Bradley Manning

Bradley Manning

USA: Friedensnobelpreisträger ehren Bradley Manning

von Desmond Tutu, Mairead Maguire and Adolfo Pérez Esquivel

(14.11.2012) Letzte Woche bot der Obergefreite Bradley Manning an, die Verantwortung zu übernehmen, geheime Informationen aus Gewissensgründen weiterverbreitet zu haben – entgegen der Anklage des US-Militärs. Als Menschen, die seit Jahrzehnten gegen die ansteigende Militarisierung der Gesellschaften und für die internationalen Beziehungen zur Beendigung von Kriegen arbeiten, sind wir entsetzt über die Behandlung des Obergefreiten Bradley Manning. Das Militär unter der Regierung von Obama zeigt die Absicht, das Aufdecken von Informationen in völlig überzogener Weise mit einer Anklage wegen Spionage und „Feindunterstützung“ und damit verbundener lebenslanger Haft zu bestrafen, eine beunruhigende Entscheidung, die keinen Zweifel daran lässt, dass damit ein Exempel statuiert werden soll.

Wir haben unser Leben hingegeben, um für Frieden zu arbeiten, weil wir die vielen Seiten der bewaffneten Konflikte und Gewalt gesehen haben. Wir verstehen, dass unabhängig von den Gründen für einen Krieg immer die Zivilisten die Hauptlast tragen. Mit der heute entwickelten Militärtechnologie und den Möglichkeiten für die wirtschaftlichen und politischen Eliten, zu filtern, welche Informationen öffentlich gemacht werden, gibt es für viele Bürger große Schranken, wirklich bewusst die Realität und die Konsequenzen von Konflikten wahrzunehmen, in denen ihr Land verwickelt ist.

Verantwortliches Regieren erfordert gut informierte Bürger, die ihre Führung in Frage stellen können. Für diejenigen Bürger weltweit, die kein direktes und intimes Wissen über Krieg haben und noch nicht von ansteigenden internationalen Spannungen und schwächelnden Ökonomien betroffen sind, haben die Bradley Manning zugeschriebenen Veröffentlichungen von Wikileaks beispiellos wichtige Informationen geliefert.

Die Aufdeckung von Verbrechen in Irak und Afghanistan, ein Fenster, durch das wir die Realität der modernen internationalen Beziehungen sehen, hat die Welt zum Besseren gewendet. Während einige dieser Dokumente aufzuzeigen vermögen, wie viel Arbeit für die Sicherung von internationalem Frieden und Gerechtigkeit vor uns liegt, zeigen sie auch das Potential des Internets als ein Forum für Bürger, sich stärker an zivilen Diskussionen zu beteiligen und an kreativ verantwortungsvollen Projekten der Regierung mitzuwirken.

Das Infragestellen der Autoritäten ist als Soldat nicht einfach. Aber es kann manchmal sehr ehrenhaft sein. Dies trifft auf die Enthüllung von Manning zu, der einen tiefgreifenden moralischen Kampf ausfocht, von seiner Einberufung, bis er schließlich zum Whistleblower wurde. Durch seine Erfahrungen im Irak war er verstört über das von der hohen Politik gering geschätzte Leben von Menschen, was Leiden für unschuldige Zivilisten und Soldaten bedeutete. Wie andere mutige Whistleblower brachte ihn das zu dem Wunsch, die Wahrheit aufzudecken.

Der Soldat Manning sagte in Chatrooms, dass er hoffe, die Veröffentlichungen würden für „Diskussionen, Debatten und Reformen“ sorgen, und für eine Verurteilung, wie „die Erste Welt die Dritte ausbeutet“. Große Teile der Welt sehen ihn als Held für Frieden und Transparenz an, weshalb er für den Friedensnobelpreis nominiert wurde. Und dennoch: Noch stärker als 2003, als hochrangige Vertreter der USA und Großbritannien die Öffentlichkeit irreführten, indem sie sagten, dass der Einmarsch in den Irak notwendig sei, um die Anwendung von Massenvernichtungswaffen zu beenden, haben die mächtigsten Eliten dieser Welt erneut die internationale Meinung und die Intelligenz vieler Bürger beleidigt, indem sie Fakten zu Manning und Wikileaks nicht offenlegen.

Die Militärstaatsanwaltschaft hat keinen Beweis vorgelegt, dass Manning durch das Veröffentlichen geheimer Dokumente irgendjemanden verletzt hat, und hat vor Gericht behauptet, dass für die Anklage der „Feindunterstützung durch indirekte Mittel“ keine Absicht erforderlich sei. Die Anklage hat auch nicht seine Motivation bestritten, dies aus Gewissensgründen getan zu haben. Sie hat nur behauptet, dass dies nicht relevant sei. Durch die Nichtberücksichtigung dieses Zusammenhangs und der Beantragung einer viel höheren Strafe für Bradley Manning als die US-Soldaten erhielten, die der Ermordung von Zivilisten schuldig gesprochen wurden, sendet die militärische Führung eine entmutigende Warnung an andere Soldaten, die sich durch Gewissensgründe darin bestärkt sehen, Missetaten aufzudecken. Es ist unsere Überzeugung, dass Führer, die zum Regieren Angst schüren, statt ihre aus den Fakten entsprungene Weisheit zu teilen, nicht gerecht sein können.

Wir Nobelpreisträger verurteilen die Verfolgung, die Bradley Manning erleidet, darunter eine Inhaftierung, die von den Vereinten Nationen als „grausam, unmenschlich und entwürdigend“ bezeichnet wurde. Wir rufen die Amerikaner auf, aufzustehen, um diesen Whistleblower zu unterstützen, der ihre demokratischen Rechte verteidigte. Allein im Konflikt mit dem Irak starben seit 2003 mehr als 110.000 Menschen, Millionen wurden vertrieben und fast 4.500 US-Soldaten getötet. Wenn jemand für die Gefährdung von US-Amerikanern und Zivilisten verantwortlich gemacht werden muss, müssen wir uns erst die Zeit nehmen, die Beweise über bereits begangene hochrangige Verbrechen zu prüfen und was wir daraus lernen können. Wenn Bradley Manning die Dokumente veröffentlichte, wie die Anklage behauptet, müssen wir ihm unseren Dank für sein Bemühen aussprechen, die Regierung zur Verantwortung zu ziehen und für Demokratie und Frieden zu informieren.

Friedensnobelpreisträger Erzbischof Desmond Tutu, Mairead Maguire und Adolfo Pérez Esquivel: Nobel Laureates salute Bradley Manning. 14. November 2012. Veröffentlicht von The Nation (USA) und The Guardian (UK). Übersetzung: rf. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Februar 2013

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