Britischer Soldat, der sich gegen Afghanistankrieg aussprach, wegen Unerlaubter Abwesenheit verurteilt
Joe Glenton, der in der Antikriegsbewegung sehr viel Aufsehen erregte, wurde zu neun Monaten Haft verurteilt
(05.03.2010) Ein britischer Soldat, der sich weigerte, erneut zum Einsatz nach Afghanistan zu gehen und sich auf einer Antikriegsdemonstration öffentlich äußerte, wurde heute zu neun Monaten Haft in einem Militärgefängnis verurteilt.
Ein Richtergremium von drei Offizieren und einer Richterin, Emma Peters, führten das Verfahren des Militärgerichtes Colchester in der Grafschaft Essex durch. Sie degradierten Joe Glenton auch vom Hauptgefreiten zum einfachen Soldaten.
Joe Glenton hatte sich im Januar der Unerlaubten Abwesenheit schuldig bekannt, nachdem er wegen der schwerwiegenderen Straftat Desertion angeklagt worden war. Sie hätte eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren zur Folge haben können, bei Unerlaubter Abwesenheit ist eine Höchststrafe von zwei Jahren vorgesehen. Die Anklage wegen Desertion wurde in letzter Minute zurückgezogen.
Der 27-jährige Glenton hatte die Absicht gehabt, die Anklage wegen Desertion zurückzuweisen. Seine Verteidiger sind der Auffassung, dass die Anklage reduziert wurde, um ein umfangreiches, möglicherweise peinliches, Verfahren zu vermeiden, bei der er sich mit der Begründung verteidigen wollte, dass der Krieg in Afghanistan nach internationalem Recht völkerrechtswidrig ist.
Das wäre insbesondere angesichts des derzeitigen Chilcot-Untersuchungsausschusses zum Irakkrieg heikel gewesen. Heute wird dort Gordon Brown (Premierminister) aussagen.
Glenton bleibt weiter ein Aufsehen erregender Fall für die Antikriegsbewegung. Er schrieb an Gordon Brown, um seine Sicht darzustellen und deutlich zu machen, dass er Unterstützung von anderen Soldaten für seine Position sieht. Aktivisten von Stop the War protestierten heute vor der Kaserne, gemeinsam mit anderen, die ihn vor Gericht unterstützten.
Glenton war 2006 sieben Monate lang für ein Nachschubbataillon in Afghanistan im Einsatz. Den darauffolgenden Juni, kurz bevor er ein zweites Mal in das Land gehen sollte, floh Glenton nach Bangkok. Er blieb knapp über zwei Jahre in Asien und Australien, bevor er sich im Juni letzten Jahres den Militärbehörden stellte.
Die Freiheitstrafe wurde ausgesprochen, obwohl heute ein Beweis zur Strafmilderung vorgetragen wurde. Bei Glenton wurden Posttraumatische Belastungsstörungen diagnostiziert, was - zusammen mit seinen wachsenden Zweifeln über den Afghanistankonflikt – dazu führte, dass er nicht noch einmal in das Land gehen wollte. Seine psychische Situation wurde von seinen Vorgesetzten weitgehend ignoriert, so sein Verteidiger Nick Wrack. Der einzige Rat, der ihm nach seiner Rückkehr aus Afghanistan gegeben worden war, so berichtete es Wrack im Prozess, war eine Rede des Geistlichen, der sagte: „Geh nicht raus, trink nicht zu viel und schlage Deine Frau nicht.“ Glenton sei eingeschüchtert und schikaniert worden, als er versuchte, seinem Vorgesetzen von seiner Besorgnis über den Konflikt zu berichten. “Als er seine Einwände gegen eine Rückkehr äußerte, wurde er als Feigling und Simulant bezeichnet. Er ist nichts von beidem“, sagte Wrack.
Glenton war niemals Pazifist, erklärte Wrack. Er ging 2004 im Alter von 22 Jahren zur Armee, idealistisch und „ein bisschen naiv“. Er hatte sich auf den Einsatz in Afghanistan gefreut. Ihm sei erzählt worden, dass die britischen Truppen dort der Bevölkerung helfen. „In den sieben Monaten seines Einsatzes (in Afghanistan) begannen seine Erfahrung und das ihm Gesagte mehr und mehr in Konflikt zu stehen“, sagte Wrack. “Er sah immer deutlicher, dass der Konflikt falsch ist.“
Trotz dieser Zweifel hat er sorgfältig seinen Dienst in Afghanistan geleistet. Das Gericht hörte Aussagen von Offizieren, die Glenton als strebsam, intelligent und als einen guten Führer priesen, was für seine Beförderung gesorgt hatte.
Der Facharzt für Psychiatrie, Lars Davidsson, bestätigte, dass er bei Glenton Posttraumatische Belastungsstörungen diagnostiziert habe. Auch wenn er nicht an der Front gewesen sei, so stand doch das Militärcamp in der Provinz Helmland unter Raketen- und Mörserbeschuss. Seine Arbeit, die Särge für tote Soldaten bereit zu stellen, hinterließen bei ihm ein Gefühl der „Schuld und Hilflosigkeit“. Das manifestierte sich in Symptomen wie Alpträumen und starkem Alkoholkonsum, sagte Davidsson. Dem Militärgericht wurde auch vorgetragen, dass Glenton vor seiner Flucht zu einem Militärarzt für Allgemeinmedizin gegangen war, und er einen psychiatrischen Krankenpfleger hatte aufsuchen wollen. Im Nachhinein gesehen war die Flucht nicht die beste Entscheidung, sagte Wrack, war aber motiviert durch seinen psychischen Zustand.
Glenton stellte sich, nachdem er seine jetzige Frau in Sydney kennengelernt hatte. Sie weinte, als Wrack ihren Brief an das Gericht vorlas, in dem sie inständig darum bat, ihn nicht zu einer Haftstrafe zu verurteilen, damit sie ihr Leben neu beginnen könnten. Sie wurde von Glentons Mutter Sue begleitet. Glenton wollte die Armee verlassen und hat eine Zusage für einen Studienplatz für Internationale Beziehungen, ergänzte Wrack.
Peter Walker, The Guardian: British soldier who spoke out against Afghan war jailed for going awol - Joe Glenton, a cause celebre for the anti-war movement, sentenced to nine months’ detention in a military prison. 5. März 2010. Übersetzung: Rudi Friedrich und Thomas Stiefel. http://www.guardian.co.uk/. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe April 2010
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