Bericht über die Arbeit des Military Counseling Network

von David Stutzman

Während meines bislang zweijährigen Freiwilligendienstes in Deutschland erlebte ich die wachsenden Spannungen auf der Weltbühne. Ich musste mit ansehen, wie mein Land in einen Krieg marschierte. Das Military Counseling Network (MCN) wurde für mich zu einem Weg des Handelns angesichts der Entscheidungen meiner Regierung, zu einem Fenster auch zur Situation in Irak. Je mehr Soldaten mir ihre Geschichte erzählen, desto mehr wächst meine Motivation zu helfen.

Mark* ist Soldat der US-Armee. Letzte Woche traf ich ihn mit seiner Frau und Tochter. Wir saßen in einem Cafe in Crailsheim und unterhielten uns über die Einzelheiten seines Antrags auf Kriegsdienstverweigerung und die Schwierigkeiten, die auf einen Soldaten zukommen, der in einer Freiwilligenarmee den Kriegsdienst verweigern will.

Mark hatte sich schon entschieden. Er brauchte keine Ermutigung von meiner Seite. Während des vergangenen Jahres entwickelte sich seine pazifistische Überzeugung. Die Erfahrungen in der Armee und der Tod seines Vaters machten ihn noch entschlossener. Er ist gegen den Krieg und will jede eigene Beteiligung verweigern.

Ich war beeindruckt. Mein ganzes bisheriges Leben verbrachte ich innerhalb der friedenskirchlich "mennonitischen Welt". Gewaltfreiheit und der Weg des Friedens waren mir selbstverständlich. Von Ausnahmen abgesehen, wurde meine Überzeugung nie wirklich auf die Probe gestellt. Und nun saß ich jemandem gegenüber, der meine Überzeugung teilt, der jedoch selbst für entsprechendes Handeln die Folgen wird tragen müssen. Anders als er, hatte ich meinen Pazifismus noch nie in einer ablehnenden und feindlichen Umgebung behaupten müssen.

Mark macht sich Sorgen. Seine Entscheidung kann Schwierigkeiten und Schikanen nach sich ziehen, sein Antrag am Ende gar abgelehnt werden. Doch er strahlte Ruhe und Gelassenheit aus, weil er sich entschieden hatte.

John* verließ die Armee schon vor drei Jahren. Er entfernte sich hier in Deutschland unerlaubt von der Truppe (AWOL = absent without leave). Er tauchte unter, nachdem er vergeblich versucht hatte, sich an das Leben in der Armee zu gewöhnen. Zuvor hatte er längere Zeit mit Depressionen gekämpft und auch einen Selbstmordversuch unternommen. Nachdem er lange auf der Straße gelebt und auch Drogenprobleme gehabt hatte, will er nun einen neuen Anfang machen. Bei MCN sucht er Hilfe, um aus dem Untergrund wieder aufzutauchen.

Letzte Woche begleitete ich John in eine US-Kaserne. Wir hatten uns einige Male getroffen, um seine Rückkehr in die Armee vorzubereiten. Er stellte sich, um damit die Legalisierung seiner Existenz einzuleiten. Wir hatten Unterstützungsbriefe und Gutachten über seine psychische Verfassung zusammengestellt. In Rollenspielen hatten wir die Befragung durch den diensthabenden Offizier durchgespielt. Wir hatten einen US-Anwalt gefunden.

Seit dem 11. September 2001 und den darauffolgenden Kriegen in Afghanistan und Irak stellt die US-Armee ziemlich alle GIs, die AWOL gehen, vor das Militärgericht. Auf John kann eine Anklage wegen Desertion, ein Jahr Gefängnis und eine unehrenhafte Entlassung zukommen. Ich hoffe, wir können helfen, ein Militärgerichtsverfahren oder zumindest eine harte Strafe zu verhindern.

Daniel* ist immer noch im Irak und wartet auf eine Entscheidung über seinen Antrag zur Kriegsdienstverweigerung. Inmitten des Chaos’ von Krieg, Gewalt und Blutvergießen betreibt er seine Verweigerung. Vor drei Wochen schrieb er in einem Email, ein Soldat, den er kannte, sei bei einem Bombenanschlag in Bagdad ums Leben gekommen. Seinen neugeborenen Sohn habe dieser Soldat nie gesehen. Vorletzte Woche, berichtete Daniel, sei eine Granate in der Nähe seines Zeltes eingeschlagen. Letzte Woche war er zu Schießübungen eingeteilt. Sollte er diese verweigern oder danebenschießen? In solcher Lage wartet er auf eine Entscheidung in seiner Sache.

Kontakt:

Military Counseling Network (MCN)

Hauptstr. 1, 69245 Bammental

Tel.: 06223-47506, Fax: 06223-47791

Email: mcn@dmfk.de

 

* Namen geändert

Dave Stutzman am 20. Oktober 2003. Übersetzung aus dem Englischen: Wolfgang Kraus. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Januar 2004.

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