Türkei: Disziplinarstrafe für inhaftierten Verweigerer Aydemir

von Cakir Bawer, Bianet

Das Militärgericht in Eskişehir verurteilte den Kriegsdienstverweigerer Enver Aydemir zu einer Disziplinarstrafe von einem Monat, weil er sich weigert, Befehlen nachzukommen und Gefängnisuniform anzuziehen. Ihm wurde zugleich für einen Monat untersagt, Besuch zu empfangen, mit Ausnahme seines Anwaltes.

Enver Aydemir ist inhaftiert im Militärgefängnis von Eskişehir, einem Ort westlich der Hauptstadt Ankara, weil er aus religiösen Überzeugungen die Ableistung des Militärdienstes verweigert. Sein Verfahren wurde am Dienstag dieser Woche (9. Februar) fortgesetzt.

Das Gericht sprach eine einmonatige Disziplinarstrafe aus, weil Aydemir sich weigert Gefängnisuniform zu tragen, seitdem ihm für den Gerichtstermin am 21. Januar keine zivile Kleidung zur Verfügung gestellt wurde. Ihm wurde ebenso jeder Empfang eines Besuches für einen Monat untersagt, mit Ausnahme seines Anwaltes.

Die Verhandlung wurde auf den 2. April vertagt, um weitere Zeugen zu hören.

Zwei Anklagen anhängig

Aydemir wurde am 24. Dezember 2009 verhaftet. Zwei Anklagen wurden gegen ihn eröffnet, die beide am 9. Februar 2010 vor dem Militärgericht in Eskişehir verhandelt wurden.

Laut seinem Anwalt, Davut Erkan, weigerte sich Aydemir, der Verhandlung beizuwohnen, um seinen Protest gegen die Strafe und das Gericht auszudrücken. Er wurde zwangsweise vorgeführt, angezogen mit ziviler Kleidung. Vertreter von Amnesty International und dem Menschenrechtsverein (IHD) kamen zur Verhandlung. Einem der Beobachter wurde jedoch der Zutritt verweigert, „weil er langes Haar“ habe.

In der Verhandlung wurde Aydemir zum einen angeklagt, „Befehle nicht befolgt zu haben, da er sich weigerte, Militäruniform und Munition zu tragen“. Dieser Teil der Verhandlung wurde von zwei Militärrichtern und zwei Offizieren geführt. Aydemir erläuterte seine Ablehnung des Militärs. Danach erklärte Anwalt Erkan, dass die Richter des vorherigen Verhandlungstages nicht unabhängig gewesen seien und dies dem Recht und der Verfassung widerspreche. Deshalb wiederholte er seinen Antrag zur Anrufung des Verfassungsgerichtes zur Aufhebung der früheren Entscheidungen, da diese nicht in Übereinstimmung mit der Verfassung ständen. Desweiteren forderte Erkan, dass Offiziere der Armee keine Mitglieder des Gerichts sein dürfen und ihre Anwesenheit der Europäischen Menschenrechtskonvention widerspreche. Der Anwalt betonte, dass dies eine Verletzung auf Durchführung eines gerechten Verfahrens darstelle. Der Verhandlung wohnte ein medizinischer Sachverständiger bei, der feststellte, dass es bei Aydemir einen normalen psychologischen Befund gäbe und er keine Zeichen geistiger Krankheit aufweise. Aufgrund dieses Befundes wurde Aydemir als tauglich erklärt. Dies wurde vom Rechtsanwalt akzeptiert. Das Gericht entschied, dass Aydemir zur Anwesenheit am nächsten Verhandlungstag verpflichtet ist. Die Verhandlung wurde auf den 2. April vertagt.

Später befasste sich das Gericht mit der zweiten Anklage wegen “Beharren auf Ungehorsam“. Dies Verfahren wurde nur von einem Richter durchgeführt. Die Staatsanwaltschaft stellte die fehlende Zuständigkeit des Gerichts fest, aufgrund der Aussage des letzten Verhandlungstages, dass der Fall einem Richtergremium vorzulegen sei. Der vorsitzende Richter wird das Ergebnis der Prüfung, über die ein Richtergremium befinden wird, am nächsten Verhandlungstag bekanntgeben.

Untersuchung der Foltervorwürfe

Zur gleichen Zeit wurde die Untersuchung über die von Aydemir erhobenen Vorwürfe der Folter im Maltepe Militärgefängnis fortgeführt. Rechtsanwalt Erkan wurde letzte Woche von der Staatsanwaltschaft darüber informiert, dass Aydemir dazu angehört worden sei. Erkan berichtete, dass desweiteren eine Anklage gegen seinen Mandanten wegen Desertion eröffnet werde.

Cakir Bawer, Bianet: Disciplinary Fine for Detained Conscientious Objector Aydemir. 11. Februar 2010. http://www.bianet.org/english/human-rights/119992-disciplinary-fine-for-detained-conscientious-objector-aydemir. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe April 2010

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