Vorwort zur Broschüre "Machtproben im Kaukasus"

von Connection e.V.

Im August 2008 gab es erneut Krieg in Europa. Diesmal fuhren georgische und russische Truppen Panzer auf. Nationalistisch aufgeheizte Machtpolitik auf allen Seiten, Interessen beim Zugang zu Rohstoffen und Transportwegen, globale Interessen Russlands und des Westens, aber auch ungelöste Konflikte aus den Zeiten der Sowjetunion ließen die Spannungen um Südossetien und Abchasien eskalieren. Leidtragende sind die Menschen in der Region.

„Es gibt in diesem Kaukasuskrieg keine gerechte Seite.” Das macht Vadim Damier von der Föderation der Arbeitenden in Erziehung, Wissenschaft und Technik aus Moskau in seinem Interview deutlich. „Alle herrschenden Kräfte, seien sie auf russischer, georgischer oder auch südossetischer oder abchasischer Seite, verfolgten in diesem Konflikt ihre eigenen Interessen. Dafür machten sie alles, um die Konflikte zu schüren.”

In der hiesigen Medienlandschaft wurde zumeist über die Kriegsbeteiligung Russlands berichtet. Russische Truppen marschierten nach Georgien ein, sperrten die wichtigste Ost-West-Verbindung Georgiens und kamen der von Baku bis zum Mittelmeer über georgisches Territorium laufenden Öl-Pipeline verdächtig nahe. Die Besatzung georgischen Territoriums, die durch russische Einheiten verursachten Zerstörungen und der Tod vieler Zivilisten waren auf allen Kanälen und in allen Zeitungen zu finden.

Dagegen verschwand der militärische Einsatz Georgiens fast völlig. Dabei hatte doch der georgische Präsident Saakaschwili die Truppen zunächst losgeschickt, um die abtrünnige Region Südossetien wieder unter Kontrolle zu bekommen. Berichte decken inzwischen auf, dass georgische Truppen - wie später auch die russischen - Streubomben eingesetzt haben und gezielt gegen die Zivilbevölkerung vorgegangen sind. Gedeckt wurde Saakaschwili dabei von den USA und der NATO, die mit einem Beitritt Georgiens zur westlichen Militärallianz auf einen weiteren Stützpunkt in einer Region hoffen, die wichtige Rohstoffe zu bieten hat.

In dieser Broschüre finden sich verschiedene Beiträge, die die Hintergründe ausleuchten. Darüber hinaus enthält sie Artikel, die sich mit der Situation in den jeweiligen Militärs, mit Rekrutierung und Kriegsdienstverweigerung befassen. In ihnen wird deutlich, dass die Rekrutierung auch ein Teil einer Politik der Vertreibung ist. Die Drohung, als Angehöriger einer Minderheit zum Militär rekrutiert zu werden, sorgt für Druck, letztlich den eigenen Ort zu verlassen.

All dies sind Folgen einer Politik, die zur Durchsetzung eigener Interessen auf Polarisierung und Nationalismus, auf Feindbilder und militärische Gewalt setzt. „Es kann uns nicht darum gehen, diese Logik zu übernehmen”, erläutert Vadim Damier im Interview. „Dann müssten wir ja wählen, welche Macht oder Supermacht die schlimmste ist. In unseren Augen sind sie das alle. Sie sind alle aggressiv, imperialistisch. Sie haben aggressive und eroberungsorientierte Bestrebungen. Früher nannte sich das Imperialismus, heute nennt man es Geopolitik. Aber die Logik ist dieselbe geblieben.”

Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Broschüre »Machtproben im Kaukasus«, Februar 2009

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