenze Truppen zusammengezogen. Die Regierungen beschuldigten sich gegenseitig, die Demarkation der umstrittenen Grenze zu behindern. Schließlich wurden Nachrichten verbreitet, dass Äthiopien nun doch endlich den Beschluss der von den Vereinten Nationen eingesetzten Grenzkommission akzeptieren werde. Das erweckte den Eindruck, dass ein seit nun einem Jahrzehnt offener Konflikt endlich zum Abschluss gebracht werden könne.

So erfreulich es ist, gute Nachrichten verbreiten zu können - tatsächlich sind den Ankündigungen der äthiopischen Regierung keine entsprechenden Taten gefolgt. So erscheinen die Nachrichten eher ein Reflex auf die Propaganda der äthiopischen Regierung zu sein, statt die tatsächlichen Ereignisse widerzuspiegeln. Das wollen wir mit dieser Broschüre wenigstens zum Teil ändern.

Es sind immer noch Tausende von äthiopischen Soldaten in Somalia, die dort gemeinsam mit Truppen der somalischen Übergangsregierung Krieg gegen islamistische Aufständische führen. Unbemerkt von der Öffentlichkeit führt das äthiopische Militär zudem einen verheerenden Krieg im Südosten Äthiopiens in der Region Somali, die als Ogaden bekannt ist.

In der Le Monde Diplomatique machte Philippe Leymarie zudem deutlich, dass all dies mit Rückendeckung der USA geschieht: "Washington ließ die äthiopische Armee diskret wissen, sie dürfe die somalische Übergangsregierung beim Versuch, in ’ihre’ Hauptstadt zu gelangen unterstützen." Dazu akzeptierte die US-Regierung sogar, dass Äthiopien von Nordkorea Waffen bezog und damit die Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegenüber Nordkorea verletzte.

Die äthiopische Regierung, die 1991 das sogenannte Derg-Regime ablöste und damit eine zur Sowjetunion hin orientierte Militärdiktatur beendete, stellt sich in den Dienst der USA. Es gibt eine Zusammenarbeit im Rahmen des "Krieges gegen den Terror" in der Combined Joint Task Force - Horn of Africa (CJTF-HOA) mit einem Hauptquartier im Nachbarland Dschibuti. "Die US- Diplomatie nimmt hin", so Leymarie weiter, "dass ein so undemokratisches Regime wie das von Zenawi auf der Klaviatur des ’Kriegs gegen den Terrorismus’ spielt, um sich finanzielle Vorteile und politische Rückendeckung zu verschaffen. Bis heute unterdrückt Zenawi Parteien, Gewerkschaften und Studentenbewegungen."

Der Grenzkonflikt mit Eritrea droht erneut zu eskalieren, seit die von den Vereinten Nationen eingesetzte Grenzkommission im Oktober 2007 erklärt hat, dass sie ihre Arbeit nicht zuende bringen kann, weil Äthiopien den Schiedsspruch nach wie vor nicht akzeptiert. Auf eritreischer wie auch auf äthiopischer Seite wird weiter mobilisiert. Die Vorbereitung auf einen neuen Krieg, der das letzte Mal zwischen 1998 und 2000 Zehntausende von Opfern forderte, ist im vollen Gange.

Andere Krisenherde und Kriege tauchen in den Nachrichten erst gar nicht auf. Das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung listet im Konfliktbarometer 2007 gleich drei weitere Krisen auf, in denen die äthiopische Regierung involviert ist, mit der Ethiopian People’s Patriotic Front (Patriotische Volksfront Äthiopiens - EPPF), der Oromo Liberation Front (Oromo-Befreiungsfront - OLF) und dem Tigray People’s Liberation Democratic Movement (Demokratische Befreiungsbewegung des tigrayischen Volkes - TPDM).

Neben dem Kriegseinsatz in Somalia arbeitet Äthiopien auch bei den sogenannten Rendition-Flügen den USA zu. Damit werden als Terroristen verdächtigte Personen und inzwischen auch Familienangehörige durch die ganze Welt geflogen, um sie in verschiedenen Ländern festzunehmen und zu "verhören". Es ist eine Methode, Folter von anderen erledigen zu lassen. Äthiopien wie die Nachbarstaaten Somalia und Kenia beteiligen sich daran. Mit diesen Maßnahmen versucht die äthiopische Regierung, die eigene Position im Land zu halten, aber auch an Einfluss am Horn von Afrika zu gewinnen, um aus den Kriegen und Konflikten als regionale Ordnungsmacht hervorzugehen.

All dies spielt sich vor dem Hintergrund einer katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Lage in Äthiopien ab. Äthiopien ist eines der trockensten Länder der Erde: Rund 80% der Menschen haben nicht genügend sauberes Wasser zum Leben. Über 44% der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Es ist allzu deutlich, dass sich die äthiopische Regierung weniger um das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung sorgt, als um die eigene Vormachtstellung.

Viele Flüchtlinge, die aus Äthiopien nach Deutschland geflohen sind, kamen aufgrund der Verfolgung der Opposition, die insbesondere nach den Wahlen im Mai 2005 stattfand. Nach Bekanntwerden von massiven Wahlfälschungen gab es Proteste in der Hauptstadt Addis Abeba, aber auch in anderen Städten. Diese wurden von Militär und Polizei niedergeschlagen. Es gab Tote. Zehntausende wurden über Wochen und Monate inhaftiert - oft ohne Anklage. Als Zeichen des guten Willens gegenüber den USA ließ die äthiopische Regierung im Sommer 2007 einige bekannte Oppositionelle frei, aber viele sitzen weiter in Haft.

Die äthiopische Regierung geht auch gegen Oppositionelle im Ausland vor. Mit einer Direktive wurden die äthiopischen Auslandsvertretungen im Jahre 2006 angewiesen, Daten und Informationen über sie zu sammeln, um sie identifizieren zu können und mit pauschalen Anklagen wegen Verwicklung in Völkermord, Verrat und Unterschlagung zu überziehen. Mit diesen Anklagen sollen Mitglieder der Exilopposition gezielt in der Exil-Community diskreditiert und in ihren Handlungsspielräumen eingeschränkt werden. Zugleich haben die äthiopischen Auslandsvertretungen das Interesse, dass dieser Personenkreis abgeschoben und damit den äthiopischen Behörden ausgeliefert wird.

Die Anerkennungsquote des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge lag im Jahr 2006 dennoch bei lediglich 3,6%. Strittig ist vor allem, inwieweit auch Oppositionelle von Verfolgung bedroht sind, wenn sie nicht an exponierter Stelle aktiv waren. Das wird von den bundesdeutschen Gerichten, wie die Dokumentation einiger Urteile zeigt, durchaus unterschiedlich gesehen. In seinem Lagebericht vom November 2007 bezieht das Auswärtige Amt dazu Position: "Wer in führender oder verantwortlicher Stellung in einer Oppositionsorganisation tätig war oder ist, oder dessen verdächtigt wird, muss mit Strafverfolgung wegen terroristischer Aktivitäten rechnen." Die mit dieser Formulierung beabsichtigte Schlussfolgerung ist, dass Oppositionelle, die nicht an exponierter Stelle aktiv sind, offensichtlich nichts zu befürchten hätten. An anderer Stelle weist das Auswärtige Amt allerdings ausdrücklich darauf hin, dass "Verhaftungen ohne gerichtliche Anordnung weit verbreitet sind. Auch mehrjährige Inhaftierungen ohne Anklageerhebung und ohne richterliche Anordnung sind keine Seltenheit."

Aus der Direktive der äthiopischen Regierung, die wir in Auszügen dokumentieren, ist im Gegensatz zu diesen widersprüchlichen Aussagen des Auswärtigen Amtes eindeutig zu entnehmen, dass die Drohung der Verfolgung allen Oppositionellen gilt. Die in der Broschüre vorgestellten Berichte von Flüchtlingen bestätigen, dass es jeden treffen kann, der sich oppositionell engagiert.

Im Dezember 2006 wandten sich einige äthiopische Flüchtlinge an Connection e.V., Männer und Frauen, die in den letzten Jahren nach Deutschland gekommen sind und hier in Deutschland Schutz und Asyl suchen. Sie baten um Unterstützung, um unabhängig gegen die Verletzung der Menschenrechte und die Kriegspolitik ihrer Regierung einzutreten. Sie setzen sich für Rechtssicherheit, Menschenrechte und friedliche Lösungen in ihrem Land und der angrenzenden Region ein. Im Januar 2007 gründeten sie die Ethiopian War Resisters’ Initiative (Initiative der äthiopischen KriegsgegnerInnen - EWRI).

Gemeinsam mit ihnen entwickelten wir über mehrere Seminare hinweg ihre Öffentlichkeitsarbeit. Sie bezogen Stellung gegen den Kriegseinsatz Äthiopiens in Somalia. Sie führten eine Veranstaltung durch, in der einige von ihnen über ihre persönlichen Erfahrungen berichteten. In dieser Broschüre legen sie zum einen eine gemeinsame Einschätzung der in Äthiopien herrschenden Zustände vor und berichten zudem aus der jeweils eigenen Erfahrung, was sie dazu gezwungen hat, das Land zu verlassen. Sie berichten über ihre Erfahrungen im Militär, über die Zerschlagung von eritreisch-äthiopischen Familien und vieles mehr. Sie machen damit auch deutlich, warum sie einen asylrechtlichen Schutz benötigen, der ihnen allzu oft verwehrt wird.

Dieser Beitrag erschien in: Connection e.V. und Ethiopian War Resisters’ Initiative (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit dem Friedenspfarramt der EKHN: Broschüre "Gegen Krieg und Diktatur in Äthiopien", Januar 2008. Wir danken für die finanzielle Förderung durch: Förderverein Pro Asyl, Evangelischer Entwicklungsdienst (EED) und Bertha-von-Suttner Stiftung

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