Internationale Eritrea-Konferenz

von Rudi Friedrich

(22.11.2017) Am 19. und 20. Oktober 2017 führten wir zusammen mit anderen Organisationen in Brüssel eine eintägige Konferenz „Fluchtsituation Eritrea – kein Ende in Sicht?“ und am folgenden Tag ein Strategietreffen von Gruppen und Initiativen durch, die zu eritreischen Flüchtlingen arbeiten. „Ich denke, dass es ein sehr nützliches Treffen war, um die Flüchtlingskrise an einer der gegenwärtigen Schlüsselregionen zu diskutieren und Lösungen für die Fluchtgründe zu finden, insbesondere zu Eritrea“, schrieb uns im Anschluss ein Teilnehmer. Tatsächlich war die Konferenz insofern einzigartig, weil hier zum ersten Mal eritreische und internationale ExpertInnen zu Eritrea die Situation vor einem Fachpublikum, EU-Abgeordneten, VertreterInnen von EU-Mitgliedsstaaten sowie Flüchtlingen darlegen konnten. Zur Konferenz kamen mehr als 100 Personen von über 40 Organisationen weltweit, an der Strategiekonferenz nahmen etwa 40 Aktive teil.
Anlass für die Organisation der Konferenz war die gegenwärtige Flüchtlingspolitik der europäischen Länder. Einige Länder spielen die katastrophale Menschenrechtslage und die Verfolgungsgefahr herunter. Das hat in Deutschland bereits dazu geführt, dass immer weniger EritreerInnen den vollen Flüchtlingsstatus erhalten und stattdessen auf den rechtlich schwächeren sogenannten subsidiären Schutz verwiesen werden. Während Anfang 2016 fast jede/r als Flüchtling anerkannt wurde, sank die Zahl im Jahr 2017 auf nur noch 54% (Stand 30.09.2017, bereinigte Schutzquoten, d.h. nur rein inhaltliche Entscheidungen sind berücksichtigt). Diese Entwicklung ist mit der unveränderten Situation in Eritrea nicht zu rechtfertigen.
Die Lage ist weiter geprägt von einer alles beherrschenden Militärdiktatur, völliger Willkür und einem unbefristeten Militärdienst für Frauen und Männer, mit dem sie in Sklaverei ähnliche Arbeitsverhältnisse gezwungen werden. Das berichtete auf der Konferenz die UN-Sonderberichterstatterin zur Menschenrechtslage in Eritrea, Sheila Keetharuth. Sie führte umfassend in das Thema ein und sorgte so für die grundlegenden Informationen, um die Situation in Eritrea verstehen zu können. Daran schlossen sich etwa 15 Redebeiträge zu den unterschiedlichsten Punkten an: zur EU-Flüchtlingspolitik, zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, zur Menschenrechtssituation in Eritrea, zum unbefristeten Militärdienst, zur Situation von Frauen in Eritrea. Besonders eindrücklich waren Berichte von drei Flüchtlingen über ihre Fluchtgründe und den lebensbedrohlichen Weg nach Europa.
Organisiert wurde die Konferenz von Connection e.V., der Eritrean Movement for Democracy and Human Rights, Eritrean Law Society, War Resisters‘ International, Pro Asyl und Europe External Policy Advisors (EEPA). Mit wöchentlichen Skype-Konferenzen gelang es uns, Konzept und Programm zu entwickeln, Öffentlichkeitsarbeit durchzuführen und finanzielle Unterstützung einzuwerben. Das erste Mal trafen wir uns persönlich einen Tag vor der Konferenz in Brüssel. Es war eine sehr angenehme Zusammenarbeit, die auf gegenseitigem Vertrauen beruhte und bei der alle Entscheidungen im Konsens getroffen wurden.
Wenn sie schon alle da sind, so unsere Überlegung in der Vorbereitungsphase, können wir doch auch ein Strategietreffen mit denen durchführen, die sich in den unterschiedlichsten Ländern für eritreische Flüchtlinge einsetzen. Das ging auf. Wir konnten so am zweiten Tag über ein Brainstorming und in verschiedenen Arbeitsgruppen einige Vorschläge für eine gemeinsame Weiterarbeit entwickeln: Gemeinsame Website, regelmäßiger Austausch, Unterstützung der Arbeit der UN-Sonderberichterstatterin und anderer UN-Gremien, Lobbyarbeit. Zudem wollen wir die Redebeiträge der Konferenz dokumentieren und veröffentlichen.
Im Vorfeld der Konferenz war die mögliche Einflussnahme der eritreischen Regierung ein wichtiges Thema für die Vorbereitungsgruppe. Erfahrungen von Treffen anderer oppositioneller Gruppen zeigten, dass die eritreische Regierung über ihr nahestehende Organisationen und Personen versuchen, die Inhalte von Treffen an sich zu reißen bzw. sie zu sprengen. Zudem werden Personen, die sich kritisch zur Regierungspolitik äußern, bedroht und möglicherweise ihre noch in Eritrea lebenden Angehörigen unter Druck gesetzt. Auch zur Konferenz kamen Unterstützer der PFDJ, der eritreischen Regierungspartei. Einige von ihnen bedrohten diejenigen Flüchtlinge, die der Versammlung über ihre Fluchterfahrungen berichtet haben. Wir konnten dies über strikte Versammlungsregelungen beenden. Es zeigt allerdings, wie stark angespannt die Situation in der Diaspora ist.
Unterstützt wurde die Konferenz und das Strategietreffen unter anderem von der Stiftung Umverteilen – Stiftung für eine solidarische Welt und dem A.J. Muste Memorial Institute (USA). Ein besonderer Dank gilt auch der Vertretung des Landes Hessen in der Europäischen Union, die uns ihre Konferenzräume zur Verfügung stellte. Das war in der Tat eine große Erleichterung bei der Durchführung.
Wir hoffen sehr, dass die beiden Treffen auf diese Art und Weise eine nachhaltige Wirkung entfalten können.

Rudi Friedrich: Internationale Eritrea-Konferenz. 22. November 2017. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe November 2017.

Stichworte:    ⇒ Eritrea   ⇒ Europa   ⇒ Menschenrechte   ⇒ Projekte