Protestaktion in Sheikh Jarrah, Foto: Timo Vogt

Protestaktion in Sheikh Jarrah, Foto: Timo Vogt

Israel: Brief der Shministim 2008

Israelische AbiturientInnen erklären ihre Weigerung, die Besatzung zu unterstützen

von Jewish Voice for Peace

Der nachstehende Brief wurde von über 60 jungen Israelis unterzeichnet. Diese KriegsdienstverweigerInnen müssen damit rechnen, ins Gefängnis zu kommen – oft mehrere Male –, weil sie sich weigern, die israelische Besatzung der palästinensischen Gebiete zu unterstützen. Mach mit bei der Kampagne "Freiheit für die Shministim" der Jewish Voice for Peace (Jüdische Stimme für den Frieden). Geh auf www.December18th.org und schicke einen Brief an den israelischen Verteidigungsminister.

Wir, israelische Jugendliche, die gerade das Abitur gemacht haben, erklären, dass wir der Besatzungs- und Unterdrückungspolitik der israelischen Regierung in den besetzten Gebieten und innerhalb Israels entgegenarbeiten werden. Wir werden uns deshalb weigern, an den Aktionen teilzunehmen, die vom israelischen Militär in unserem Namen durchgeführt werden.

Unsere Weigerung, den Militärdienst abzuleisten, ist zuerst und vor allem ein Protest gegen die staatliche israelische Politik der Abriegelung, Kontrolle, Unterdrückung und der Tötungen in den besetzten Gebieten. Sie entspringt unserer Auffassung, dass Unterdrückung, Töten und das Säen von Hass der Welt keinen Frieden bringen können. Solche Handlungen stehen in Widerspruch zu den grundlegenden Werten einer vorgeblich demokratischen Gesellschaft.

Alle Mitglieder unserer Gruppe sind überzeugt, dass soziale Arbeit wichtig ist, und beteiligen sich aktiv daran. Wir weigern uns nicht, der Gesellschaft, in der wir leben, zu dienen, aber wir protestieren gegen die Politik der Besatzung und gegen die Methoden des Militärapparats, wie er sich heute darstellt - Rechtsverletzungen, rassistische Diskriminierung und völkerrechtswidriges Handeln.

Wir widersetzen uns den Mitteln zur "Verteidigung" der israelischen Gesellschaft (Checkpoints, Tötungen ohne rechtliche Grundlage, Apartheidstraßen nur für Juden, Abriegelungen usw.), die eine Politik stützen, welche darauf abzielt, Gebiete weiter unter Kontrolle zu behalten, noch mehr besetzte Gebiete zu annektieren und die Rechte der palästinensischen Bevölkerung offensiv zu verletzen. Diese Aktionen sind wie Pflaster auf einer blutenden Wunde, eine notdürftige, begrenzte Lösung, die langfristig nur zu einer Verschärfung des Konflikts führen kann.

Wir protestieren gegen den Diebstahl und die Zerstörung des palästinensischen Landes, die im Namen der Verteidigung Israels erfolgen und der Ausdehnung der Siedlungen dienen. Wir lehnen auch die Umwandlung palästinensischer Dörfer und Städte in geschlossene Ghettos ab, wie sie die Sperranlage und die Checkpoints zur Folge haben. Diesen Ortschaften werden selbst die einfachsten Lebensgrundlagen entzogen.

Wir protestieren des Weiteren gegen die Überheblichkeit und die verächtliche Haltung, die das Militär gegenüber den palästinensischen BewohnerInnen des Westjordanlandes einnimmt. Diese Haltung äußert sich in brutaler Gewalt gegen DemonstrantInnen, in Demütigungen, Festnahmen, der Zerstörung von Privateigentum – in einer völlig unnötigen Art und Weise, die ebenfalls internationales Recht verletzt.

Die Mauer und die Checkpoints schließen die besetzten Gebiete ein und ziehen sich wie eine Schlinge um den Hals der PalästinenserInnen zusammen. Die Soldaten, die unter dem Schutz ihrer Kommandanten Verbrechen begehen, werden als das Gesicht der israelischen Gesellschaft wahrgenommen, einer Gesellschaft, die niedertrampelt und unterdrückt und der es nicht gelingt, die Menschen nebenan als Partner zu sehen und nicht als Feinde.

Um einen echten Dialog zwischen den beiden Gesellschaften führen zu können, haben wir, da unsere Gesellschaft auf festeren Füßen steht, die Verpflichtung, die andere Seite zu stärken. Nur wenn die andere Gesellschaft sozial und wirtschaftlich stabiler ist, können wir fundierte Gespräche führen, statt einseitige Aktionen zu unternehmen. Aber statt jene BürgerInnen zu stärken, die noch eine Hoffnung auf Frieden im Herzen tragen, verhängt das Militär furchtbare Sanktionen und treibt immer mehr Menschen in einen verbohrten und gewalttätigen Radikalismus.

Wir rufen alle Bürger, die sich fragen, ob die Militärpolitik in den besetzten Gebieten den Friedensprozess fördert, dazu auf, die Situation vor Ort selbst zu prüfen, darin und in der Gesellschaft nebenan die menschliche Seite zu suchen, mit dem tief in uns verwurzelten Mythos zu brechen, der besagt, die Anwesenheit des Militärs in den besetzten Gebieten sei notwendig, und gegen alle Aktionen zu protestieren, die ihnen unlogisch und illegal scheinen.

Überall, wo es Menschen gibt, gibt es auch jemanden, mit dem man reden kann. Deshalb fordern wir einen Dialog ein, der sich über die Machtkämpfe, die einseitigen Rache- und Zermürbungsaktionen erhebt und den Mythos durchbricht, es gebe keinen Partner – denn dieser Mythos führt in die Sackgasse ständiger Frustration. Wir müssen einen menschlicheren Weg einschlagen.

Es ist ein Widerspruch, im Namen der Verteidigung anzugreifen oder Menschen im Namen der Freiheit einzusperren. Deshalb ist es unmöglich, der Moral zu folgen und zugleich der Besatzung zu dienen.

Israeli twelfth-graders declare their refusal to support the Occupation. Sommer 2008. Übersetzung: Rudi Friedrich und Heike Makowski

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