Südkorea: „Recht auf Kriegsdienstverweigerung muss anerkannt werden“
(17.12.2007) Nationale Menschenrechtskommission Korea übergibt dem Verfassungsgericht offizielle Stellungnahme zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes über Reservestreitkräfte des Landes
Die Nationale Menschenrechtskommission Korea (NHRCK) wird eine offizielle Stellungnahme zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes über Reservestreitkräfte des Landes bezüglich der Anrufung des Verfassungsgerichtes durch das Bezirksgericht Ulsan dem Verfassungsgericht übergeben. Das Bezirksgericht sieht das Gesetz über Reservestreitkräfte des Landes vom 30. April 2007 als verfassungswidrig an. Diese Position bestärkt die Auffassung der Kommission, dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung anerkannt, ein eigenständiger Dienst eingerichtet werden muss und Kriegsdienstverweigerer nicht bestraft werden dürfen.
Das Verfassungsgericht wurde angerufen, um die Bestimmung zu prüfen, nach der eine Person, die dem Reservedienst nicht nachkommt, mit bis zu einem Jahr Haft und der Zahlung von zwei Millionen koreanischer Won bestraft werden kann. Das Bezirksgericht Ulsan machte geltend, dass die Einführung eines eigenständigen Reservedienstes für Kriegsdienstverweigerer lediglich geringe Einschränkungen für die nationale Sicherheit im Vergleich zu einem Dienst für Verweigerer des Militärdienstes zur Folge habe. Das Bezirksgericht argumentierte weiter, dass das Verfassungsgericht nicht einfach davon ausgehen soll, die Gesetzeslage würde durch die Gesetzgeber verbessert werden; vielmehr solle das Verfassungsgericht mutig die Verfassungswidrigkeit der Regelung feststellen.
Die Auffassung der Kommission entspricht der Position des Bezirksgerichts Ulsan aufgrund der Überzeugung, dass der erzwungene Dienst von Kriegsdienstverweigerern in den Reserveeinheiten und die fehlende Möglichkeit eines alternativen Dienstes bedeutet, dass sozialen Minderheiten Menschenwürde und Gewissensfreiheit verweigert werden. Zudem ist die wiederholte Einberufung von Kriegsdienstverweigerern zum Reservedienst willkürlich, da sie aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen weiter verweigern werden, was erhebliche Zweifel nach sich zieht, inwieweit die gegenwärtige durch das Gesetz vorgegebene Strafverfolgung effektiv ist.
In Südkorea sind diejenigen, die die Wehrpflicht erfüllt haben, verpflichtet, acht Jahre lang Reservedienste mit insgesamt 148 Stunden zu erfüllen. Wenn ein Reservist dieser Verpflichtung nicht nachkommt oder auch die Teilnahme an der Übung verweigert, wird er vor Gericht gestellt und zu einer mehrere Hunderttausend Won hohen Geldstrafe verurteilt. Der Reservist muss dann die noch offene Zeit innerhalb des nächsten Vierteljahres ableisten, oder auch im folgenden Jahr. Die Verweigerung dessen zieht noch höhere Strafen nach sich.
Gegenwärtig gibt es über 100 Kriegsdienstverweigerer unter den Reservisten in Südkorea. Viele erlitten eine Verletzung ihrer Gewissensfreiheit wegen wiederholter und unangemessen hoher Bestrafung, da sie die Ableistung des Reservedienstes verweigerten.
Die Kommission merkt an, dass Artikel 19 der Verfassung der Republik Korea besagt: „Alle Bürger sollen sich der Gewissensfreiheit erfreuen.“ Die Gewissensfreiheit muss die Freiheit einschließen, sich erzwungenen Verpflichtungen zu enthalten, wie das bei der Kriegsdienstverweigerung der Fall ist. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ergibt sich aus dem Schutz der Gewissensfreiheit. Die Kommission wird die Position vertreten, dass die innerlichen Schmerzen und Konflikte, unter denen Kriegsdienstverweigerer leiden, nicht übersehen werden dürfen und dass ein eigenständiger Dienst eingerichtet werden solle, um einen Kompromiss zwischen der Gewissensfreiheit und Wehrpflicht zu finden.
* Die Nationale Menschenrechtskomission Korea wurde 2001 gegründet, um koreanischen und in Korea lebenden ausländischen Bürgern Möglichkeiten der Untersuchung und Rechtsmittel bei Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen anzubieten. Die Kommission erstellt Empfehlungen für Verfahren und Maßnahmen zur Abhilfe bei Menschenrechtsübertretungen. Sie arbeitet mit internationalen Menschenrechtsorganisationen zusammen und führt Programme durch, um durch Aus- und Weiterbildung die Kultur der Menschenrechte zu verbessern.
National Human Rights Commission of Korea: The National Human Rights Commission of Korea to submit an official opinion on the unconstitutionality of the Reserve Forces Act to the Constitutional Court. 17.12.2007. Übersetzung: Rudi Friedrich. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Broschüre »Kriegsdienstverweigerung in Südkorea«, Juni 2010
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