Das Erdölprojekt in Tschad-Kamerun

von Martin Petry und Barbara Müller

Die Vorbereitungen für ein großes Erdölprojekt begannen 1992. Ein großes internationales Konsortium startete es in Tschad und Kamerun, ohne dass die betroffene Bevölkerung etwas darüber erfahren hätte. Brutale Menschenrechtsverletzungen und Korruption waren in beiden Ländern an der Tagesordnung. Bürgerkrieg und Gewalt prägten die tschadische Geschichte seit der Unabhängigkeit. Von Anfang an war die Weltbank in dieses Projekt involviert, das sie als Modell für Armutsbekämpfung durch Erdölförderung darstellt, obwohl die Erdölförderung in Afrika verantwortlich ist für Gewalt, Korruption und soziales Elend. 1997 entstand ein transnationales Netzwerk mit Knotenpunkten in Europa, USA sowie Tschad und Kamerun. Zivilgesellschaftliche Organisationen im Norden machten den Anfang, indem sie die Informationen beschafften, an die die Betroffenen im Süden nicht gelangten. Sie machten die Informations- und Advocacyarbeit, die zu Beginn im Süden nicht geleistet werden konnte, weil das offene Infragestellen der Art und Weise, wie das Projekt vorbereitet wurde, lebensgefährlich war. Aus Deutschland sind u.a. amnesty international, Brot für die Welt, EIRENE, Misereor, Urgewald und WEED beteiligt.

Im Spannungsfeld von Wirtschaft, Umwelt und Konflikt kreuzen sich mehrere Themen. Umwelt: Der Regenwald in Kamerun und die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen sind bedroht. Wirtschaft: Wer verdient am Öl? In wessen Taschen wird hier gewirtschaftet? Wie will die Weltbank sicherstellen, dass die Ölförderung Armut reduziert? Politische Prozesse und Eskalationsrisiken: Das Risiko, dass gewaltsame Konflikte zunehmen ist hoch. Das Fehlen von Rechtsstaatlichkeit und von Möglichkeiten zur Partizipation am politischen Prozess schaffen ein Klima der Angst. Der Bevölkerung wird das Recht, sich in einer Interessensgemeinschaft zu organisieren, verweigert.

Viele Themen, die von einer Organisation allein nicht kompetent bearbeitet werden können - und müssen. Die Stärke des internationalen Netzwerkes ist, dass es weltweit Kompetenz in Umwelt-, Entwicklungs-, Menschenrechts-, Friedens- und Advocacyarbeit abrufen kann. Dadurch kann es in allen Arenen mithalten.

Da ist die lokale Arena: Die wirtschaftliche und menschenrechtliche Situation in Tschad und Kamerun, im Besonderen in den Erdölgebieten. Hier sind die Organisationen im Norden zur Informationsverteilung wichtig. Die Netzwerke in Tschad und Kamerun sind zur Aufklärung und zur Mobilisierung, später zum Monitoring des Projekts und zum Entwerfen von angemesseneren Verfahren zur Abfederung der Folgen der Erdölförderung entscheidend. Das Engagement ist für die Netzwerkmitglieder in Tschad und Kamerun gefährlich. Sie sind der Einschüchterungen, Gewalt und den Übergriffen durch Militär und Polizei ausgesetzt. Hier werden die Organisationen mit Menschenrechtserfahrung gebraucht, um den Schutz durch internationale Aufmerksamkeit und Aktionen zu erhöhen, manchmal besonders Bedrohte aus der Gefahrenzone zu bringen.

Die internationale Arena: Die Weltbank entscheidet durch ihre Direktoren, die aus einzelnen Mitgliedsländern kommen. Hier ist politische Advocacyarbeit gefragt. Politikbeeinflussung, Öffentlichkeitsarbeit und Kampagnen, vor allem in den Ländern mit großer Entscheidungsmacht innerhalb der Weltbank: USA, Deutschland, Frankreich.

Die globale Arena: An die Konzerne direkt ist nach wie vor kaum heranzukommen. Der entscheidende Akteur Esso schickt die Weltbank vor, die mit ihrer finanziell marginalen Beteiligung die politischen Risiken tragen soll. Auf sie und ihre Entscheidung richten sich die Aktivitäten des Netzwerkes. Ihre Entscheidungswege sind bekannt, ihr Programm auch. Das Thema Erdöl ist für die Medien interessant. Immer wieder gelingt es eine große Öffentlichkeit herzustellen.

Die Strategie des Netzwerkes ist nicht, die Ölförderung zu verhindern, wie es Umweltorganisationen im Norden gewünscht hätten, sondern sie verträglich für die Betroffenen zu gestalten. Das ist ein Kompromiss, den Organisationen im Norden eingehen, weil die Betroffenen bestimmen, wo es lang geht.

Die Netzwerkarbeit hat konkrete Verbesserungen in vielen Punkten erreicht. Von den Beteiligten werden die Advocacyarbeit und das Networking zum Erdölprojekt mehr und mehr als Friedensarbeit gesehen. Die Netzwerkarbeit hat zur Stärkung und Qualifizierung von zivilgesellschaftlichen Organisationen in Tschad und Kamerun beigetragen. Sie hat Lernprozesse in politischer Partizipation und Advocacy initiiert und günstigere Rahmenbedingungen für die Konfliktprävention und Menschenrechtsarbeit geschaffen. Die internationale Netzwerkarbeit hat die schwächeren Akteure so gestärkt, dass sie im Rahmen des Erdölprojekts handlungsfähig gegenüber den Regierungen und dem Konsortium geworden sind und die Auseinandersetzung aufnehmen konnten.

Kontakt

Erdölprojekt Tschad-Kamerun

Martin Zint, Alleestr. 37, 64367 Mühltal

Tel.: 06154-53302

E-Mail: erdoel-tschad(at)comlink(dot)org

Weitere Informationen

Brot für die Welt (Hrsg.). Martin Petry: Wem gehört das schwarze Gold? Brandes & Apsel, Frankfurt.

Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und Antimilitaristische Angolanische Menschenrechtsinitiative (Hrsg.): Broschüre »Das andere Afrika: Widerstand gegen Krieg, Korruption und Unterdrückung«, Offenbach/M., April 2005. Wir danken für die finanzielle Förderung durch den Katholischen Fonds, den Evangelischen Entwicklungsdienst (EED), die Aktion Selbstbesteuerung e.V. (asb), das Bildungswerk Hessen der DFG-VK sowie den Fonds der EKHN »Dekade zur Überwindung der Gewalt«.

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