Südafrika: Die Wehrpflicht lauert hinter der nächsten Ecke

von Laura Pollecutt

(15.05.2013) Die Apartheid-Regierung nutzte die Wehrpflicht von weißen Männern, um ihre militärische Stärke zu steigern und die Mehrheit der SüdafrikanerInnen zu unterdrücken. 1967 wurde die Wehrpflicht mit zunächst neun Monaten Dienst eingeführt, sie wurde 1972 auf ein Jahr erhöht. Von Beginn an gab es Verweigerungen. 1974 verabschiedete der Südafrikanische Rat der Kirchen eine Resolution, in der er seine Mitglieder dazu aufrief, darüber nachzudenken, Kriegsdienstverweigerer zu werden. Im selben Jahr unterstützte die Nationale Union der Südafrikanischen Studenten die Kirchen. Die Regierung hingegen sorgte dafür, dass die Ermutigung zur Kriegsdienstverweigerung eine Straftat wurde, was die Kirchen nicht davon abhielt, Kriegsdienstverweigerer zu unterstützen und die Versuche der Regierung zurückzuweisen, dies unter Strafe zu stellen.

1977 wurde der Nationaldienst auf zwei Jahre verlängert. Danach wurde die Forderung auf einen nicht-militärischen Nationaldienst immer lauter erhoben – wie auch die Forderung nach politischem Asyl für KriegsgegnerInnen und Deserteure der Apartheidarmee. Ungeachtet des Selbstmordes von Michael Bevan, Stunden vor seiner Einberufung zum Nationaldienst, wurde die Strafe für Militärdienstentzieher erhöht.

1978 wurde das Komitee der Südafrikanischen Kriegsgegner (COSAWR) in Großbritannien gegründet und in Südafrika begann sich die Gruppe zur Unterstützung der Kriegsdienstverweigerer (COSG) zu finden. Diese Gruppe wurde auf einer Konferenz im Juli 1980 formal gegründet. Sie bot Hilfe auf verschiedenen Ebenen an, darunter Unterstützung, Beratung, Begleitung von Kriegsdienstverweigerern und ihren Familien. Einige Mitglieder der Anti-Apartheid Organisation von Frauen, Black Sash, die auch in COSG mitarbeiteten, initiierten eine Resolution mit dem Aufruf, die Wehrpflicht zu beenden. Die Resolution wurde angenommen. Obwohl es untersagt war, Wehrpflichtige davon zu überzeugen, nicht zur Armee zu gehen, war es aber nicht verboten, für das Ende der Wehrpflicht aufzurufen. Deshalb wurde auf der Konferenz der COSG 1983 die Kampagne Ende der Wehrpflicht (End Conscription Campaign – ECC) gegründet und im Oktober 1984 lanciert. COSG wurde dann zu einer Zweigorganisation der Kampagne.

Ein Dorn im Apartheidssystem

Die ECC wurde zu einem wirklichen Dorn aus Sicht der Apartheid-Regierung, die die Kampagne anklagte sich mit „Propaganda, Gerüchten und Falschinformationen“ an junge Südafrikaner zu wenden. Mitglieder der ECC wurden schikaniert, inhaftiert, mit Tränengas beschossen, auf Büros wurden Brandanschläge ausgeführt. Aber statt den Hass und die Verurteilung des ECC zu fördern, sorgten die Aktionen der Regierung dafür, dass sich immer mehr Wehrpflichtige beteiligten und sich in das Register der Verweigerer einschrieben. Obwohl die Kampagne aufgrund eines Verbotes 1988 - wie andere Organisationen in Südafrika auch - dazu gezwungen war, die Kampagne aufzugeben, unterlief die ECC das Verbot 1989 und setzte die Kampagne gegen die Wehrpflicht fort. Im Februar 1990 erklärte Präsident FW de Klerk die Freilassung von Nelson Mandela und die Aufhebung des Verbotes von politischen Parteien. Das führte zur Rückkehr derjenigen, die ins Exil gegangen waren, zu Friedensgesprächen und zu den ersten freien Wahlen 1994. Auch die Wehrpflicht – und mir ihr die ECC – endete offiziell 1993. COSG beendete die Arbeit, aber nicht bevor die Gruppe nicht schlagkräftige Argumente für Südafrika geliefert hatte, um die eigene Position deutlich zu machen, keine Waffen zu tragen. Mit der Auflösung der ECC entstand die Ceasefire Campaign (Kampagne Waffenstillstand), die die Arbeit zur Demilitarisierung, Entwaffnung und Frieden im neuen Südafrika fortsetzt.

Obwohl sich das neue System für eine Berufsarmee von Freiwilligen entschied, schlugen verschiedene VerteidigungsministerInnen vor, dass ein Militärdienst eingeführt werden sollte, insbesondere Lindiwe Sisulu, die von 2009 bis 2012 Ministerin war. Im Mai 2010 erklärte sie ihre Absicht, arbeitslose Jugendliche für ein „Nationales Dienstprogramm“ zu registrieren. Sie sagte, dass dies nicht die Wiedereinführung der Wehrpflicht bedeute. Aber auch wenn es nicht verpflichtend sei, es wäre unvermeidbar!

Ministerin Sisulu appellierte an den Teil der Bevölkerung, der glaubt, dass Verbrechen und Proteste gegen Dienste ihren Ursprung in der Disziplinlosigkeit der Jugend haben: „Wir hätten gern eine Zeit in der wir Eure Kinder nehmen und ihnen ein wenig Disziplin beibringen“, sagte sie.

Auch wenn es zum heutigen Zeitpunkt noch keine Gesetzgebung dazu gibt, die Armee nutzt die Tatsache, dass Millionen von Schulabgängern keine Arbeit und wenig Möglichkeiten haben, ein Studium zu beginnen. Das System zur Entwicklung von Militärwissen (MSDS) ist ein zweijähriger freiwilliger Dienst mit dem langfristigen Ziel „die Kapazitäten der Südafrikanischen Nationalen Streitkräfte zu steigern. Rekruten werden aufgefordert, sich für zwei Jahre zu verpflichten“.

Verteidigungsbericht fördert „Militarisierung der südafrikanischen Demokratie“

Von 1996-1998 ließ die neue Regierung einen Verteidigungsbericht erstellen. Erst jetzt wird ein neuer Bericht erstellt. Das Komitee wurde von Ministerin Sisulu zusammengestellt. Obwohl sie 2012 von ihrer Position als Verteidigungsministerin abgelöst wurde, hat sie weiter Einfluss in Bereichen, die einen Nationalen Dienst vorschlagen. Neben vielen anderen Themen hat sich Ceasefire Campaign mit diesem Thema des Berichts auseinandergesetzt, in der Überzeugung, dass die Inhalte ein Rezept zur Militarisierung der südafrikanischen Demokratie sind. Wir waren insbesondere besorgt über die Vorschläge für einen Nationalen Dienst.

Unsere Schlussfolgerung ist, dass das Komitee die zunehmend militärisch geprägte Sicht und Einstellung der jungen Menschen auf die Welt unqualifiziert als positiv einschätzt.

 

In Kapitel 2, Absatz 57 des ersten Entwurfes steht:

„Militärdienst, auch wenn er nur kurz dauert, kann eine wichtige und wertvolle Rolle spielen

a) bei der Entwicklung und Sozialisierung junger Erwachsener;

b) um eine stabile Umgebung zur Verfügung zu stellen, mit der die Bildung von benachteiligten jungen Menschen verbessert werden kann;

c) um bei jungen Menschen aus verschiedenen Gemeinden und sozialen Bereichen ein nationales Gewissen zu entwickeln und den Zusammenhalt zu fördern...“

 

Um dieses zu erreichen, schlägt der Entwurf vor:

- Die Einrichtung eines Nationalen Jugenddienstes (NYS) als einen Hilfsdienst für das Verteidigungsministerium;

- die Einführung eines Kadettensystems;

- die Verwendung von Forschungs- und Entwicklungsmitteln, um junge Menschen für Ingenieurswesen und Wissenschaft zu begeistern;

- dienstspezifische „Jugendentwicklungsprogramme“;

- die Verwendung dieser Programme, um für die SANDF (südafrikanische Armee) zu rekrutieren.

Ceasefire Campaign argumentierte, dass diese Vorschläge gerade angesichts der militärischen Antwort des Apartheidregimes auf den „Gesamtangriff“ ab 1980 höchst problematisch sind und Erinnerungen wachrufen. Junge Menschen sollten nicht darin gelehrt werden, Gewalt auszuüben oder den Krieg zu verherrlichen. In unserer Vorlage wird gesagt: „Die Einführung von Kriegsspielen in Schulen über ein Kadettensystem wird unweigerlich in Zwang enden oder ihn nötig machen und so die Wehrpflicht in einem Alter einführen, zu dem Kinder noch nicht erwachsen genug sind, militaristisches Denken anzuzweifeln und eine ethische Wahl zwischen Wehrpflicht und Kriegsdienstverweigerung zu treffen. Tatsächlich findet sich nirgends im Bericht eine Ablehnung der Wehrpflicht. Der einzige Verweis darauf ist ein Kommentar in Kapitel 4 Absatz 57, in dem der Rückgang der Reserve auf die Abschaffung der Wehrpflicht zurückgeführt wird. Das Komitee muss nicht nur die obengenannten Vorschläge überdenken, sondern auch klarstellen, dass es keinen militärischen Zwangsdienst oder Wehrpflicht welcher Art auch immer geben soll.“

Alternative Peace Corps

Ceasefire Campaign schlug als Alternative zum Militärdienst Peace Corps vor. Die Regierung sollte Peace Corps außerhalb des Verteidigungsministeriums einrichten. Das würde jungen Menschen ermöglichen, sich an Frieden und Entwicklung zu beteiligen sowohl in Südafrika als auch in Nachbarstaaten. Das wäre ein viel besserer Weg, um jungen Menschen konstruktive Werte einzuprägen. So wie bisher hat der Vorschlag aber den Geschmack des Aufbaus eines Empire.

Obwohl das Komitee unsere Vorlage annahm, wurde sie nicht ernsthaft behandelt. Es gab einige Schaugespräche, uns wurde aber keine Zeit gegeben, unsere Vorschläge vorzustellen. Im dritten, und vermutlich letzten Entwurf, wurden die Positionen nicht merkbar positiv verändert.

Laura Pollecutt: South Africa – Conscription can lurk in the wings. 21. Mai 2013. Entnommen aus: WRI, The Broken Rifle, Mai 2013. Übersetzung: rf. Quelle

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