Plakatmotiv der Veranstaltungsreihe

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Angola: Hunger nach Atom und Macht

von Emanuel Matondo

(01.12.2010) Angola ist reich an Naturressourcen und gesegnet mit fruchtbaren Böden, aber die Bevölkerung ist weiter arm und das Land mit Millionen von Landminen verseucht. Doch seine Herrscher befinden sich derzeit im Rausch. Aus den steigenden Erdölpreisen in den Jahren 2004 bis 2007 hat das Land enorme Einnahmen erzielt, so hoch wie nie zuvor, und eine unbekannte Menge an Geldreserven angesammelt. Keiner weiß genau, wo das Geld deponiert ist, keiner außer einer kleinen Gruppe aus der Elite um den Präsidenten José Eduardo dos Santos, den Alleinherrscher Angolas. Diese winzige Minderheit von nicht einmal 3.000 Familien teilt sich die Erdöleinnahmen, und ihre Angehörigen sind über Nacht zu Multimillionären aufgestiegen. Gleichzeitig agieren sie als Großinvestoren bei der Privatisierung von staatlichen Unternehmen, die seit nun mittlerweile fünf Jahren vorangetrieben wird.

Aufstieg zur Atommacht?

Die Machthaber in Luanda hegen große Ambitionen, die über die Rolle Angolas als Regionalmacht hinausgehen. Präsident dos Santos will auch in der Atomfrage Südafrika dessen Rolle streitig machen. Angola will unbedingt die nukleare Technologie importieren und Atomanlagen im Lande aufbauen lassen. Nach bisherigen Beobachtungen laufen die Vorbereitungen dafür in Angola und im Ausland langsam an. Angola scheint auf dem ungehinderten Weg zur zweiten regionalen Nuklearmacht im Südlichen Afrika. Für die Entwicklung, Umsetzung und Zielerreichung kann sich Luanda überwiegend auf China, die USA, Frankreich, Nordkorea und Vietnam verlassen. Aber auch auf die Internationale Atomenergiebehörde in Wien.

Dabei stellt sich auch die Frage, welche Rolle dabei Deutschland spielt. Welche Interessen haben deutsche Konzerne bezüglich des großen Energieprojektes Angolas? In den wichtigen Diskussionsforen zur Energiefrage in Angola taucht auch der Name Areva Technik auf. Areva Technik ist eine Tochtergesellschaft des französischen Unternehmens und weltweit führenden Verbreiters von Atomtechnologie, die zu 34 Prozent der Siemens AG gehört. Nach vorliegenden Informationen ist die "Areva Energietechnik GmbH Sachsenwerk Medium Voltage" (Areva T&D) am angolanischen Flüssiggas-Projekt (Liquified Natural Gas, LNG) beteiligt und wird die Schaltanlagen von 36kV dafür beliefern.

Mit der "Gemeinsamen Absichtserklärung über eine strategische Partnerschaft zur Erweiterung und Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Republik Angola und der Bundesrepublik Deutschland" vom 27. Februar 2009 haben sich beide Länder in Absatz 1.4. auf einen "konstruktiven Dialog . zu Energiefragen" geeinigt. Als Punkt g) wird der Bereich "Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (Clean Development Mechanism - CDM) des Protokolls von Kyoto" genannt. Danach "teilen beide Seiten die Auffassung, dass sich auch weitere Bereiche als geeignet erweisen könnten, in die angestrebte Zusammenarbeit im Energiebereich einbezogen zu werden."

Der Begriff "CDM" wird seit der UN-Klimakonferenz von Kyoto von Atomlobbyisten weltweit in allen Foren immer wieder gerne vorgetragen, um den Regierenden der unterentwickelten Länder eine Pro-Nuklearpolitik schmackhaft zu machen und diese teure und gefährliche Technologie dort verkaufen zu können. Die Vermutung liegt also nahe, dass Deutschland mit dieser Absichtserklärung bereit wäre, den Transfer von Nukleartechnologie oder auch die Lieferung von "Dual-Use"-Materialien nach Angola zu dulden oder durch seine Kontrollbehörden zuzulassen. Mit dem Einstieg von Areva Technik ins Liefergeschäft von Energieanlagen nach Angola wäre es keine Überraschung, wenn die Welt eines Tages über die Verbreitung von Nuklearmaterialen "Made in Germany" in Angola erfahren würde. Die Tatsache, dass die "Motoren" für den Bau der ersten gepanzerten Fahrzeugen für Truppenbewegungen der neu entstandenen Militärindustrie der angolanischen Armee aus Deutschland kamen, lässt schon ahnen, was die strategische Partnerschaft mit der angolanischen Öl-Oligarchie bedeuten könnte: Aufrüstung und Förderung einer Despotie.

Hilfe von Atomexperten aus den USA

Die anderen Areva-Verbindungen zu Angola laufen über die USA. Dort ist der Nuklearkonzern auch Silber-Sponsor von Veranstaltungen der einflussreichen US-Atomlobby-Organisation American Nuclear Society (ANS), die jährlich Messen oder Expo, Ausbildungsseminare und sonstige Treffen für die Zusammenkunft von Experten, Konzernen und Neuankömmlingen organisiert. Hier wird sowohl das Know-How verbreitet als auch die Strategie für Atom-Propaganda erarbeitet.

"Angola braucht unbedingt die Nukleartechnologie, um des Energieproblems im Lande Herr zu werden und den Industrialisierungsprozess voranzutreiben. Das Land wird seine Atomtechnologie nur für friedliche Zwecke gebrauchen"(4), betonen die Regierenden auf allen Veranstaltungen, um die Welt zu beruhigen.

Atom nur für zivile Zwecke? Jeder weiß, dass mit der Aneignung dieser Technologie jeder Besitzer sozusagen zur "virtuellen Nuklearmacht" wird, sagen die Experten. Es ist immer schwierig, diese sensible, aber teure Technologie von militärisch-strategischen Zielen eines Landes zu trennen. Deshalb bleibt sie auch unter Kontrolle des Militärs.

Atomenergie zur Sicherung des Strombedarfs

Im Jahr 1999 trat Angola der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA bei, mit dem Ziel, seinen Beitrag zur "atomaren Sicherheit weltweit zu leisten und damit auch die Risiken für Nuklearunfälle zu minimieren." Gleichzeitig erkannte das Land das "Übereinkommen über nukleare Sicherheit" an. Diese Rhetorik wurde auf allen IAEA-Foren von angolanischen Delegationen immer wieder vorgetragen. Doch mit dem Boom, den die höheren Erdölpreise dem Land bescherten, begann die Elite im Jahr 2003, über die Industrialisierung nachzudenken.

Angesichts der andauernden Stromprobleme, mit denen Angola permanent konfrontiert ist, würde eine ungelöste Energiefrage der Industrialisierung des Landes im Wege stehen. Luanda sieht dabei die Atomenergie als Allheilmittel. Mittlerweile hat man sich die propagandistischen und irreführenden Begriffe der Atomlobbyisten zu eigen gemacht und verkauft die Atomenergie im südwestlichen Afrika als harmlos oder ungefährlich für Mensch und Umwelt, aber auch als die sauberste Energie der Welt mit einem Ausstoß von null CO2. Mit Anspielung auf das Kyoto-Protokoll verharmlosen Luandas Herrscher die Atomenergie nicht nur als menschenfreundlich, sondern auch als klimaschonend. Damit begannen auch die Ministerialberatungen unter der Federführung von dos Santos selbst und der Koordinierung vom Wissenschafts- und Technologieministerium.

"Konzept des Sozialkapitalismus"

Den Entwurf des angolanischen Nuklearprogramms verfassten die Gründer eines Konsortiums im April 2008 mit dem Titel "The Angola Citizen`s Permanent Trust Fund & Industrial Infrastructure Project". Darin bezeichnen sie ihre Initiative als "ein Konsortium, das mit dem Ziel gegründet worden ist, die Erdöleinnahmen des Landes angemessen zu verwenden, und zwar, um aus Angola eine industrialisierte Gesellschaft im 21. Jahrhundert zu machen."

Glaubt man den Verfassern des Nuklearprojekts Angolas, "wollen sie sowohl Infrastruktur entwickeln als auch Vermögen bilden", welche von ihrem "Permanent Trust Fund` kontrolliert und 100-prozentig unter Besitz der angolanischen Bevölkerung stehen werden. "Alles basiert auf dem Konzept des Sozialkapitalismus".

Eine Rhetorik, die viel zu schön klingt, um wahr zu sein. Ging es nach diesem Konsortium, werden oder wollen sie "mit der Errichtung einer Atomanlage in Angola" zur Stromproduktion "die Armut effektiv bekämpfen" und damit auch den Hunger besiegen. Wenn schon die Regierenden Angolas mit ca. 80 bis 100 Mrd. US-Dollar aus den jährlichen Erdöl- und Diamanteneinnahmen nichts gegen die Massenverelendung der angolanischen Bevölkerung und den permanenten Hunger unternimmt, wie können sie die Armutsbekämpfung allein mit dem Bau von einer oder mehreren Atomanlagen im Lande erreichen und die Ressourcen gerecht umverteilen?

Für den Bau der nuklearen Infrastruktur in Angola nimmt das Konsortium den südafrikanischen "PebbleBed Modular Reactor" (PBMR) als Modell, welchen der MIT-Wissenschaftler Kadak in seinen Ausführungen als eines weltweit innovativsten und revolutionärsten darstellt. Nach den Worten von Kadak scheint ein von Thorium betriebener Reaktor nicht so gefährlich und zugleich kostengünstig für jedes afrikanische Land zu sein. Für ihn gilt Thorium außerdem als vorteilhaft wegen der Minderung der Schwierigkeiten mit seiner Lagerung und weil es unmöglich sei, aus diesem Nuklearprodukt waffenfähige Materialien herzustellen.

Dass aber Thorium ein Abfallprodukt von Uran 235 ist und fast so viel Anteil radioaktives Gift beinhaltet, welcher eine unmittelbare Gefahr für die Menschen und seine Umwelt darstellt, das erwähnen die Verfasser um den MIT-Wissenschaftler erst gar nicht. Die Frage nach dem Atommüll spielen sie herunter und weisen auf die Harmlosigkeit von Thorium hin.

Uran macht begehrlich

Das angolanische Parlament hat im Haushalt 2011 erstmals die Mittel für das Nuklearprogramm der Regierung bereitgestellt. Damit ist Angola seinem ersehnten Ziel zur Atommacht noch näher gekommen. Zielbewusst haben Luandas Machthaber die Zusammenarbeit mit anderen Mächten gesucht: Ende 2007 zeigte sich China bereit für die finanzielle Unterstützung; und Vietnam sagte Angola wissenschaftliche Hilfe zu bei der Ausbildung von angolanischen Wissenschaftlern in Nuklearphysik und dem Aufbau eines entsprechenden Curriculums an der staatlichen Universität Angolas Agostinho Neto.

Es ist wohl auch die Gewissheit, dass Angola über Uran verfügt, was die Supermächte anzieht, die nun ungeduldig auf die Freigabe seiner Ausbeutung warten. So kann sich Angola alles leisten, z.B. als regionale Großmacht gegenüber seinen militärisch schwachen Nachbarn wie die DR Kongo und Kongo-Brazzaville die Muskeln spielen zu lassen und massenhaft Flüchtlinge aus diesen beiden Ländern gewaltsam abschieben zu lassen, ohne je Vorwürfe oder gar Sanktionen seitens der internationalen Gemeinschaft befürchten zu müssen. Bisher wissen viele Menschen in Angola und in der Region noch nicht, dass Angola nach nuklearer Macht strebt. Dass Angola dann mehr als eine einfache Militärmacht ist, wird sicherlich noch viele Menschen in Aufregung versetzen. Die Stunde der nuklearen Proliferation in Südwestafrika hat erst begonnen. Damit steigt auch die Gefahr für sinnlose Aufrüstung in der Region. Es bleibt die Frage, ob ein armes Land eine so teure Technologie braucht, wenn es sogar seine eigene Bevölkerung nicht mal mit Brot und Medizin versorgen kann?


Emanuel Matondo ist angolanischer Kriegsdienstverweigerer und Gründer der Angolanischen Antimilitaristischen Menschenrechtsinitiative (IAADH). Seit zehn Jahren arbeitet die Gruppe gegen Krieg und Unterdrückung, gegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen in Angola. Er lebt in Deutschland.

Erschienen in Friedensforum 2/11. www.friedenskooperative.de/ff/ff11/2-70.htm. Der Beitrag ist eine stark gekürzte Fassung eines Artikels, der in der Fachzeitschrift afrikasüd, 39. Jahrgang, Nr. 5/6, November/Dezember 2010 erschien. Die Originalfassung enthält auch ausführliche Belege. http://www.issa-bonn.org

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