Plakatmotiv der Veranstaltungsreihe

Plakatmotiv der Veranstaltungsreihe

„Es geht um sehr viel“

Interview zur Veranstaltungsreihe "Waffenexporte ins südliche Afrika: Ein Geschäft mit dem Tod"

von Emanuel Matondo

Im November 2011 führte der angolanische Kriegsdienstverweigerer und Journalist Emanuel Matondo Veranstaltungen an zehn Orten zum Thema „Waffenexporte ins südliche Afrika: Ein Geschäft mit dem Tod“ durch. Die Veranstaltungsreihe wurde getragen von Connection e.V. gemeinsam mit der Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel! und der Informationsstelle Südliches Afrika e.V. Wir befragten Emanuel Matondo im Anschluss nach seinen Erfahrungen.


Wie war die Resonanz auf Deine Veranstaltungen?

Ich konnte sehen, dass das Thema die Menschen bewegt. Das zeigte sich schon bei den Anfragen von Gruppen, die eine Veranstaltung vor Ort organisieren wollten. Aufgrund der vielen Rückmeldungen wird es nun eine zweite Tour von zwei Wochen im Februar und März 2012 geben. Und noch immer gibt es weitere Anfragen.

Aber es zeigte sich auch bei den Veranstaltungen selbst. Zum Teil waren sie sehr gut besucht. Bemerkenswert fand ich, dass sehr viele junge Menschen kamen und das Publikum immer wieder sehr engagiert nachfragte und diskutierte.

Das spiegelt sich ja auch in einer repräsentativen Umfrage wider, die Emnid durchgeführt hat. Über 70% der Deutschen sind danach gegen Waffenexporte, eine sehr deutliche Mehrheit. Viele wollen es nicht länger hinnehmen, dass Deutschland bei den Waffenexporten Weltmeister spielt.

 

Wie wurde die Kampagne der Aktion Aufschrei angenommen?

Es gibt von der Aktion Aufschrei ja eine Unterschriftensammlung, mit der gefordert wird, den Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes zu ergänzen. Da steht als erster Satz: „Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden.“ Ergänzt werden soll: „Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter werden grundsätzlich nicht exportiert. Das Nähere regelt das Rüstungsexportgesetz.“ Das, so stellte ich fest, fanden die Leute zweideutig. Sie sagen: „Das ist doch ein Widerspruch“. Schon bislang werden die Rüstungsexporte von der Bundesregierung genehmigt und bewilligt.

Das derzeitige Problem ist, dass dies im Geheimen geschieht, im sogenannten Bundessicherheitsrat. Tatsächlich muss man die Bundesregierung dazu drängen, wirkliche Transparenz und parlamentarische demokratische Kontrolle zuzulassen.

Es gab auch den Vorschlag, dass man die ParlamentarierInnen an ihr Recht erinnern müsse, dass sie verfassungsmäßige Aufgaben erfüllen müssen, also eine parlamentarische Kontrolle über gesellschaftliche und politische Entscheidungsprozesse und Praktiken der Bundesregierung ausüben. In Großbritannien z.B. werden die Rüstungsexporte dem Parlament vorgelegt, das auch bestimmte Exporte stoppen kann. Warum sollte sich ein Wirtschaftszweig, die Rüstungsindustrie, solch einer Kontrolle entziehen dürfen?

 

Gab es auf den Veranstaltungen Vorschläge für weitere Aktionen?

Die Leute auf den Veranstaltungen waren begeistert über die vielen detaillierten Informationen, die ich ihnen bieten konnte, über die Broschüre, über meine Ausführungen selbst. Aber es hat sie auch sehr ernüchtert. Sie fühlten sich danach ohnmächtig all diesen Machenschaften gegenüber. Deshalb ist es so wichtig, dass die Kampagne Aktion Aufschrei, in deren Rahmen die Veranstaltungsreihe ja lief, Wege aufzeigt, wie die Forderung „Stoppt den Waffenhandel!“ mit Leben gefüllt werden kann. Die Menschen wünschen sich, einen aktiven Beitrag dazu leisten zu können. Viele haben an die Antiminenkampagne erinnert, bei der das ja mit fantasievollen Aktionen gelungen war.

Es kamen auch einige Vorschläge: Gruppen könnten regional Informationen darüber sammeln, welche Rüstungsfirmen oder Dual-Use-Produzenten vor Ort aktiv sind. Diese Informationen sollten dann z.B. bei der Kampagne gesammelt werden. ParlamentarierInnen könnten nach ihrer Position zu Rüstungsexporten angefragt werden. Es könnte Aktionen und Proteste vor Rüstungsfabriken geben. In den Hauptversammlungen z.B. von Rheinmetall oder Krupp könnten eigene Anträge eingebracht und die Termine für Aktionen genutzt werden. Es sollten auch Banken mit dem Thema konfrontiert werden, die Rüstungsexporte finanzieren. Es wäre wichtig, in Dialog mit den Betriebsräten der Firmen zu treten, um dem Argument entgegenzutreten, dass es vor allem um die Absicherung von Arbeitsplätzen geht. Wichtig wäre hier die Thematisierung von Konversion. Aber es wäre ebenso wichtig, deutlich zu machen, dass die Waffen, die hier produziert werden, in den Exportländern eingesetzt werden, um massenhaft Menschen zu töten.

 

Wurden die Veranstaltungen von der angolanischen Regierung beobachtet?

Ja, meine Aktivitäten, Veröffentlichungen und Veranstaltungen werden ganz offensichtlich beobachtet. Besonders deutlich wurde mir das in einer Station der Tour. Dort kam eine Frau zur Veranstaltung, die sich danach direkt an mich wandte. Sie war aus Zürich angereist, angeblich aus eigener Initiative. Sie gab später aber an, dass sie die Kommunikations- und PR-Verantwortliche von Banco Quantum und einer schweizerisch-angolanischen Stiftung namens Afrikanische Innovationsstiftung ist. Diese beiden Institutionen gehören teilweise auch dem Sohn des angolanischen Präsidenten dos Santos, sind also Teil des despotischen Regimes in Angola. Ich gehe davon aus, dass sie geschickt wurde.

Die Frau wiederholte immer wieder, dass sie den Dialog mit mir suchen würde. Sie würden mir Informationen aus erster Hand zur Verfügung stellen. Und sie drängte mich mehrfach, ihr meine privaten Daten zu geben, was ich verweigerte. Im Gespräch stellte es sich zudem heraus, dass sie eigentlich wenig Ahnung von Angola hat, weil sie bestimmte Fragen nicht beantworten konnte.

Besonders deutlich wurde mir, auf welcher Seite sie steht, als diese Frau zwei Wochen später einer belgischen online-Zeitung eine Aufforderung zukommen ließ, einen Artikel von mir aus dem Netz zu nehmen. In meinem Artikel berichtete ich über die Machenschaften von zwei Schweizern und einem prominenten ehemaligen deutschen Bankier. Sie drohte in ihrem Schreiben mit juristischen Schritten, falls die Zeitung ihrer Aufforderung nicht nachkäme. All das muss ich als wirklich ernsthafte Warnung verstehen.

 

Wie schätzt Du Deine Bedrohung ein?

Als sehr ernsthaft. Es war für mich bedrohlich, dass ich bei diesem Vorfall plötzlich allein mit der Frau da stand, die angab, Teilnehmerin zu sein, aber doch in ihrer Funktion kam und somit aus dem Kreis der Despotenfamilie stammt. Es wäre mir wichtig gewesen, dass dies genau nicht passiert, dass die Veranstalter gerade in solch unklaren Situationen anwesend sind.

In Angola bekam der Chefredakteur der privaten Wochenzeitung Folha 8, in der der gleiche Artikel von mir erschien, im Anschluss Morddrohungen. Ich erfuhr von angolanischen Freunden in den letzten Wochen und Monaten, dass auch ich auf der Liste stände. Das nehme ich ernst. Noch gehen sie mit juristischen Mitteln vor. Aber wie lange noch? Der angolanische Despot dos Santos hat sich in Europa ein Netzwerk von Freunden aufgebaut, auf die er zählen kann. In meinen Artikeln habe ich deutlich gemacht, wie tief Deutschland in diesem Sumpf der Korruption steckt, wie verwickelt Deutschland in der Förderung des Despoten in Angola ist. Da werden ethische Prinzipien für Öl- und Rohstoffsicherung über Bord geworfen.

Aber ich muss klar sagen: Man kann die Kritiker töten, aber man kann uns, unsere Ideen und unsere Gedanken nicht mundtot machen.

 

Was ist Deine zentrale Botschaft?

Man kann die Entwicklung in Ländern wie Angola nicht fördern, in dem Waffen in Milliardenhöhe verkauft werden. Verbunden damit sind Vetternwirtschaft, Korruption und die Pervertierung demokratischer Werte. Deutschland betreibt eine Politik, die kontraproduktiv für die Entwicklung ist und das Image Deutschlands auf dem schwarzen Kontinent beschädigt. Man muss doch die Frage in den Vordergrund stellen, wie man von Deutschland aus eine Entwicklung in diesen Ländern fördern kann, die wirklich der Bevölkerung dort nützt.

Und die Menschen hier müssen verstehen, dass es um sehr viel geht. Gegen kritische Stimmen wird schon lange mit juristischen Mitteln vorgegangen, das Recht auf freie Meinungsäußerung in Frage gestellt. Das ging ja auch Jürgen Grässlin so. Es geht um sehr viel Geld und Macht. Es sind Todeshändler. Die Öffentlichkeit muss hinter denen stehen, die dies kritisieren. Sie muss mit für ihre Sicherheit einstehen.

Interview mit Emanuel Matondo: 14. Dezember 2011. Die Fragen stellte Rudi Friedrich von Connection e.V. Die Veranstaltungsreihe wurde gefördert vom Katholischen Fonds und dem Evangelischen Entwicklungsdienst. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Februar 2012.

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