Südafrika: Chronologie eines Waffengeschäfts

von Rudi Friedrich

(01.11.2011) Nach Angaben der deutschen Bundesregierung war Südafrika 2003 der zweitwichtigste, 2004 und 2005 sogar der wichtigste Abnehmer deutscher Rüstungsgüter außerhalb der EU- und NATO-Staaten. Grund dafür war ein 1999 abgeschlossenes umfangreiches Waffengeschäft, mit dem deutsche Firmen U-Boote und Fregatten an Südafrika lieferten. Das geschah angesichts einer Situation in Südafrika, als nach dem Ende der Apartheid die Bevölkerung auf eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensbedingungen hoffte und zudem die Kriege und Konflikte mit den Nachbarstaaten beendet werden konnten. Wie sich in den letzten Jahren abzeichnete, war der Rüstungsdeal mit hohen Schmiergeldzahlungen verbunden und beschäftigte in den verschiedensten Ländern Staatsanwaltschaften und Gerichte.

April 1994: Der ANC gewinnt die ersten freien Wahlen in Südafrika mit klarer Zweidrittel-Mehrheit. Der neue Verteidigungsminister Joe Modise beauftragt die Marine, eine Ausschreibung für Korvetten vorzubereiten.

Februar 1995: Schabir Shaik, der 2006 wegen Korruption bei Waffengeschäften verurteilt wird, meldet die Nkobi Holding mit ihm als einzigem Eigentümer an.

Juni 1995: Der „Korvettendeal“ wird nach massiver öffentlicher Kritik aufgegeben.

Oktober 1995: Die südafrikanische Luftwaffe erstellt eine Übersicht über den Bedarf. Danach sei es nur notwendig eine Reihe von Trainingsflugzeugen des Typs Gepard zu ersetzen.

Oktober 1995: Bei ersten Waffengeschäften flossen etwa 5 Mrd. US-Dollar. In diesem Zusammenhang erhält der spätere Präsident Jacob Zuma Zahlungen von Schabir Shaik.

Mai-August 1996: Die französische Thompson-CSF eröffnet eine Vertretung in Südafrika. Mit Nkobi Holdings wird ein Vertrag geschlossen, wonach die Holding bei allen geschäftlichen Aktivitäten von Thompson in Südafrika Partner ist. Später wird Thompson-CSF umbenannt in Thint Holdings. Die größten Anteile halten Nkobi Holdings und Thompson CSF.

März 1997: Die SANDF (South African National Defence Force – Südafrikanische Armee) erhält 23 Angebote für Trainingsflugzeuge bzw. Kampfjets und nimmt vier davon in die engere Wahl: ein brasilianisch/italienisches Konsortium, Daimler-Benz Aerospace, Aero Vodochody und Aeromacchi/Yakovlev.

Juni 1997: Der Verteidigungsbericht wird vom südafrikanischen Kabinett genehmigt, nachdem das Verteidigungsministerium das Parlament über „den Bedarf des Landes für jedweden militärischen Fall“ informiert hatte. Die Marine und Luftwaffe legen danach eine Wunschliste für Anschaffungen vor: Darunter 4 Korvetten, 4 U-Boote, 4 maritime Hubschrauber, 28 Kampfflugzeuge, 40 Mehrzweckhubschrauber und 54 Kampfpanzer.

August 1997: Das Parlament genehmigt den Verteidigungsbericht und öffnet damit den Weg für das Waffengeschäft.

Oktober 1997: Vizepräsident Thabo Mbeki gibt bekannt, dass Südafrika neue Ausschreibungen für die Beschaffung der Waffen durchführt. Die Gesamtkosten werden auf 12 Milliarden südafrikanische Rand (2,5 Mrd. US-Dollar) geschätzt.

März 1998: British Aerospace spendet angeblich 4,5 Millionen Rand an die Verteranenvereinigung, dessen Präsident der damalige Verteidigungsminister Joe Modise ist. Er interveniert einen Monat später, um sicherzustellen, dass die leichten Kampfflugzeuge Hawk von British Aerospace weiter in Betracht gezogen werden.

April 1998: Joe Modise bringt vor dem Beschaffungsrat vor, dass ein „visionärer erster Schritt“ getroffen werden müsse. Modise war zu diesem Zeitpunkt auch Direktor von Conlog, einer Firma, die dafür vorgesehen war, große Aufträge aus einem Kompensationsangebot von British Aerospace zu erhalten. Angeblich hatte er auch Aktien von British Aerospace. Joe Modise stirbt 2001 und wird nie wegen Korruption zur Verantwortung gezogen.

April 1998: Thompson-CSF übernimmt Anteile an Altech Defence Systems, später umbenannt in African Defence Systems (ADS). Das Unternehmen erhält den Auftrag für das Informations-Management-System, das in den Korvetten zur Anwendung kommt.

September 1999: Die Abgeordnete Patricia de Lille legt dem Parlament ein Dossier vor, mit dem sie schwere Vorwürfe zur Korruption bei den Waffengeschäften erhebt.

Dezember 1999: Die südafrikanische Regierung bestellt schließlich vier Fregatten von der französischen Firma Thint und den deutschen Firmen ThyssenKrupp und Blohm und Voss, 24 Hawk-Kampfflugzeuge von der Firma British Aerospace (BAe), 28 Gripen-Kampfflugzeuge der schwedischen Firma Saab, 30 Hubschrauber des italienischen Agustakonzerns und drei U-Boote unter der Federführung von Ferrostaal, an der die deutsche Firma MAN beteiligt war. Den Zuschlag erhalten bei den Flugzeugen und Fregatten nicht die Firmen, die das preiswerteste Angebot gemacht hatten. Die Waffeneinkäufe haben einen Wert von etwa 43,8 Milliarden Rand (7,1 Milliarden US-Dollar).

August 2000: Der Oberste Rechnungsprüfer Shauket Faukie gibt seinen ersten Bericht zum Waffengeschäft heraus, wonach Beweise vorliegen, dass das Ausschreibungsverfahren nicht befolgt worden sei.

Oktober 2000: Der Ständige Ausschuss für Öffentliche Angelegenheiten (Scopa) führt eine erste öffentliche Anhörung zum Waffengeschäft durch. Shamin Shaik, leitender Direktor im südafrikanischen Verteidigungsministerium, verantwortlich für Beschaffung und Bruder von Schabir Shaik wird befragt und gibt zu, dass die Kosten des Waffengeschäfts inzwischen eine Höhe von 43,8 Milliarden Rand erreicht hat. Scopa beantragt die Einsetzung eines Spezialteams zur Untersuchung der Waffengeschäfte, darin eingeschlossen das Team von Richter William Heath zur Korruption.

Januar 2001: Präsident Thabo Mbeki schreibt Heath, dass es keinen Auftrag des Präsidenten geben werde, ihn die Waffengeschäfte untersuchen zu lassen. Er wird von Mbeki ausdrücklich vom Untersuchungsteam ausgeschlossen.

November 2001: Der schließlich vorgelegte gemeinsame Untersuchungsbericht der südafrikanischen Antikorruptionsbehörde, des Rechnungshofs und der Generalstaatsanwaltschaft stellt die Rolle von Joe Modise bei der Wahl der Hawk von British Aerospace in Frage und findet heraus, dass Shamin Shaik an Treffen mit African Defence System teilgenommen hat, bei der sein Bruder Schabir Chef ist. Zudem stellt der Bericht fest, dass das Schiffbaukonsortium nicht einmal die erste Auswahlrunde im Bietervergleich hätte überstehen dürfen. Die deutschen Firmen hatten bis Juni 1998 mehrere Vorgaben nicht erfüllt. Und doch erhielten sie schließlich den Zuschlag.

Juni 2006: Deutsche Behörden durchsuchen die Büros von ThyssenKrupp, eine der Firmen, die dem deutschen Fregattenkonsortium angehören, das den Auftrag zum Bau der Korvetten erhielt. Die deutschen Behörden untersuchen den Vorwurf, dass ThyssenKrupp 130 Millionen Rand Schmiergelder an südafrikanische Politiker und Zwischenhändler gezahlt habe. Die Steuererklärung von ThyssenKrupp weist diese Zahlungen aus. Die deutschen Behörden hoffen herauszufinden, an wen sie gegangen sind. 2008 wird das Verfahren eingestellt, weil keine Beweise gefunden worden seien. Grund dafür sei auch, dass Südafrika nicht die angeforderten Unterlagen übersandt und unzureichend kooperiert hatte.

August 2006: Die nationale Staatsanwaltschaft klagt Schabir Shaik an. Der Direktor, Bulelani Ngcuka, gibt bekannt, dass gegen Zuma glaubhaft Vorwürfe wegen Korruption vorliegen. Schabir Shaik wird zu 15 Jahren Haft wegen Korruption und anderer Delikte verurteilt.

November 2006: Jacob Zuma legt wegen der gegen ihn eingeleiteten Ermittlungen Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft ein. Bulelani Ngcuka habe bei der Äußerung über glaubhafte Vorwürfe seine Kompetenzen überschritten. Infolgedessen tritt Ngcuka als Oberster Staatsanwalt zurück.

2008: Verschiedene Zeitungen in Großbritannien und Südafrika berichten über konkrete Zahlungen an südafrikanische Politiker durch Firmen, die von den Waffengeschäften profitierten.

August 2008: Sunday Times schreibt, dass MAN Ferrostaal 30 Millionen Rand an Mbeki gezahlt habe, wovon 2 Millionen an Zuma gegangen seien, der Rest an den ANC. Präsident Mbeki weist die Vorwürfe zurück. Eine Woche später trennt Richter Chris Nicolson das Verfahren gegen Zuma ab, womit für diesen der Weg frei war, neuer Staatspräsident zu werden.

August 2011: Aus einem internen Bericht von Ferrostaal, führendes Unternehmen des Konsortiums für die Auslieferung der U-Boote, geht hervor, dass mehr als 40 Millionen britische Pfund an Agenten in Südafrika gezahlt wurden, um Einfluss bei Politikern zu nehmen. 20 Millionen gingen an Tony Georgiadis, südafrikanischer Vermittler und Freund des damaligen Präsidenten Thabo Mbeki, 20 Millionen gingen an die Firma Kelco Investments, die Tony Ellingford gehörte, einem Freund des damaligen südafrikanischen Verteidigungsministers Joe Modise. Versprochene Investitionen von Ferrostaal in Südafrika fanden offenbar niemals wirklich statt. Über eine in Südafrika gegründete Firma gingen stattdessen 2,5 Millionen Euro an die Teeplantage Magwa, in eine Gegend, aus der viele führende Mitglieder des ANC stammen. Weitere 4,2 Millionen Euro gingen an Sames, eine Tochterfirma von Labat Africa mit engen Kontakten zur ANC.

September 2011: Die zwischenzeitlich geschlossenen Untersuchungen in Südafrika sollen wieder aufgenommen werden.

Quellen

AFP: S.Africa to re-open arms deal probe. 15. September 2011

Bundesministerium der Wirtschaft: Rüstungsexportberichte für die Jahre 2000-2009.

Markus Dettmer und Georg Bönisch: Deutsche Gründlichkeit. Der Spiegel, 5. Februar 2007

Selim Gool: The arms deal: Ten years on. Politicsweb, 13. August 2009.

The Trace Compendium: South African Arms Deal, 2011

UPI.com: South African arms exports soar. 8. Juli 2011

Marc von Boemcken, Bonn International Center for Conversion (BICC): Informationsdienst Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte - Länderportrait Südafrika. Juni 2011.

Alexander von Paleske: Deutsche Firma Ferrostaal, Waffenexporte nach Südafrika und steuerabzugsfähige Millionen-Schmiergeldzahlungen. 16.8.2011. Veröffentlicht in http://oraclesyndicate.twoday.net

Alexander von Paleske: Deutschland, Südafrika und ein Waffenskandal ohne Ende. 26.7.2008. Veröffentlicht in http://oraclesyndicate.twoday.net

Rudi Friedrich: Südafrika - Chronologie eines Waffengeschäfts. 1. November 2011. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Broschüre "Waffenexporte ins südliche Afrika: Ein Geschäft mit dem Tod", November 2011

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