Ruslan Kotsaba

Ruslan Kotsaba

Ukrainischem Kriegsdienstverweigerer und Journalisten droht erneute Strafverfolgung

Zum Fall Ruslan Kotsaba

von Connection e.V.

Chronologie des Falles Ruslan Kotsaba

23. Januar 2015: Der aus der Ukraine stammende Ruslan Kotsaba hat die Proteste am Maidan unterstützt. Anfang 2015 wendet er sich in einer Botschaft auf Youtube gegen die Kriegführung im Osten des Landes. In seiner Botschaft an Präsident Petro Poroschenko erklärt der freiberufliche Journalist, er werde sich der Einberufung verweigern. Er ruft seine Landsleute auf, ebenfalls den Kriegsdienst zu verweigern und sich der Einberufung zur Armee zu widersetzen. Er betont dabei, dass er die Mobilisierungen, die zu dieser Zeit in der Ukraine stattfinden, als widerrechtlich ansieht, da die ukrainische Regierung keinen Krieg erklärt habe.1 In weiteren Erklärungen betont er, dass er sich als Christ auch dem göttlichen Gebot „Du sollst nicht töten“ verpflichtet fühlt.2
7. Februar 2015: Ruslan Kotsaba wird festgenommen und wegen „Landesverrats“ und „Behinderung der rechtmäßigen Aktivitäten der Streitkräfte der Ukraine“ angeklagt.
Ab Februar 2015: Die Staatsanwaltschaft benennt etwa 60 Zeugen, die nach und nach zu den monatlichen Gerichtsterminen eingeladen werden. Viele der Zeugen erscheinen jedoch nicht zu den Verhandlungen, so dass sich letztlich der Prozess über Monate hinzieht, ohne weitere Erkenntnisse zu bringen. Die Haftbedingungen der Untersuchungshaft sind menschenunwürdig.
5. Februar 2016: Ein Jahr nach der Festnahme erhält Ruslan Kotsaba erstmals Gelegenheit, vor Gericht Stellung zu den Vorwürfen zu beziehen. Er nutzt in seiner zweistündigen Aussage die Gelegenheit, seine ablehnende Haltung zum Krieg und seine Kriegsdienstverweigerung zu bekräftigen. Zudem setzt er sich intensiv mit der Anklageschrift auseinander und macht deutlich, dass er sich demokratischen Regeln journalistischer Arbeit verpflichtet fühlt und sich auch entsprechend verhalten habe.
12. Mai 2016: Das Gericht in Iwano-Frankiwsk verkündet das Urteil: 3,5 Jahre (42 Monate) Haft. Es weist zwar den Vorwurf des „Landesverrats“ zurück. In keinem der von der Anklage vorgelegten Beweise, auch nicht in Abhörprotokollen, seien Hinweise zu finden, dass Kotsaba mit seinen öffentlichen Auftritten vorsätzlich und unmittelbar einem ausländischen Staat bei Subversionstätigkeiten gegen die Ukraine Hilfe geleistet habe. Die Verfassung der Ukraine garantiere zudem Meinungsfreiheit. Ruslan Kotsabas Äußerungen seien durch die Verfassung gedeckt.
Das Gericht bestätigt aber die Anklage wegen „Behinderung der rechtmäßigen Aktivitäten der Streitkräfte der Ukraine“. Seine Erklärungen hätten sich nicht auf präzise Fakten gestützt, sondern Bürger vielmehr dazu animiert, sich der Einberufung und der Aufgabe der Verteidigung des Staates zu entziehen. Das Gericht geht nicht auf den Verweis von Ruslan Kotsaba ein, dass die Mobilisierungen unrechtmäßig seien, da die Ukraine formell gar keinen Krieg erklärt habe.
Das Urteil legt auch fest, dass aufgrund der harten Haftbedingungen in der Untersuchungshaft nach Artikel 72, Absatz 5, diese doppelt angerechnet wird.
16. Mai 2016: Ruslan Kotsaba legt gegen das Urteil Berufung ein.
14. Juli 2016: Das Berufungsgericht stellt das Verfahren ein und verfügt die Freilassung von Ruslan Kotsaba nach über 16 Monaten Haft.
1. Juni 2017: Das Oberste Gericht für Zivil- und Strafsachen der Ukraine hebt das Urteil des Berufungsgerichts auf, da die Strafprozessordnung nicht eingehalten worden sei. Insbesondere seien die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Beweismittel durch das Berufungsgericht nicht erneut vollständig geprüft worden. Es wird erwartet, dass bei einem sehr bald angesetzten Prozesstermin das Verfahren durch das Gericht in Iwano-Frankiwsk erneut aufgenommen wird. Ruslan Kotsaba geht davon aus, dass er bei einer Neuaufnahme des Verfahrens wieder in Untersuchungshaft genommen wird.

Politisches Verfahren gegen Kriegsgegner - Zusammenfassung

Connection e.V. und die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) sehen die Strafverfolgung von Ruslan Kotsaba als politische Verfolgung an. Vorgehalten wird Ruslan Kotsaba offenbar nach wie vor, dass er sich öffentlich gegen die Politik der ukrainischen Regierung gestellt hat und zu einem Ende des „Bruderkrieges“ und zu Verhandlungen mit den Separatisten im Osten des Landes aufruft. Nur so ist zu erklären, warum die ukrainischen Behörden in so scharfer Form gegen ihn vorgehen.
Hinzuweisen ist hier auf den im ersten Verfahren erfolgten Versuch der Staatsanwaltschaft in Iwano-Frankiwsk, mit äußerst fragwürdigen Mitteln eine Verurteilung des Journalisten wegen „Landesverrats“ zu erreichen. Es ist zugleich als Drohung gegen weitere kritische Äußerungen gegen den Krieg zu werten, da in solchen Fällen eine ähnliche Strafverfolgung erfolgen würde - und offensichtlich auch zugelassen würde.
Zudem erreichte die Staatsanwaltschaft über die Bestellung von über 60 Zeugen, dass sich das erste Verfahren über Monate in die Länge hinzog und Ruslan Kotsaba infolgedessen unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Untersuchungshaft verbleiben musste. Das Gericht bestätigte dies in seinem Urteil indirekt, indem es die Zeit der Untersuchungshaft bei der Gesamtstrafe doppelt anrechnete. Dies ist als Vorverurteilung zu werten und darf in keinster Weise legitimiert werden. Die Untersuchungshaft wurde im Fall von Ruslan Kotsaba selbst zu einer Bestrafung.
Durch eine Neuaufnahme des Verfahrens durch das Berufungsgericht und eine damit verbundene Untersuchungshaft von Ruslan Kotsaba würde er zum zweiten Mal dieser Form der Verfolgung unterliegen.
Connection e.V. und DFG-VK halten auch den Aufruf von Ruslan Kotsaba, sich nicht am Krieg zu beteiligen, für legitim. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gilt in der Ukraine nur sehr eingeschränkt und entspricht nicht den u.a. vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte genannten Standards. Es wird nur Angehörigen von etwa einem Dutzend religiösen Gemeinschaften das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zugestanden. Zudem haben auch Reservisten keine Möglichkeit, den Kriegsdienst zu verweigern. Des weiteren weist Ruslan Kotsaba selbst darauf hin, dass die Mobilisierungen für den Krieg angesichts eines nicht erklärten Krieges fragwürdig waren. Dass Ruslan Kotsaba wegen seines Aufrufes zur Verweigerung des Kriegseinsatzes zu 42 Monaten Haft verurteilt wurde und ihm nach der Einstellung des Verfahrens durch das Berufungsgericht nun erneut der Prozess gemacht werden könnte, ist in schärfster Form zu verurteilen und als politische Verfolgung zu werten.

Fußnoten

1 http://www.youtube.com/watch?v=6NlCtID6PEo
2 Ruslan Kotsaba an Iwano-Frankiwsker Eparchie der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche

Dossier zu Ruslan Kotsaba, ursprünglich erarbeitet von Connection e.V. und DFG-VK im Juni 2016. Von Connection e.V. überarbeitet am 18. November 2017. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe November 2017.

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