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USA: Friedensaktivist*innen aus dem Süden helfen Soldat*innen bei der Kriegsdienstverweigerung

von Olivia Paschal

(17.01.2020) Der Süden ist der Motor der US-amerikanischen Kriegsmaschinerie. In der Region befindet sich Fort Bragg, der größte US-Militärstützpunkt der Welt. Die Südstaaten liefern mehr Soldat*innen als andere Regionen. Drei der fünf Bundesstaaten mit der höchsten Rekrutierung des Jahres 2016 liegen dort: Florida, Georgia und Texas. Die Abgeordneten für den Kongress gehörten in der Vergangenheit zu den militaristischsten. Militärunternehmen hatten lange Zeit ihre Produktionsstätten in den Süden verlegt, wo das Arbeitsrecht die Gewerkschaften behindert.

Das bedeutet aber auch, dass der Süden schon seit langer Zeit im Zentrum für Antikriegsaktivitäten steht. In Gemeinden mit Militärstützpunkten und Waffenfabriken leben auch Kriegsgegner*innen. Während des Vietnamkrieges gründeten Antikriegs-Aktivist*innen GI-Kaffeehäuser in der Nähe der Stützpunkte, so bei Fort Bragg in North Carolina und bei Fort Polk in Lousiana. Hier waren sie nah dran, um Soldaten und die Gemeinden sowohl gegen Krieg wie auch gegen Rassismus zu organisieren.

In Fayetteville, North Carolina, ganz nah bei Fort Bragg, wurde das Quäkerhaus ab 1969 zu einer Basis für Friedensaktivist*innen und Militärangehörige, die Unterstützung suchten. Wenn ein Soldat das Militär verlassen wollte, trampte er zum Treffen der Quäker nach Chapel Hill und bat um Hilfe. Formal ist die Kirche der Quäker als die Religiöse Gesellschaft der Freunde bekannt, eine der traditionellen Friedenskirchen, zu denen auch die Bruderkirche, die Mennoniten, die Herrnhuter und die Amischen gehören.

Das Quäkerhaus, das kürzlich das 50-jährige Bestehen feierte, bietet Schulungen für angehende Kriegsdienstverweiger*innen sowie für Opfer häuslicher Gewalt an. Es ist auch ein Knotenpunkt für die GI-Rights-Hotline, einer gemeinsam geführten internationalen Hotline für US-amerikanische Militärangehörge, die Informationen darüber suchen, wie sie das Militär verlassen, angemessene medizinische oder psychische Versorgung erhalten können oder die sich mit sexueller Belästigung oder Körperverletzung auseinandersetzen müssen.

Nachdem die USA am 3. Januar 2020 zehn iranische Militärführer durch einen Drohnenangriff tötete, was Angst vor einer neuen Front in den Nahostkriegen auslöste, verzeichnete die Hotline einen Anstieg bei den Anrufen von Personen, die mehr über den Status der Kriegsdienstverweigerung wissen wollten – ein belastendes Verfahren, das oft nicht erfolgreich abgeschlossen werden kann. So stellten im Jahr 2002 im Vorfeld des Irakkrieges 405 Militärangehörige einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung, 179 dieser Anträge wurde anerkannt. In der gleichen Zeit verließen etwa 20.000 Militärangehörige unerlaubt die Armee und wurden als Deserteur*innen eingestuft.

Hilfe bei der Befragung

Ein Kriegsdienstverweigerer im Sinne der US-Regierung ist „eine Person, die es ablehnt, in den Streitkräften zu dienen und/oder aus moralischen oder religiösen Gründen Waffen zu tragen“. Der Status gilt nicht für Personen, die sich nur einzelnen Kriegen verweigern.

Es hat Kriegsdienstverweigerer gegeben seit Amerika Kriege führt. Während des Unabhängigkeitskrieges bestrafte Pennsylvania Kriegsdienstverweigerer und beschlagnahmte das Eigentum von Quäkern, die sich weigerten, die zusätzliche Steuer zu zahlen. Die Wehrpflicht wurde in den USA mit dem Bürgerkrieg eingeführt. Ursprünglich erlaubte die Regierung Kriegsgegner*innen, Ersatz zur Verfügung zu stellen oder eine Ablösung zu zahlen. Später wurde die Wehrpflicht dahingehend geändert, dass nur diejenigen freigestellt wurden, die „aus Gewissensgründen gegen das Tragen von Waffen“ sind. Obwohl die Konföderation anfangs keine Kriegsdienstverweigerung gestattete, erlaubte sie schließlich Angehörigen der Friedenskirchen, der Wehrpflicht zu entgehen, indem sie eine Gebühr entrichteten, was sich viele arme Männer nicht leisten konnten.

Während des I. Weltkrieges schickte die Regierung einige Kriegsdienstverweigerer ins Militär, andere wurden verhaftet, vor Gericht gestellt und für mehrere Jahre inhaftiert. Aber vor dem II. Weltkrieg stellten die Führer der Friedenskirchen einen Plan für einen Zivilen Öffentlichen Dienst vor, der für Kriegsdienstverweigerer eine Alternative zur Ableistung des Dienstes war. Als die Wehrpflicht während des Vietnamkrieges wieder eingeführt wurde, verweigerte die Regierung zunächst nicht-religiösen Verweigerern die Befreiung von der Wehrpflicht. Das wurde durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 1971 revidiert. Seitdem können Kriegsdienstverweiger*innen auch Personen mit „zutiefst empfundenen“ ethischen oder moralischen Einwänden gegen den Militärdienst sein.

Gegenwärtig gibt es keine Wehrpflicht, so dass Kriegsdienstverweiger*innen nicht gegen ihren Willen zum Militär eingezogen werden. Aber einige Militärangehörige stellen im Dienst fest, dass sie grundlegende Einwände gegen Krieg haben. Das Verfahren zur Kriegsdienstverweigerung erfordert, dass sie ihre Ablehnung jeden Krieges deutlich machen, nicht nur des gegenwärtigen Krieges oder der aktuellen Regierung. Dafür müssen sie einen ausführlichen schriftlichen Antrag einreichen, Interviews mit Militärpfarrern, Psychiatern und den Vorgesetzten führen.

Steve Woolford und Lenore Yarger begleiten die Militärangehörigen durch das Verfahren. Das Ehepaar beantwortet seit fast 20 Jahren Anrufe für die GI-Rights-Hotline von ihrer katholischen Arbeiterfarm in Siler City, North Carolina. Woolford und Yarger zogen in den 1990er Jahren nach North Carolina und beteiligten sich bald an der Arbeit des Quäkerhauses, darunter dieBeratung potenzieller Kriegsdienstverweigerer im Verfahren und der Aufbau der GI-Rights-Hotline. Es ist eine andere Art der Antikriegsarbeit, als Demonstrationen zu organisieren oder bei Zivilem Ungehorsam aktiv zu sein. Aber sie glauben, dass es genauso wichtig ist.

„Für viele Menschen (in der Friedensbewegung) ist ein Soldat böse”, berichtete Woolford Facing South. „Als wir begannen, hatte ich angenommen, dass viele Leute, die beim Militär sind, nur unschuldige Bauern in einem Schachspiel eines anderen sind. Und ich denke, dass ein Kern Wahrheit darin steckt. Aber umso länger ich diese Arbeit mache, desto mehr würde ich sagen, dass Menschen, die im Militär landen, nicht nur Bauern sind, viele von ihnen sind Opfer ihrer eigenen Kriegsvorstellungen.“

Militärangehörige aus dem ganzen Land melden sich bei der Hotline mit allen möglichen Fragen: Wie kann ich die Gesundheitsversorgung nutzen, wenn ich während eines Einsatzes ein Trauma erlebt habe; welche Möglichkeiten gibt es nach der Überstellung in die Reserve; wie ist es möglich, die Armee zu verlassen, wenn die religiösen oder moralischen Überzeugungen unvereinbar mit Krieg sind. Die Berater*innen sagen ihnen nicht, was sie tun sollen, sondern bieten Möglichkeiten und Fachwissen an. Verschiedene militärische Abteilungen haben unterschiedliche Verfahren und Besonderheiten, die Woolford und Yarger aufgrund ihrer 20-jährigen Beratungsarbeit mit Militärangehörigen gut kennen. Die beiden erhalten etwa 200 bis 300 Anrufe und eMails pro Monat.

Woolford und Yarger gaben an, dass es zu bestimmten Zeiten bei bestimmten Arten von Anrufen Spitzen gibt. Ab etwa 2010, als Veteran*innen nach Hause kamen, die mehrmals im Irak und/oder in Afghanistan gewesen waren, riefen mehr von ihnen an, um herauszufinden, wie sie die versprochenen Dienste bei Behinderung und zur medizinischen Versorgung erhalten könnten. Nachdem durch den US-Drohnenangriff zu Beginn dieses Monats iranische Militärführer getötet wurden, gab Yarger an, dass die Zahl der Anrufe wegen Kriegsdienstverweigerung gestiegen seien.

Durch die direkte Zusammenarbeit mit den Militärangehörigen haben Yarger, Woolford und ihre befreundeten Friedensaktivist*innen auch mit anderen Opfern der Kriege zu tun: Familien, Gemeinden und Menschen, die vom Militärsystem ausgenutzt und vertrieben wurden.

„Eine Mutter, mit der ich zusammenarbeitete, sprach über ihren Sohn und sagte: „Wir haben das Gefühl, dass sie sie wie einen Reifen behandeln. Sie ziehen ihn auf, benutzen ihn und dann schmeißen sie ihn weg“, sagte Woolford. Yarger ergänzte: „Die USA will Krieg führen ohne die Rechnung zu bezahlen. Die menschlichen Kosten sind so viel höher als das, was jemals vom Militär anerkannt wird. Und ich denke, wenn wir diese Kosten wirklich zahlen müssten, würden die Leute wirklich anfangen, darüber nachzudenken, ob wir das tun sollten.“

„Das ist nicht der, der ich sein will”

Unter anderem arbeitete Yarger mit Kristofer Miller. Als dieser als Teenager 2013 zum ersten Mal zur Grundausbildung nach Fort Benning, Georgia, kam, wusste er, dass sich irgendwas nicht richtig anfühlte.

Miller war zur Armee gegangen, weil er in die Fußstapfen seines Vaters treten wolle, ein Sanitäter der Green Beret, der 20 Jahre in der Armee gedient hat. Er erinnerte sich daran, wie er als Kind jeden Tag mit der Medizintasche gespielt hatte, die sein Vater mit nach Hause brachte. Und er lernte von ihm einige Grundlagen der Arbeit – humanitäre Arbeit, wie er damals glaubte, auch wenn es beim Militär war.

„Ich habe es mit dem Rittertum gleichgesetzt“, sagte Miller „Dass Soldaten moderne Ritter sind, Menschen, die die Last des Tötens auf sich nehmen, damit andere es nicht müssen – weil es notwendig ist.“

In der Grundausbildung hörte er jedoch von einigen der anderen Soldat*innen hässliche Motive. „Viele Leute dort sagten wirklich schlimme Sachen, denen ich nicht zustimmte. Sie redeten nur davon, andere töten zu wollen“, sagte er zu Facing South. Miller wurde schließlich wie sein Vater ausgewählt, um bei den Special Forces als Sanitäter im Rang eines Feldwebel ausgebildet zu werden. Aber es gab immer noch einige andere – niemals viele, aber immer genug, damit es im Kopf haften bleibt – die nicht dazu da waren, um andere zu heilen.

„Die Medizin ist für sie genau das, was sie tun müssen, um hier zu sein. Sie ist aber nicht das, was sie tun wollen“, sagte er. „Es ist einfach ihr Job, auf andere Menschen zu schießen.“

Und dann ist da noch die Arbeit selbst. „Ich dachte, ich würde an diese Orte gehen, um Menschen zu helfen. Diese humanitäre Hilfe war meine vorrangige Absicht. Und über die Zeit fand ich heraus – es hat viel zu lange gedauert – dass dies nicht das vorrangige Ziel ist“, sagte Miller. „Sie lehren uns, dass die beste präventive Medizin der Einsatz von Kugeln ist. Das ist einfach nicht wahr. Kugeln verletzen Menschen. Du verletzt andere Menschen, damit sie dich nicht verletzen. Das macht überhaupt keinen Sinn. Das hat nichts mit Prävention zu tun, das ist einfach Gewalt.“

In den folgenden Jahren beendete Miller seine medizinische Ausbildung in Tampa und wurde schließlich nach Fort Bragg versetzt. Aber seine Zweifel, was er tun sollte, plagten ihn. So begann er Bücher über Kriegstheorien zu lesen, hörte Podcasts über Stoizismus und Buddhismus und suchte nach einer Möglichkeit, seine Überzeugungen mit seiner gewählten Karriere in Einklang zu bringen.

Ich habe mir vorgenommen, nicht so einer zu werden, der sagt: „Naja, Krieg ist halt nicht ok“. „Meine Absicht beim Lesen all dieser Dinge war es nicht, Kriegsdienstverweigerer zu werden. Meine Absicht war, ein Green Beret zu sein und meinen Job machen zu können.“ Stattdessen wurde ihm klar, dass er mit Krieg niemals einverstanden sein würde. „Es gibt keine Rechtfertigung für Krieg, niemals“, sagte er. „Gewalt erzeugt Gewalt.“

„Dann saß ich oben auf dem Parkplatz und begann zu weinen. Ich dachte nur, es haut mich um. Ich kann nicht mehr beim Militär sein“, sagte er. „Und dann hat es mich wirklich getroffen – Ich muss raus. Ich kann das nicht. Das ist nicht der, der ich sein will. Das ist nicht das, was ich tun will. Das ist nicht das, woran ich glaube.“

Miller stellte vor sechs Monaten einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung. Bis jetzt hat er noch keine endgültige Entscheidung erhalten. Wenn sein Antrag anerkannt wird, plant er, an die Nebraska Lincoln Universität zu gehen, wo er bereits angenommen wurde. Er will studieren, um Arzt zu werden.

Ich möchte humanitäre Hilfe leisten, ähnlich wie Ärzte ohne Grenzen“, sagte Miller. „Es ist genau das, was ich im Militär machen wollte, nur ohne all den Unsinn, mit dem ich nicht einverstanden bin.“

Olivia Paschal: Southern peace activists help soldiers become conscientious objectors. Facing South, 17. Januar 2020. Übersetzung: rf

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