Steig aus!

Eine Information für unzufriedene Soldaten aus der Ukraine

Wenn Sie nicht bereit sind, an den Kämpfen teilzunehmen…

Hier geben wir Ihnen einige Tipps, was Sie machen können, wenn Sie die Rekrutierung in die Armee verweigern wollen

In der Ukraine

Am 21. August 2022 teilte das ukrainische Verteidigungsministerium mit, dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aufgrund des Kriegsrechts und dem damit verbundenen unbefristeten Militärdienst keine Anwendung mehr findet. Das widerspricht internationalen Menschenrechtsnormen, bedeutet aber in der Tat, dass Kriegsdienstverweigerer angeklagt und strafrechtlich verfolgt werden. Es gab auch wiederholt Verurteilungen zu mehreren Jahren Haft. Einige Strafverfahren sind inzwischen anhängig vor dem ukrainischen Verfassungsgericht.

Ausreise

Mit der Verhängung des Kriegsrechts am 24. Februar 2022 wurde Männern zwischen 18 und 60 Jahren die Ausreise untersagt. Es gibt einige Ausnahmen davon. Eine Ausreise ist möglich, wenn der Militärdienstpflichtige

- ausgemustert wurde,

- drei oder mehr minderjährige Kinder hat,

- alleinerziehender Vater eines minderjährigen Kindes ist,

- einen nahen Angehörigen pflegen muss,

- im Ausland einen dauerhaften Aufenthalt begründet hat

Auch Fahrer für internationale Frachttransporte, medizinische und humanitäre Hilfstransporte können nach Antragstellung die Grenze passieren. Die Regelungen finden sich auf der Website der ukrainischen Regierung.

Studium in Deutschland

Eine weitere Zurückstellung erfolgt inzwischen nur noch dann, wenn das Studium bereits vor dem Kriegsbeginn oder kurz danach im Ausland aufgenommen worden ist. Neue Studienvisa werden nicht genehmigt.

Aufenthaltsstatus in der Europäischen Union

Ukrainische Staatsangehörige können mit biometrischem Pass nach EU-Recht für Kurzzeitaufenthalte visumfrei in die EU einreisen. Ukrainische Staatsangehörige mit einem nicht-biometrischen Pass benötigen für die Einreise dem gegenüber grundsätzlich ein Visum.

Wenn Sie bereits in Ländern der Europäischen Union sind, können Sie einen humanitären Aufenthalt erhalten. Es gibt für Sie grundsätzlich auch die Möglichkeit, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Der Europäische Rat, d.h. die Regierung der Länder der Europäischen Union, haben am 4. März 2022 beschlossen, dass ukrainische Staatsangehörige einen befristeten Aufenthalt erhalten können. Das gilt für alle ukrainischen Staatsangehörigen, die vor dem 24. Februar 2022 in der Ukraine ihren Aufenthalt hatten. Um dies in Anspruch zu nehmen, müssen Sie sich in dem betreffenden Land, am Besten am Ort ihres zukünftigen Aufenthaltsortes, registrieren lassen.

Der humanitäre Aufenthalt gilt nur befristet bis 4. März 2025. Eine Grundversorgung wird von den Staaten der Europäischen Union mit Unterstützung vieler Initiativen derzeit sichergestellt.

Eine Asylantragstellung ist derzeit nicht notwendig, kann aber nachgeholt werden. Wir empfehlen, dass Sie so bald wie möglich mit Beratungsstellen für Flüchtlinge in dem jeweiligen Land in Kontakt treten, um sich über weitere Möglichkeiten der Aufnahme zu informieren.

Wenn Sie schon beim Militär waren

Wenn Sie schon beim Militär waren und aufgrund von einer Urlaubsregelung, Behandlung einer Verwundung oder zu einem militärischen Training in die Europäische Union kommen, gelten in der Europäischen Union im Grundsatz auch für Sie die Aufenthaltsbestimmungen für alle ukrainischen Staatsbürger, d.h. auch Sie können ein befristetes humanitäres Visum erhalten. Bislang ist allerdings nicht absehbar, ob dieser Aufenthalt über den 4. März 2025 hinaus verlängert wird.

Ist eine Auslieferung möglich?

Im September 2023 sprach die ukrainische Regierung davon, für flüchtige Militärdienstpflichtige Auslieferungen zu beantragen. Dazu gibt es allerdings keine rechtliche Grundlage, weil nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen Artikel 4 eine Auslieferung ausgeschlossen ist, wenn die Auslieferung wegen Militärstrafvergehen erfolgen soll.

Unseres Wissens reagierte Polen mit einer unseres Erachtens juristisch nicht haltbaren Vereinbarung mit der Ukraine und wies einige ukrainische Flüchtlinge aus. Diese Praxis ist inzwischen wohl eingestellt worden.

Ist eine Einberufung im Ausland möglich

Derzeit wird in der Ukraine eine Gesetzesänderung diskutiert, die eine Einberufung mit digitaler Zustellung ermöglichen soll. Damit können Einberufungen auch im Ausland (also außerhalb der Ukraine) zugestellt werden, soweit den ukrainischen Behörden Daten der betreffenden Personen vorliegen. Darüber hinaus können entsprechende Aufforderungen des Militärs, sich bei Militärbehörden zu melden bzw. Einberufungen zum Militärdienst dann auch von Konsulaten oder Botschaften überreicht werden.

Können Sie Asyl beantragen?

Grundsätzlich ist es möglich, Asyl zu beantragen. Asyl wird allerdings in der Regel nur gewährt, wenn eine politische, rassische oder auch religiöse Verfolgung des Staates vorliegt. Das dürfte bezüglich der Ukraine nur äußerst selten relevant sein.

Eine drohende Verfolgung bei Desertion wird in der Regel nicht als Asylgrund anerkannt.

Wenn Sie ein überzeugter Kriegsdienstverweigerer sind und Ihnen in der Ukraine der Status als Kriegsdienstverweigerer verwehrt wurde – oder wenn Sie nachweislich keine Möglichkeit hatten, einen Antrag als Kriegsdienstverweigerer zu stellen – könnte mit einer Asylantragstellung ein Abschiebeschutz (kein Asyl) erwirkt werden. Grund dafür ist, dass die Ukraine mit der Aussetzung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt. In einem solchen Fall sollten Sie sich vor einer Asylantragstellung an eine Beratungsstelle wenden.

Wir bitten zu beachten, dass es in Westeuropa zwischen den Ländern eine Vereinbarung gibt, dass der Asylantrag dort behandelt wird, wo Sie als erstes offiziell angemeldet sind. Falls Sie trotzdem in andere westeuropäische  Länder weiterreisen, werden Sie zur Bearbeitung des Asylantrages in das Erstaufnahmeland zurückgebracht.

Wenn Sie Asyl beantragen, werden Sie nach wenigen Tagen eine Anhörung mit einem Beamten der zuständigen Aufnahmestelle für Flüchtlinge haben. In dieser Anhörung wird zunächst noch einmal Ihr Reiseweg abgefragt. Danach haben Sie die Möglichkeit Ihre Gründe für einen Asylantrag zu nennen.

Die Aufnahme von Flüchtlingen unterscheidet sich je nach Land. Sie müssen aber davon ausgehen, dass Sie als Asylantragsteller in einem Aufnahmelager zusammen mit vielen anderen Flüchtlingen untergebracht werden und auch dazu verpflichtet sind, dort während der Zeit des Asylverfahrens zu leben und zu wohnen. Die Möglichkeiten zu arbeiten sind stark eingeschränkt. Das Asylverfahren selbst kann mehrere Monate, zum Teil auch Jahre, dauern.

Wenn Sie Asyl beantragen, können Sie nicht mehr in die Ukraine zurückfahren, z.B. zu einem Besuch. Zum einen könnten Sie dort der drohenden Verfolgung unterliegen, zum anderen kann bei einem Aufenthalt im Herkunftsland, also in der Ukraine, der Asylantrag als unberechtigt abgelehnt werden.

Wir empfehlen, dass Sie wenn möglich bereits vor Antragstellung mit Beratungsstellen für Flüchtlinge in dem jeweiligen Land in Kontakt treten. Diese Beratungsstellen können Ihnen auch Rechtsanwälte vermitteln.

Weitere Informationen zum Asylverfahren finden Sie in einem Leitfaden des Niedersächsischen Flüchtlingsrates.

Was ist bei einer Desertion?

Bei einer Desertion werden Sie in ihrem Herkunftsland strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, nicht aber in der Europäischen Union. Die Haftstrafen in der Ukraine belaufen sich auf bis zu 12 Jahren Haft. Wenn Sie sich als Deserteur derzeit in der Europäischen Union aufhalten, gelten auch für Sie die Regelungen wie für alle anderen ukrainischen Staatsbürger. Bei Vorlage eines Reisepasses sollten Sie also einen befristeten humanitären Aufenthalt erhalten.

Dies ist eine erste Kurzinformation. Unter der zentralen Webadresse https://www.connection-ev.org/get.out.2022 halten wir aktuelle Informationen sowie weiterführende Links vor.

Wer wir sind: Wir sind ein Zusammenschluss von Organisationen und Einzelpersonen aus Westeuropa, die jeden unterstützen wollen, der sich nicht am Kriegseinsatz beteiligen will.

Für weitere Informationen zur Situation von Kriegsdienstverweigerern in der Ukraine können Sie sich an die Ukrainische Pazifistische Bewegung wenden: shelya.work(at)gmail.com, +380 973 179 326

Für weitere Fragen zur Situation in der Europäischen Union können Sie uns kontaktieren über office(at)Connection-eV.org

Eine Information für Rekruten und Soldaten aus der Ukraine, aktualisiert am 29.01.2024

Stichworte:    ⇒ Ukraine