Eritrea: Keine Beihilfe für ein diktatorisches Regime und Sklaverei

Petition an die Europäische Kommission

(17.05.2019) Sehr geehrter Herr Pöttgen, sehr geehrter Herr Kühnel,

wir möchten Ihnen hiermit aus Anlass des Internationalen Tages der Kriegsdienstverweigerung (15. Mai) als Vertreter für die Europäische Kommission in Deutschland eine Petition der unterzeichnenden Organisationen überreichen.

Im April diesen Jahres wurde uns ein Projektvorhaben der Europäischen Union bekannt, mit dem Infrastrukturmaßnahmen in Eritrea gefördert werden sollen. Es firmiert unter dem Titel „Reconnecting Eritrea and Ethiopia through rehabilitation of the main arterial roads in Eritrea“ (Projekt T05-EUTF-HOA-ER-66). (https://ec.europa.eu/trustfundforafrica/sites/euetfa/files/t05-eutf-hoa-er-66_-_eritrea_road_rehabilitation.pdf)

Mit dem Projektvorhaben stellt die Europäische Union 20 Millionen € für das Unternehmen ‚Red Sea Trading Corporation‘ (RSTC) bereit, das der eritreischen Regierung gehört. Wir sind sehr besorgt darüber, dass im Rahmen dieses Projektes Wehrpflichtige des Nationaldienstes eingesetzt werden sollen. In der Projektbeschreibung heißt es: „The labour used by the construction companies will consist of three types of personnel: permanent Government professionals; those in national service; and those mobilised from the local community on a cash-for-work basis.”

Die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen zur Menschenrechtssituation in Eritrea bezeichnete den Nationaldienst als “Sklaverei” und sieht die Art und Weise des Militärdienstes als “Verbrechen gegen die Menschlichkeit” an (https://de.connection-ev.org/article:in-eritrea-werden-verbrechen-gegen-die-menschlichkeit-begangen). Das Europäische Parlament nannte ihn „Zwangsarbeit“ und „eine Form der Sklaverei“. Am 28. März 2019 schrieb das UN-Human Rights Committee in den „Concluding observations on Eritrea in the absence of its initial report”: “The Committee is concerned that the length of the national service, which, initially stipulated by the National Service Proclamation No. 82/1995 for the period of 18 months, has been extended by a mandatory national service programme called the ‘Warsai Yikealo Development Campaign’ for an indefinite period. (...) It is also concerned about allegations that national service conscripts are deployed for labour in various posts, including mining and construction plants owned by private companies, while receiving no or very little salary.” (https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CCPR/Shared%20Documents/ERI/INT_CCPR_COC_ERI_34490_E.pdf)

Der Hinweis in der Projektbeschreibung der Europäischen Union, dass „the (Eritrean) Government has indicated that reforms to the National Service will start to take place when jobs have been created, so allowing incremental demobilisation“, kann diesbezüglich keine Rechtfertigung für den Einsatz von Wehrpflichtigen im Rahmen dieses Projektes sein. Tatsächlich hat die eritreische Regierung trotz mehrfacher Andeutungen keine Maßnahmen ergriffen, um zum Teil seit über 10 Jahren im Dienst befindliche Soldat*innen zu demobilisieren. In Eritrea ist der als Nationaldienst bezeichnete Militärdienst nach wie vor nicht befristet. Männer und Frauen werden in der Regel nicht aus dem Militär entlassen, sondern stattdessen in Wirtschaftsbetrieben des Militärs eingesetzt. Sie befinden sich dort weiter in einem militärischen Dienstverhältnis und erhalten nur einen kümmerlichen Sold. Im Militär haben die Vorgesetzten absolute Befehlsgewalt, die sie mit Willkür und Folter ausüben. Frauen sind häufig sexuellen Übergriffen bis hin zur Vergewaltigung ausgesetzt. (www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/afrika/eritrea/170630-eri-nationaldienst.pdf) ‚The Global Slavery Index‘ gibt für 2018 an, dass in Eritrea 451.000 Personen diesen Bedingungen unterworfen sind, fast 10% der Bevölkerung. (https://www.globalslaveryindex.org/2018/findings/regional-analysis/africa/)

In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage schrieb die Bundesregierung am 25. April 2019: „Allgemein kommuniziert die Bundesregierung die klare Erwartungshaltung, dass deutsche Unternehmen bei ihren wirtschaftlichen Aktivitäten im Ausland die Standards für verantwortungsvolle Unternehmensführung einhalten, wie sie namentlich in den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen sowie im Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte formuliert sind. Dies umfasst insbesondere auch das Verbot der Zwangsarbeit, wie dies im Übereinkommen Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation von 1930 über die Zwangs- oder Pflichtarbeit und dem ergänzenden Protokoll von 2014 niedergelegt ist.“ (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/098/1909806.pdf) Dass nun ausgerechnet die Europäische Kommission von diesem Standard abweicht, ist uns völlig unverständlich.

Anlässlich des Internationalen Tages der Kriegsdienstverweigerung, der seit 1986 auf das Schicksal von Männern und Frauen hinweist, die aufgrund ihrer Kriegsdienstverweigerung in den verschiedensten Ländern Repressionen, Haft und Folter unterliegen, richten wir in diesem Jahr unseren Blick auf die Situation in Eritrea.

Wir fordern die Europäische Kommission daher auf, das Projektvorhaben T05-EUTF-HOA-ER-66 unverzüglich einzustellen. Die Beihilfe subventioniert ein diktatorisches Regime, da die EU-Mittel direkt an die zentrale Beschaffungsbehörde der eritreischen Regierung gehen. Eingesetzt werden sollen Wehrpflichtige, deren Dienstverhältnis als Sklaverei zu bezeichnen ist. Es gibt keinerlei Zusicherungen der eritreischen Regierung zur Einhaltung von Menschenrechten.

Wir fordern die Europäische Kommission auf, unter den gegebenen Umständen die Zusammenarbeit mit dem eritreischen Regime einzustellen. Eritrea ist ein Staat ohne Rechtsstaatlichkeit und ohne Achtung der Menschenrechte. Die Verfassung von 1997 wurde nie in Kraft gesetzt. Folter ist weitverbreitet. Es gibt keine unabhängige Justiz, kein Parlament, keine Wahlen. All dies stellte die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen in den oben schon benannten Concluding Observations im März 2019 fest. Bislang gibt es von Seiten des eritreischen Regimes unter Isayas Afewerki keinerlei Bestrebungen, Demokratie und Menschenrechte zu garantieren und diesbezüglich rechtsstaatliche Standards umzusetzen.

Wir fordern die Europäische Kommission auf, sicherzustellen, dass eritreische Flüchtlinge ohne jede Einschränkung Zugang zu Asylverfahren erhalten, um den notwendigen asylrechtlichen Schutz einfordern zu können. Dazu gehört auch, dass die Politik der Abschottung gegen Flüchtlinge, die gerade im Mittelmeer zu Tausenden von Toten führt, beendet wird.

Wir fordern die Europäische Kommission auf, gegenüber der eritreischen Regierung unmissverständlich die Einhaltung der Menschenrechte einzufordern. Dazu gehört die Freilassung aller Kriegsdienstverweigerer und politischen Gefangenen. Dazu gehören auch effektive und nachhaltige Maßnahmen, um Demokratie und Menschenrechte zu garantieren.

Wir fordern die Europäische Kommission zudem auf, Organisationen und Initiativen der eritreischen Diaspora zu fördern, die sich auf verschiedenste Weise für die Durchsetzung der Menschenrechte und die Umsetzung der Demokratie in Eritrea einsetzen. Dies würde auch gegenüber der eritreischen Regierung ein klares politisches Signal setzen.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne unter office(at)Connection-eV.org oder 069 82 37 55 34 zur Verfügung.

Hochachtungsvoll

Connection e.V. (Rudi Friedrich, 069 82 37 55 34, www.Connection-eV.org)

Eritreischer Verein für Demokratie, Kultur und voneinander Lernen e.V. (Dr. Kessete Awet, 0152 34 191 202 sowie Temelso Ghebreyesus Melese und Tewodros Tsige)

United4Eritrea

Pax Christi Gruppe Bonn (Armin Lauven, 0228 31 42 87)

Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Gruppe Bonn-Rhein-Sieg und Landesverband Nordrhein-Westfalen (Joachim Schramm, 0231 81 80 32)

Regionale Arbeitsgemeinschaft Westfalen der EAK (Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden) (Johannes Weissinger, Dortmund)

Petition von Connection e.V., Eritreischer Verein für Demokratie, Kultur und voneinander Lernen e.V., United4Eritrea, Pax Christi Gruppe Bonn und Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Gruppe Bonn-Rhein-Sieg und Landesverband Nordrhein-Westfalen, der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland überreicht am 17. Mai 2019. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Juni 2019.

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