Gewaltfreie Kämpfe um Existenzgrundlagen und Weltweiter Militarismus: Verbindungen & Strategien

Konferenz der War Resisters International in Ahmedabad (Indien)

von Abraham Mehreteab

(05.02.2010) Aktivisten für Gewaltfreiheit aus 32 Ländern prangerten die durch das vorherrschende Entwicklungsmodell ausgelösten Vertreibungen und die mit ihr verbundene Gewalt an. Sie trafen sich auf der Konferenz der War Resisters‘ International (WRI) in Ahmedabab. Dort hatte die WRI gemeinsam mit den indischen Organisationen Gujarat Vidyapith, Gujarat Sarvodaya Mandal und Sampoorna Kranti Vidyalaya eine Konferenz vorbereitet, um die Beziehungen zwischen Krieg, Kriegsprofiten und dem derzeit verfolgten Entwicklungsmodell zu analysieren. Etwa 175 TeilnehmerInnen aus 32 Ländern folgten der Einladung.

Afrika ArbeitsgruppeIn einer Pressemitteilung stellte die WRI fest, welch erstaunliche Parallelen es auf der ganzen Welt gibt. Menschen, die in unzähligen Kämpfen engagiert sind, decken die unwiderlegbaren Verbindungen zwischen „Entwicklung“, Ausbeutung der Ressourcen und Industrialisierung, Waffenproduktion und Handel, Militarismus und Kriegsprofiten auf der einen Seite und der Vertreibung, dem Verlust der Lebensgrundlagen, Bedrohung traditioneller Lebensstile und der staatlichen Gewalt auf der anderen Seite auf. Es fügt der gequälten Bevölkerung unermessliches Leid zu, seien sie nun Bauern, Arbeiter, Adivasi (Selbstbezeichnung der Hindi), Fischer oder Tagelöhner. Diese Gemeinschaften werden so in einen Überlebenskampf gezwungen. Das ist nicht nur für Indien festzustellen, sondern in vielen Teilen der Welt: in Kolumbien oder Paraguay in Südamerika, in West-Neuguinea im Pazifischen Ozean, in Kongo oder Eritrea in Afrika.

Auf der Konferenz der WRI gab es Plenen und Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen. Die TeilnehmerInnen setzten diese in ihren Diskussionen in Beziehung zu Gewaltfreiheit und ähnlichen Aktionsformen.

TeilnehmerInnen aus Orissa (Indien) beschrieben die Vertreibung der Gemeinschaften von Adivasi in verschiedenen Teilen des Staates aufgrund der Ausbeutung von Rohstoffen, wie auch die drohende Zerstörung der Umwelt durch Vedanta/Sterlite in den Bergen von Niyamgiri, von Hindalco in Kashipur und durch verschiedenen Stahlwerke in Kalinganagar. Bauxitminen und die Aluminiumindustrie nehmen eine entscheidenden Platz im militärisch-industriellen Komplex ein.

Einige KonferenzteilnehmerInnen kamen aus der Demokratischen Republik Kongo, einem Land, das wie kein anderes von der Ausbeutung der Rohstoffe betroffen ist. Sie heizt die Konflikte im Land an und hat Folgen für die Lebensgrundlagen vieler Menschen. Ein besonders wichtiger Zweig ist die Ausbeutung von Coltan, einem Mineral, das für die Produktion von Mobiltelefonen notwendig ist. Ein großer Teil der Minenarbeiter sind Kinder. Der Kampf zwischen den verschiedenen Gruppen um die Förderung des Minerals hat zu schrecklichen Verbrechen geführt und trägt zur Grausamkeit des Bürgerkriegs in der Demokratischen Republik Kongo bei.

Maguiorina Balbuena, eine Vertreterin von CONAMURI (Nationale Koordination der Land- und Indigenaarbeiterinnen in Paraguay) berichtete von den katastrophalen Auswirkungen der Agrarindustrie für 70.000 Arbeiterinnen. Jeder ist sich der mehr als 150.000 Selbstmorde von Bauern im letzten Jahrzehnt in Indien allzu bewusst.

Die PalästinenserInnen, die sich seit Jahrzehnten einer brutalen und alles erstickenden Besatzung des israelischen Militärs gegenübersehen, sind von den systematischen Bemühungen betroffen, sie von ihrem angestammten Land zu vertreiben.

Der lange währende Konflikt in Kolumbien hat Auswirkungen auf allen Ebenen der kolumbianischen Gesellschaft. AktivistInnen aus Kolumbien berichteten auf der Konferenz über ihre Arbeit zur Unterstützung von durch den Konflikt Vertriebenen. Hier sind auch städtische Gruppen aktiv, die mit vom Land vertriebenen Menschen arbeiten. Der Konflikt führt zu heftigen und spezifischen Opfern gerade auch bei Frauen, deren Körper als Schlachtfeld benutzt wird: Sie werden vergewaltigt und leiden unter sexuellen Erniedrigungen, die als Einschüchterung oder Vergeltung gegen sie oder die Männer in ihren Gemeinschaften ausgeübt werden.

Eine Arbeitsgruppe wurde von der Afrikagruppe der WRI organisiert, vor allem von Matt Meyer und Elavie aus den USA. Sie werteten die bisherigen Aktivitäten aus und diskutierten über die gegenwärtige Situation auf dem Kontinent. Matt Meyer und Elavie stellten ihr Buch Seed of New Hope vor, das sie 2009 gemeinsam herausgegeben hatten. Das Buch beschäftigt sich, ausgehend von den Prinzipien der WRI, mit entsprechenden Themen und Fragestellungen in Afrika. Die TeilnehmerInnen aus Südafrika, der Demokratischen Republik Kongo, Eritrea, Benin, Mauritius, Zimbabwe sowie aus den USA und West-Neuguinea begrüßten die Initiative von Matt Meyer und Elavie. Die TeilnehmerInnen beschlossen, enger zusammenzuarbeiten und wählten drei KoordinatorInnen.

Die Ausgaben für Waffenproduktion und für die Handelsblase sind überall auf der Welt außer Kontrolle. Ein beträchtlicher Teil der Bruttoinlandsprodukte wird dafür aufgewendet, zum Schaden der Menschen. Die fortschreitenden Gewaltspiralen in Palästina, Jammu & Kaschmir, Sudan, Eritrea, Irak, Afghanistan und an anderen Orten trifft am Stärksten die Arbeitenden und Besitzlosen. Während über einige von ihnen in den Medien berichtet wird, gibt es keine Aufmerksamkeit für die dortigen Widerstandsbewegungen der Bevölkerung und der gewaltfreien AktivistInnen.

Die Konferenz in Ahmedabad war eine gute Möglichkeit, eine andere Kultur zu erleben und hoch-qualifizierte ExpertInnen aus den verschiedensten Teilen der Welt zu treffen. Neben der inspirierenden Geschichte von Mahatma Gandhi war es erstaunlich zu sehen, was die indischen Organisationen tun, um die Bevölkerung von der Armut zu befreien und das Vermächtnis der Ungleichheit in ihrer Gesellschaft zu überwinden.

Die War Resisters’ International wurde 1921 gegründet. Sie ist ein Netzwerk von 80 Mitgliedsorganisationen aus etwa 40 Ländern. Alle Gruppen stehen hinter dem gewaltfreien Kampf als Mittel gegen Krieg und Militarismus, wie auch gegen Ungerechtigkeit, die zum Krieg führt.

Abraham Mehrteab: Nonviolent Livelihood Struggle and Global Militarism: Links & Strategies - WRI 2010 conference in Ahmedabad. 5. Februar 2010. Übersetzung: Rudi Friedrich und Thomas Stiefel. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe April 2010

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