Mehmet Tarhan

Mehmet Tarhan

Türkischer Kriegsdienstverweigerer erneut misshandelt

Mehmet Tarhan tritt in Hungerstreik

von Connection e.V.

(04.10.2005)  

Pressemitteilung vom 4. Oktober 2005

Der türkische Kriegsdienstverweigerer Mehmet Tarhan, der im August 2005 zu 4 Jahren Haft verurteilt worden war, wurde erneut misshandelt. Vergangenen Freitag sei der Unteroffizier Hilmi S., so berichtete Mehmet Tarhan, gemeinsam mit einigen Wachhabenden in seine Zelle gekommen, um ihm die Haare zu scheren. Mehmet Tarhan weigerte sich. "Dann waren es sieben bis acht Personen, die mir unter Gewaltanwendung das Haar und den Bart schoren. Jetzt habe ich Schmerzen im Gesicht, an beiden Händen, am linken Arm und Fuß sowie Verletzungen und Blutergüsse an Beinen und Armen. Ich kann meinen Nacken nicht bewegen." Aus Protest gegen die Misshandlung ist er in Hungerstreik getreten und fordert die Strafverfolgung seiner Peiniger sowie eine medizinische Untersuchung durch zivile Ärzte.

Stattdessen wurde er am 1. Oktober gegen seinen Willen in ein Militärkrankenhaus überstellt, wo er von zwei Militärärzten "untersucht" wurde: "Sie gingen zehn Minuten um mich herum und kamen zu dem Schluss, dass es keine Anzeichen für Schläge gäbe."

Ein weiterer Gefängnisinsasse wurde, so Mehmet Tarhan, ebenfalls misshandelt. Er hatte sich auch geweigert, seine Haare schneiden zu lassen, woraufhin er in seine Zelle gebracht und verprügelt wurde. Da er ins Gesicht geschlagen wurde, könne er nur noch verschwommen sehen, seine rechte Seite sei taub. Nach diesen Ereignissen ging auch er in Hungerstreik mit der Forderung, dass die Verantwortlichen bekannt gegeben und bestraft und die Misshandlungen und Folter im Gefängnis gestoppt werden sollen.

Rudi Friedrich von Connection e.V. erklärte dazu heute: "Gerade hat die Europäische Union beschlossen, Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufzunehmen. Zur gleichen Zeit werden in der Türkei offensichtlich weiter Gefangene misshandelt. Die Türkei ist nicht bereit, das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung anzuerkennen. Wir fordern die sofortige Freilassung von Mehmet Tarhan."

Connection e.V. ruft gemeinsam mit anderen Organisationen zu Protestschreiben an türkische Behörden auf:
Generalstab unter der Faxnummer 0090-312-4250813
Präsident der türkischen Republik unter der Faxnummer 0090-312-4271330

Zum Hintergrund

Mehmet Tarhan hatte im Jahre 2001 seine Kriegsdienstverweigerung öffentlich erklärt. Er hatte auch deutlich gemacht, dass er nicht wegen seiner Homosexualität ausgemustert werden möchte, da er dies als einen "faulen Kompromiss" ansieht. Die Türkei erkennt das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung nicht an.

Am 8. April 2005 war Mehmet Tarhan festgenommen und einberufen worden. Da er jede Zusammenarbeit mit dem Militär verweigert, klagte ihn das Militär wegen "Ungehorsam vor versammelter Mannschaft" an. Am 9. Juni 2005, dem dritten Prozesstag, wurde Mehmet Tarhan aus der Haft entlassen, jedoch sofort den Militärbehörden überstellt und erneut einberufen. Damit begann eine zweite Runde von Einberufung, Verweigerung, Anklage wegen Befehlsverweigerung und Haft.

Im Mai war Mehmet Tarhan zudem durch andere Gefangene misshandelt und mit dem Tode bedroht worden - wohl mit Billigung der Gefängnisleitung. Als dies öffentlich bekannt wurde, unterband zwar die Gefängnisleitung die Übergriffe, verschärfte aber zugleich seine Haftbedingungen. Mehmet Tarhan trat daraufhin in einen vierwöchigen Hungerstreik.

Am 10. August 2005 wurde Mehmet Tarhan vom Militärgericht in Sivas wegen zweimaliger "Befehlsverweigerung vor versammelter Mannschaft" zu insgesamt vier Jahren Haft verurteilt. Er ging gegen die Entscheidung in Berufung. Derzeit befindet er sich im Militärgefängnis der türkischen Stadt Sivas.

gez. Rudi Friedrich

Connection e.V.: Pressemitteilung vom 4. Oktober 2005

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