Russland: 13 illegale Gefängnisse entdeckt

von Milana Shesterikova

13 illegale Gefängnisse entdeckt

1. Was ist Vesna?

Vesna ist eine aktivistische demokratische Bewegung, die seit 2013 mehr als hundert junge Liberale und Demokraten miteinander vernetzt, die für ein demokratisches Russland kämpfen, in dem Menschenrechte und Freiheiten die grundlegenden gesellschaftlichen Werte sind. Es gibt regionale Gruppen in Moskau, Nowosibirsk, Tscheljabinsk und anderen russischen Großstädten sowie im Ausland.

Vesna ist eine der politischen Kräfte in Russland, die ihre Antikriegskampagne unmittelbar nach dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine begonnen hat. Jetzt werden unsere Aktivisten in Russland politisch verfolgt, die Bewegung wird als "extremistische Organisation" abgestempelt. Das sind unsere Aktivitäten:

  • Organisation und Koordinierung mehrerer Massenproteste gegen Krieg und Mobilisierung;
  • Durchführung visueller Anti-Kriegs-Propaganda, Verteilung von Aufklebern, Flugblättern und Plakaten gegen den Krieg;
  • Medienarbeit und eine Agitationskampagne in den sozialen Netzwerken der Bewegung;
  • Erstellung und Verbreitung von Anti-Kriegs-Petitionen, Veröffentlichung offener Appelle und Briefe an die Behörden, die Polizei, das Militär, den Patriarchen usw.
  • Das Thema Kriegsdienstverweigerung und Kriegsteilnahme ist für uns von großer Bedeutung, wir widmen ihm unsere Informations- und Aktivistenkampagnen, sowie Petitionen und Medienarbeit.

Wir wurden gebeten, einen kurzen Überblick über die Situation junger russischer Menschen zu geben, die als Kriegsdienstverweigerer oder in anderen Situationen den Dienst im Militär verweigern. Der erste Teil meiner Rede wird sich mit diesem Thema befassen. Im zweiten Teil möchte ich auf ein spezielles Problem eingehen, das mit der groben Verletzung der Rechte von Kriegsdienstverweigerern in den von russischen Truppen besetzten Regionen Luhansk und Donezk in der Ukraine zusammenhängt.

2. Jugend

Aufgrund der Wehrpflicht befinden sich junge Menschen in Russland derzeit in einer prekären Lage. Jeder von ihnen könnte zum Dienst in der Armee einberufen werden, und danach besteht die Gefahr, dass sie an die Front geschickt werden und im Krieg kämpfen müssen. Solche Fälle werden regelmäßig gemeldet. Darüber hinaus beging im Februar 2023 ein Wehrpflichtiger, der auf das Schlachtfeld geschickt werden sollte, Selbstmord mit der Begründung, dass er lieber selbst sterben würde, als unschuldige Menschen zu töten.

Innerhalb eines Jahres sollen 250.000 junge Russen zum Militärdienst einberufen werden. Da die Behörden die Wehrpflichtigen nie über das in der Verfassung verankerte Recht auf Kriegsdienstverweigerung informieren (das Parlament plant sogar, die "Werbung" für solche Informationen zu verbieten) und die Militärkommissariate sowie die Gerichte Anträge der Verweigerer regelmäßig ablehnen, können diese Menschen zwangsverpflichtet und unfreiwillig an die Front in der Ukraine geschickt werden.

Ein weiterer Grund, der die Verwundbarkeit junger Menschen in Russland belegt, ist die Verwendung der Wehrpflicht als Methode zur Verfolgung politischer Aktivisten und genauer gesagt von Studenten, die sich politisch engagieren. Es hat mehrere Fälle gegeben, in denen die Behörden die Zwangsrekrutierung als Mittel eingesetzt haben, um Druck auf Bürgeraktivisten auszuüben. Die russischen Universitäten sind stark vom Staat abhängig. Sie tragen zur Förderung des Krieges bei, und darüber hinaus unterstützen die staatlichen Universitäten häufig die Regierung bei der Einberufung von Studenten zum Militärdienst, indem sie sie beispielsweise exmatrikulieren.

3. Gefängnisse für Verweigerer

Auf dem Gebiet der besetzten Regionen Luhansk und Donezk in der Ukraine wurden mindestens 13 illegale Gefängnisse entdeckt, die vom russischen Militärkommando eingerichtet wurden. In diesen Gefängnissen werden mehr als 600 russische Soldaten festgehalten, die sich geweigert haben, im Krieg zu kämpfen, und die die Umsetzung ihres verfassungsmäßigen Rechts auf Ersetzung des Militärdienstes durch einen zivilen Ersatzdienst gefordert haben. In den Gefängnissen sind die Militärangehörigen der Gewalt des Kommandos ausgesetzt, ihnen wird die medizinische Versorgung verweigert, sie erhalten keine Nahrung und werden unter harten Bedingungen gehalten. Dies geschieht, um sie zur Rückkehr auf das Schlachtfeld zu zwingen.

Diese Fälle werden von den Strafverfolgungsbehörden ignoriert. Beschwerden und Petitionen, die wir an das Untersuchungskomitee der Russischen Föderation richten, werden an die Ermittler in den besetzten Gebieten weitergeleitet, so dass sie unbeantwortet bleiben. Wir glauben, dass diese illegale Praxis angewandt wird, um diejenigen einzuschüchtern, die sich weigern zu kämpfen. Solche Maßnahmen verletzen die verfassungsmäßigen Rechte (sowie die in der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankerten Rechte) der Militärangehörigen auf ein faires Verfahren und auf Kriegsdienstverweigerung.

Darüber hinaus wurde von der Staatsduma ein neuer Gesetzesentwurf zu diesem Thema vorgelegt, demzufolge Militärangehörige ohne Gerichtsbeschluss verhaftet werden können. Dieses Gesetz kann möglicherweise diese Gefängnisse legalisieren und es leichter machen, Verweigerer zur Teilnahme an Feindseligkeiten im Hoheitsgebiet der Ukraine zu zwingen.

4. Vorschläge

Um die Probleme russischer Jugendlicher zu lösen, schlagen wir Folgendes vor:

  1. Die Mitgliedsstaaten der EU über die Frage der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen zu informieren;
  2. In Zusammenarbeit mit den russischen Menschenrechtsverteidigern, die mit Verweigerern arbeiten, Richtlinien für die EU-Staaten in Bezug auf den Schutz von Militärdienstverweigerern zu entwickeln, einschließlich z.B. der Ausstellung von humanitären Visa und der Gewährung von Asyl für Verweigerer in sicheren Ländern;
  3. Erörterung möglicher Reformen der Migrationsgesetzgebung der Europäischen Union, um umfassende Regeln für den Schutz von Kriegsdienstverweigerern zu schaffen.
  4. Fälle von illegaler Verhaftung von Kriegsdienstverweigerern in den besetzten Gebieten öffentlich zu machen und die folgenden Forderungen an die russischen Behörden zu unterstützen:

- Überprüfung aller Berichte über Fälle von illegaler Verhaftung von Kriegsdienstverweigerern in den besetzten Gebieten und Ermittlung der Verantwortlichen für die illegale Inhaftierung russischer Kriegsdienstverweigerer.
- Ergreifung von Sofortmaßnahmen zur Freilassung und zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von inhaftierten Kriegsdienstverweigerern.
- Ergreifung von Maßnahmen zur Umsetzung der verfassungsmäßigen Rechte (sowie der in der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankerten Rechte) der inhaftierten Soldaten auf ein faires Verfahren und auf Kriegsdienstverweigerung.

Milana Shesterikova, Head of International Office, Russian Youth Democratic Movement "Vesna", Rede auf dem Hearing des Subcommittee on Human Rights des Europäischen Parlaments "Conscientious Objection as a human right and in particular, Russian conscientious objectors", 2. Februar 2023. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe April 2023

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