"Nein zum mörderischen Zwang des Kriegsdienstes!"

Aktion der Gruppe der türkisch-kurdischen Kriegsdienstverweigerer

von DFG-VK Berlin-Brandenburg

40 Kriegsdienstverweigerer führten Mitte Oktober vor dem türkischen Konsulat in Frankfurt eine Kundgebung durch, um ihrer Forderung auf das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung in der Türkei erneut Ausdruck zu verleihen. Während der Aktion wurde ein Sarg - Symbol für die Folgen des Krieges - von den Aktionsteilnehmern vor das türkische Konsulat getragen. Zeynettin Er, der seit etwa 10 Jahren in Deutschland Asyl sucht, wies im Namen der Gruppe in seinem Redebeitrag auf die Lage der Kriegsdienstverweigerer und Deserteure in der Türkei hin:

"Nach wie vor gibt es Hunderttausende von Menschen, die vor der Rekrutierung flüchten, sich versteckt halten oder durch die korrupten Strukturen des Landes einen Ausweg zu finden suchen. Der türkische Staat ist aber weit davon entfernt, das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung anzuerkennen. So werden Hunderttausende von jungen Menschen mit menschenverachtenden Praktiken gezwungen, Töten und Sterben zu lernen und sich so an der verbrecherischen Politik des türkischen Staates zu beteiligen."

Dazu sagten die Verweigerer auf der von Connection e.V. und der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigten KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) unterstützten Kundgebung laut und deutlich "Nein": "Wir sind nicht bereit, uns für die Interessen und Verbrechen einer militärischen Machtelite ausnutzen zu lassen." Sie versuchten, eine von ihnen gemeinsam unterzeichnete Verweigerungserklärung dem türkischen Konsulat zu übergeben. Dies verweigerte jedoch jedes Gespräch und schloss die Türen ab. Zwei der Aktiven warfen schließlich die Erklärung in den Briefkasten.

Die Aktivisten riefen zudem in einem Flugblatt die Länder der Europäischen Union dazu auf, keinen Beitrag zur Militarisierung der Türkei zu leisten und Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern Asyl zu gewähren.

Verweigerer brauchen öffentliche Unterstützung

Die meisten Teilnehmer der Kundgebung flohen im Laufe des Krieges im Südosten der Türkei nach Deutschland. Dieser Krieg hat etwa 5 Millionen Menschen aus den kurdischen Provinzen zur Flucht gezwungen. Seit dem einseitigen Waffenstillstand 1999 durch die PKK, ist nur noch seltener von militärischen Auseinandersetzungen zwischen der türkischen Armee und der Guerilla zu hören. Nun droht ein erneutes Ausbrechen des Krieges: Gerade mal vier Tage vor der Kundgebung hatte das türkische Kabinett beschlossen, türkische Soldaten in den Irak zu senden, obwohl die Warnungen immer lauter werden, dass eine türkische militärische Präsenz im Irak zur Eskalation mit der Guerilla führen könnte. Aufgrund der immer heikleren Lage in der Region forderten die Aktivisten auch den Rückzug der türkischen Soldaten aus dem Nordirak und wandten sich gegen die Teilnahme an der Besatzung.

In der europäischen Öffentlichkeit ist der Konflikt fast völlig in Vergessenheit geraten. Auch die Presse war kaum an der Aktion interessiert, im Gegensatz zu früher durchgeführten Kundgebungen. Dabei ist das Schicksal der Kriegsdienstverweigerer in der Türkei nach wie vor gleich geblieben. Wer nicht bereit ist, den Kriegsdienst zu leisten, muss in der Türkei mit harten Maßnahmen der Behörden rechnen. So bleibt den Verweigerern wie den über 300.000 Fahnenflüchtigen und Deserteuren, die in der Illegalität ihr Leben fristen, oft nicht anderes übrig, als sich versteckt zu halten und jeglichen Kontakt mit den Behörden zu vermeiden.

Aber nicht nur die strafrechtlichen Maßnahmen, sondern auch die sozial-kulturellen Sanktionen gegen Kriegsdienstverweigerer und fehlende kritische Stellungnahmen gegen den gesamten Komplex des Militärs lassen sich nur als "militärischer Normalzustand" bezeichnen. Trotz sieben Gesetzespaketen, die im Laufe dieses Jahres zur Anpassung an die EU im Parlament beschlossen wurden, ist von einem Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der Türkei nicht die Rede. Zweifelhaft ist auch, ob die vorgenommenen Reformen ohne grundlegende strukturelle Veränderungen über eine provisorische Kosmetik hinausgehen werden.

Die Hoffnung der Kriegsdienstverweigerer, in einem anderen Land Schutz zu finden, wird immer wieder enttäuscht. Davon zeugt auch die Lage der kurdischen und türkischen Verweigerer, die seit Jahren in der BRD Asyl suchen. Trotz zahlreicher Aktionen seit Anfang der 90-er Jahre, mit denen sie die Öffentlichkeit und Behörden auf ihre Lage aufmerksam machten, erhalten sie nicht den erforderlichen Schutz in Deutschland - abgesehen von wenigen Ausnahmen wie Mehmet Sait Demir, der erst nach der zweiten Flucht und mehrmals bewiesener Folter in diesen Tagen Asyl erhielt.

Angesichts der restriktiven Bedingungen, denen die Verweigerer unterliegen, brauchen sie öffentliche Unterstützung für ihre selbstorganisierten Aktivitäten. Das ist eine letztlich überlebenswichtige Frage.

Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Januar 2004.

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