Myanmar: Unbehagen zur Einführung der Wehrpflicht wächst

von The Irrawaddy

(10.01.2011) Rangoon, Myanmar (Burma) –Die Nachricht über ein kürzlich erlassenes Wehrpflichtgesetz, das junge Burmesen dazu verpflichtet, Militärdienst abzuleisten oder ihnen eine bis zu fünfjährige Haftstrafe bei Nichtableistung androht, sorgt nach informellen Quellen von The Irrawaddy für erhebliche Unruhe in der Bevölkerung.

The Irrawaddy stellte bei mehr als 100 Interviews mit Einwohnern von Rangoon fest, dass 90% Prozent die Einführung der Wehrpflicht ablehnen, dieser nicht nachkommen wollen und auch ihren Kindern nicht gestatten wollen, dies zu tun.

Laut Nachrichtenagentur Associated Press datiert das Gesetz vom 4. November 2010, wurde jedoch bislang nicht veröffentlicht. Alle Männer zwischen 18 und 45 Jahren und alle Frauen zwischen 18 und 35 Jahren sollen zu einem zweijährigen Militärdienst verpflichtet werden. In Zeiten des nationalen Notstandes könne die Zeit auf fünf Jahre ausgedehnt werden.

Wer sich nicht zum Militärdienst melde, kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden oder/und einer Geldstrafe. Wer sich selbst verletze, um der Wehrpflicht zu entgehen, kann mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden und/oder einer Geldstrafe, so Associated Press.

„Diese Nachricht verbreitete sich Ende Dezember“, sagte ein Einwohner aus Rangoon, der um Anonymität bat. „Die Bevölkerung diskutierte darüber im Internet und auf Facebook und ist sehr beunruhigt, weil niemand im Militär Dienst leisten will.

Ein Grund für die Ablehnung der Wehrpflicht sei, so sagte er, die öffentliche Verachtung des Militärs, das seit Jahrzehnten die Schlüsselrolle dafür hat, sehr unbeliebte Regierungen an der Macht zu halten.

„Die Armee hat mit Gewalt burmesische Bürger unterdrückt, seitdem sie 1962 an die Macht gekommen ist, so dass die Verbitterung des Volkes von Generation zu Generation gewachsen ist“, sagte ein Besitzer eines Geschäftes für Gold in Rangoon. „Junge Menschen erlebten die mit Gewalt niedergeschlagenen Proteste 1988 und 2007. Sie hassen die Generale und verfluchen die Soldaten.“

Eine 50-jährige Mutter mit zwei Söhnen, die beide älter als 18 sind, sagte, dass sie ihnen nicht gestatten werde, sich einberufen zu lassen. „Mir ist es egal, was das Gesetz sagt, ich kann meine Söhne nicht in die Armee schicken, nicht für kurze und auch nicht für längere Zeit. Ich glaube, dass andere Eltern wie ich denken, so dass wir uns alle zusammen dagegen wehren werden. Wenn wir es nicht stoppen können, müssen wir dagegen protestieren, bis wir sterben.“

Ein in Rangoon tätiger Journalist sagte gegenüber The Irrawaddy, dass er von Angehörigen des Regimes keine Bestätigung erhalten habe, dass das Wehrpflichtgesetz in Kraft sei. Trotzdem, so ergänzte er, nehme die Bevölkerung die Berichte sehr ernst. Das neue Gesetz könne zu Unruhen führen. „Die Bevölkerung wird bei dem Gedanken wütend, dass ihre Kinder dazu gezwungen sein könnten, zur Armee zu gehen, die sie als grausam und gewalttätig ansehen. Sie sind beunruhigt über den Schaden, den dies für ihre Kinder, Enkel und Urenkel bedeutet. Sie können das Gesetz nicht akzeptieren.“

Trotzdem sehen einige das Wehrpflichtgesetz als eine Möglichkeit an, ein stärkeres Band zwischen der Armee und der Zivilbevölkerung zu knüpfen, möglicherweise mit dem Effekt, dass die Armee mehr auf die Nöte der Bevölkerung achtet. „Ich denke, wir werden unseren demokratischen Zielen näherkommen, wenn die Bevölkerung die Sache des Militärs versteht. Mit dem Wehrpflichtgesetz wird das Volk zu Soldaten werden und die Armee wird als eine Volksarmee angesehen werden und nicht länger den Befehlen der Diktatoren folgen“, sagte ein unabhängiger Kandidat, der bei der ersten Wahl nach 20 Jahren am 7. November 2010 angetreten war.

Die Einführung einer Wehrpflicht kommt nicht völlig unerwartet. Nach Artikel 386, Abschnitt VIII, der 2008 in Kraft getretenen Verfassung Burmas sind „alle Bürger verpflichtet, eine militärische Ausbildung abzuleisten, näher geregelt durch ein Gesetz, und zur Verteidigung der Union in den bewaffneten Streitkräften Dienst zu leisten.“

„Bürger sind zweifellos nach der Verfassung verpflichtet, in der Armee zu dienen, aber wir werde nicht wissen, wie das umgesetzt wird, bis das Parlament einberufen worden ist“, sagte ein Rechtsanwalt aus Rangoon. „Wir wissen zum Beispiel nicht, welche Ausnahmen es geben wird. Es ist also nichts, was uns derzeit beunruhigen sollte. Wenn das Gesetz zu streng ist, wird die Bevölkerung Widerstand dagegen leisten.“

Das Regime hatte erklärt, dass 92,48% der Wahlberechtigten in dem am 10. Mai 2008 durchgeführten Referendum der Verfassung zustimmt hätten.

The Irrawaddy: Unease Grows over Plans to Introduce Draft. 10. Januar 2011. Übersetzung: Rudi Friedrich. http://www.irrawaddy.org/article.php?art_id=20497. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe September 2011

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