Der Diktator Eritreas, Isayas Afewerki, muss abdanken!

von Rut Bahta

(09.03.2020) Am 10.12.2019 wird der Friedensnobelpreis an Dr. Abiy Ahmed verliehen, den äthiopischen Ministerpräsidenten. In der Begründung des norwegischen Nobelkomitees heißt es: „Dr. Abiy Ahmed wird ausgezeichnet für seinen Einsatz für Frieden und internationale Zusammenarbeit und vor allem für seine Initiative zur Lösung des Konfliktes mit dem Nachbarland Eritrea.“

Dr. Abiy Ahmed hat Tausende von politischen Gefangenen in Äthiopien freigelassen. Oppositionelle Gruppen sind im Land wieder zugelassen. Sie sind aus dem Ausland zurückgekehrt und können auf politischer Ebene wirken. Er hat die Privatisierung von mehreren staatlichen Unternehmen angekündigt. Zudem hat er ein neues Kabinett ernannt, in dem die Hälfte der Posten von Frauen besetzt wurde. Das frühere Kabinett bestand aus 78 Minister*innen, davon 5 Frauen. Nun wurde das Kabinett auf 20 Posten verkleinert. Bemerkenswert ist auch, dass typisch weibliche Posten wie die zu Gesundheit oder Soziales nicht an Frauen gingen, sondern vielmehr Schlüsselressourcen wie das Ministerium für Handel und Industrie oder das Verteidigungsministerium. Zudem wurde ein neues Ministerium für Frieden geschaffen.

Bei einem Treffen mit dem eritreischen Präsidenten Isayas Afewerki im Juli 2018 erklärten beide Seiten ihre Absicht, Frieden zu schließen. Sie eröffneten Botschaften im jeweils anderen Land und richteten direkte Flugverbindungen ein. Die Telefonverbindung wurde wiederhergestellt und zwei Grenzübergänge kurzzeitig geöffnet.

Die Mediatoren des Abkommens waren die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi Arabien, die beide allerdings primär aus eigenen militärstrategischen Interessen heraus handelten. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben einen Militärstützpunkt in Eritrea, den sie für den Einsatz im Kriegsland Jemen nutzen. Über Saudi-Arabien hat man in Erfahrung bringen können, dass es vor über 10 Jahren begonnen hatte, einen Plan für eine Flotte zu entwickeln, um das Rote Meer zu kontrollieren.

Im September 2018 unterzeichneten die beiden Präsidenten das Abkommen in Dschidda. Vereinbart wurde die Demarkation der umstrittenen Grenze. Es wurde auch eine Zusammenarbeit in den Bereichen Verteidigung, Politik, Wirtschaft und Handel vereinbart.

Wenn wir auf die Bilanz schauen, stellen wir fest: In Äthiopien gab es einen radikalen Reformkurs. In Eritrea herrscht stattdessen Stagnation. Die Situation in Eritrea stellt sich genau so dar wie zuvor.

Der Staatpräsident Eritreas, Isayas Afewerki, hatte bislang den sogenannten unbegrenzten Nationaldienst und die Milita­risierung weiter Bereiche durch die ‚no peace-no war‘-Situation gerechtfertigt und Äthiopien als unberechenbaren Aggressor dargestellt, der jeden Augenblick plane, einen neuen Grenzkrieg zu beginnen, um sich Eritrea wieder einzuverleiben. Durch das Friedensabkommen kann Afewerki diese politische Strategie der äußeren Bedrohung nun nicht mehr aufrechterhalten. Nun werden Fragen innerhalb der eritreischen Bevölkerung laut, weshalb es nach dem Friedensabkommen keinen politischen Kurswechsel gegeben habe, beispielsweise eine Reduktion des Nationaldienstes auf 18 Monate, eine Demobilisierung der Truppen, etc. Sie drängt auf eine endgültige Besprechung der Grenzdemarkation. Dr. Abiy hatte mitgeteilt, dass er das Abkommen von Algier vom Jahr 2000 akzeptiere. Afewerki hatte zuletzt in einer Rede an die Bevölkerung gesagt, dass er die Grenzdemarkation „nicht als eine der derzeitigen Prioritäten“ sähe. Das hat eine massive Empörung und Erzürnung hervorgerufen und auch bisherige Regimeunterstützer*innen in eine Oppositionshaltung gebracht; es sind über 100.000 Menschen im Grenzkrieg von 1998 bis 2000 gestorben und nun müssen sie vernehmen, dass Afewerki es „derzeit nicht so wichtig“ ist, diese essentielle Grenzdemarkation umzusetzen. Nun wird auch vielen Regimeunterstützer*innen klar, dass Afewerki die ungeklärte Situation bewusst aufrecht erhalten hatte, um die Militarisierung der Gesellschaft zu rechtfertigen, die dazu dienen sollte, vollständige Kontrolle über jeden Einzelnen und jede Einzelne zu erhalten und eine Zivilgesellschaft zu verhindern. Dies treibt Jahr um Jahr den Zerfall des gesellschaftlichen und familiären Zusammenlebens voran.

Geändert hat sich die Lage für viele Eritreer*innen durch die neue Situation mit Äthiopien, die sich im Nachbarland als Geflüchtete aufhalten. Bis dahin wussten sie, dass sie auf äthiopischem Boden aufgrund der verhärteten Fronten sicher waren. Nun, da die ‚Mauer‘ zwischen den Ländern nicht mehr in gleichem Ausmaß aufrechterhalten wird, kann der eritreische Geheimdienst besser agieren. Es wurden Fälle bekannt, bei denen er in Äthiopien aktiv wurde und Eritreer*innen verhaftet hat. Der eritreische Geheimdienst kann nun ungehindert bis nach Addis Abeba vordringen, um Regimekritiker*innen zu beobachten und sie zurück nach Eritrea zu verschleppen.

Wie erwähnt wurde in Addis Abeba eine eritreische Botschaft eröffnet. Als Botschafter wurde im Sommer letzten Jahres Semere Russom eingesetzt. Er ist bekannt für sein brutales Vorgehen gegen Regimekritiker*innen. Er versucht nun, Druck auf die in Äthiopien lebenden eritreischen Oppositionellen auszuüben.

Große Sorge bereitet auch die Rhetorik beider Präsidenten. Auf einer der Zeremonien für das Friedensabkommen hatte der eritreische Präsident Isayas Afewerki einen Schlüssel mit den Worten übergeben: „Ab heute übernimmst Du das Ruder“. In dem vom äthiopischen Premierminister Dr. Abiy Ahmed verfassten Buch Medemer erklärt er, dass Äthiopien bis ans Rote Meer reiche. Solche Bemerkungen machen der eritreischen Bevölkerung Angst. Sie befürchtet, dass nach einem 30-jährigen Kampf für die Unabhängigkeit diese jetzt wieder in Frage gestellt wird. Und sie hat die berechtigte Sorge, dass über die Köpfe der Bevölkerung hinweg existentielle Fragen entschieden werden.

Nach Öffnung der Grenzen sind innerhalb weniger Wochen mehr als 14.000 Eritreer*innen nach Äthiopien geflohen. Daraufhin wurden die Grenzübergänge wieder geschlossen und damit der legale Weg zur Ausreise gesperrt. Erneut sind Flüchtlinge auf Schmugglerwege angewiesen.

Die Afrikanische Union, die Vereinten Nationen und die Europäische Union, Garanten des Waffenstillstandsabkommens von Algier aus dem Jahr 2000, waren bislang nicht in der Lage, an die arabische Initiative anzuknüpfen und ihren Teil zur Sicherung eines dauerhaften Friedens beizutragen. Sie begrüßen zwar die Bemühungen von äthiopischer Seite, den latenten Kriegszustand zu beenden. Es wird auch für sinnvoll erachtet, wenn andere den Versöhnungsprozess zwischen Äthiopien und Eritrea vorantreiben. Darüber hinaus wäre es aber unbedingt notwendig, in Eritrea demokratische und rechtsstaatliche Verhältnisse umzusetzen, um einen friedlichen Zustand zu erreichen. Hier gibt es bislang lediglich Lippenbekenntnisse.

Wir von United4Eritrea sehen nicht, dass demokratische und rechtsstaatliche Reformen mit diesem Regime umsetzbar sind. Wir fordern daher, dass Diktator Isayas Afewerki abdankt.

Rut Bahta ist Vorstandsmitglied des Vereins United4Eritrea, der sich 2011 in Frankfurt am Main gegründet hat. Sie arbeitet als Assistenzärztin mit dem Fachgebiet Psychiatrie und Therapie in der Nähe von Frankfurt am Main.

Rut Bahta: Beitrag auf dem Fachgespräch im Deutschen Bundestag am 9. Dezember 2019. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und PRO ASYL (Hrsg.): Broschüre Eritrea im Fokus: Das Willkürregime wird verharmlost, der Flüchtlingsschutz ausgehebelt, März 2020

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