Maikel Nabil Sanad - © Christopher Schwarzkopf

Maikel Nabil Sanad - © Christopher Schwarzkopf

Ägypten: Militär verschleppt Verfahren gegen Militärkritiker Maikel Nabil Sanad

Seit über 80 Tagen im Hungerstreik

von Connection e.V. und DFG-VK Hessen

(15.11.2011) Im Fall des ägyptischen Militärkritikers Maikel Nabil Sanad hat das Militärgericht am vergangenen Sonntag das Verfahren erneut vertagt. Der Rechtsanwalt, der Maikel Nabil Sanad vom Militärgericht als Verteidiger zugewiesen wurde, beantragte die Vertagung. Unterdessen ist Maikel Nabil Sanad immer noch in Haft und befindet sich aus Protest gegen das Verfahren seit dem 23. August 2011 in Hungerstreik. Das Verfahren soll am 27. November 2011 fortgesetzt werden.

„Das Gericht wies den vom Gericht bestellten Anwalt an, das zu tun, was das Gericht wollte“, erklärte die Solidaritätsgruppe Free Maikel Nabil! in Kairo, „und er beantragte erneut die Vertagung, um vier Zeugen vorzuladen und einen Bericht des militärischen Geheimdienstes über den Blog von Maikel Nabil Sanad zu erhalten. Das alles ist nur eine Farce. Es soll nur so aussehen, als ob es ein richtiges Verfahren ist.“

Nach dem Berufungsverfahren, in dem am 11. Oktober 2011 das Urteil von drei Jahren gegen den Kriegsdienstverweigerer und Militärkritiker für „null und nichtig“ erklärt wurde, hatte Maikel Nabil Sanad deutlich gemacht, dass er das Verfahren boykottieren werde: „Ich bin ein Zivilist. Ich verweigere mich einer Verhandlung vor dem Militärgericht“. Er hatte auch seine Rechtsanwälte und seine Familie aufgefordert, nicht mehr mit dem Gericht zusammenzuarbeiten.

 

Connection e.V. und die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Hessen sehen die erneute Vertagung des Verfahrens als zusätzliche Strafmaßnahme gegen Maikel Nabil Sanad an. „Maikel Nabil Sanad hätte nie wegen seiner kritischen Äußerungen gegen das Militär verurteilt werden dürfen“, so heute Gernot Lennert von der DFG-VK Hessen. „Das Berufungsgericht hätte ihn unverzüglich aus der Haft entlassen müssen. Alles weist daraufhin, dass das ägyptische Militär auf Zeit spielt und damit auch mit dem Leben von Maikel Nabil Sanad.“ Die Organisationen fordern die Einstellung aller Militärgerichtsverfahren und die unverzügliche Freilassung von Maikel Nabil Sanad.

Zum Hintergrund

Maikel Nabil Sanad hatte 2010 als erster in Ägypten und in der arabischen Welt öffentlich seine pazifistisch motivierte Kriegsdienstverweigerung erklärt. Er wurde für untauglich erklärt, von der Militärpolizei allerdings gewarnt, dass er mit gesteigerter Repression rechnen müsse, wenn er seine politische und publizistische Tätigkeit fortsetzt.

Am 8. März 2011 veröffentlichte er auf seinem Blog www.maikelnabil.com einen Beitrag, in dem er über die Rolle des Militärs während und nach der Revolution berichtete. Er schilderte darin ausführlich die fortwährenden Menschenrechtsverletzungen und politischen Einflussnahmen des ägyptischen Militärs in dieser Zeit (...mehr).

Ein Militärgericht verurteilte ihn daraufhin am 10. April 2011 wegen Beleidigung des Militärs, Verbreitung falscher Informationen und Störung der öffentlichen Ordnung zu drei Jahren Haft.

Seine Verurteilung verletzt das Menschenrecht auf Meinungsfreiheit. Am 21. Juli 2011 hatte der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen in der Allgemeinen Erklärung 34 zum Menschenrecht auf Rede- und Meinungsfreiheit Stellung bezogen: „Staatliche Behörden dürfen Kritik an Institutionen wie dem Militär oder Verwaltung nicht untersagen.“ Damit stellt die Verurteilung und Inhaftierung von Maikel Nabil Sanad eine klare Verletzung des Artikels 19 des Internationalen Paktes für bürgerliche und politische Rechte dar. Auch die im Juni 2011 in Kraft getretene Übergangsverfassung Ägyptens garantiert das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit.

Das Urteil wurde zudem von einem Militärgericht gegenüber einer Zivilperson ausgesprochen und erging in Abwesenheit der Familie, Freunde und des Anwalts von Maikel Nabil Sanad. Damit verletzt das Verfahren gegen Maikel Nabil Sanad auch das Recht auf ein gerechtes Verfahren nach Artikel 14 des Internationalen Paktes für bürgerliche und politische Rechte.

Maikel Nabil Sanad hatte am 23. August 2011 einen Hungerstreik begonnen. Mehrmals hatte er seine Forderung auf sofortige Freilassung mit einem Durststreik bekräftigt. Durch den Durststreik versagten seine Nieren und er fiel wiederholt ins Koma.

Ein von Maikel Nabil Sanad angestrengtes Berufungsverfahren begann am 4. Oktober 2011. In der ersten Sitzung entschied das Gericht, das Verfahren um eine Woche zu vertagen, weil die Akten nicht vollständig vorlägen. Am 11. Oktober hob das Berufungsgericht das Urteil als „null und nichtig“ auf, ließ Maikel Nabil Sanad aber nicht frei, sondern verwies das Verfahren zur erneuten Urteilsfindung an das untergeordnete Militärgericht zurück.

Zum erneuten Verfahren vor dem Militärgericht wies Maikel Nabil Sanad seine Anwälte und seine Familie an, das Verfahren zu boykottieren, da dies Verfahren einer „Seifenoper“ gleich käme. Am ersten Verhandlungstag des Wiederholungsverfahrens, dem 18. Oktober 2011, wies das Militärgericht daraufhin Maikel Nabil Sanad einen Verteidiger zu und entschied, Maikel Nabil Sanad zur Untersuchung in eine psychiatrische Klinik zu überstellen. Das Krankenhaus lehnte aber den Versuch ab, einen politischen Dissidenten zu pathologisieren und sandte ihn als „gesund“ zurück.

Das Verfahren vor dem Militärgericht wurde am 1. November fortgesetzt. Maikel Nabil Sanad wurde zwangsweise vorgeführt, verweigerte aber die Zusammenarbeit mit dem Gericht, wie auch seine Rechtsanwälte. Der vom Militärgericht zugewiesene Rechtsanwalt, der von Maikel Nabil Sanad abgelehnt wird, beantragte die Vernehmung von vier Zeugen. Daraufhin wurde das Verfahren auf den 13. November vertagt.

Am 13. November wurde vom Militärgericht das Verfahren erneut vertagt, auf den 27. November 2011. Maikel Nabil Sanad ist immer noch in Haft und in Hungerstreik.

 

Unterstützungsmöglichkeiten für Maikel Nabil Sanad gibt es weiter unter

www.Connection-eV.org/aktion-egypt.php

www.frieden-mitmachen.de

http://wri-irg.org/node/13819

Connection e.V. und DFG-VK Hessen: Pressemitteilung vom 15. November 2011

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