15. Mai: Internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerung

15. Mai: Internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerung

Tayfun Gönül, erster türkischer Kriegsdienstverweigerer, ist gestorben

von Ekin Karaca

(31.07.2012) Der erste türkische Kriegsdienstverweigerer starb vergangenen Montag nach einem Herzinfarkt. Er hatte nach Angaben seiner Freunde entscheidende Beiträge zur antimilitaristischen Bewegung in der Türkei geleistet.

Gönül war bereits für längere Zeit in der Intensivstation gewesen aufgrund eines Infarktes, den er am 16. Februar erlitten hatte. Vor zwei Monaten war er jedoch aus dem Krankenhaus entlassen worden, sagte Serkan Sultan, ein enger Freund Gönüls, gegenüber Bianet. Nach seiner Entlassung habe sich der Gesundheitszustand ständig verbessert, sie hätten sogar kurze Reisen an der Ägäis unternehmen können. Aber letzten Montag um 23.30 Uhr habe Gönül erneut einen Herzinfarkt erlitten.

“Die Uniform dient überall den gleichen Zielen”

Als angehender Arzt hatte Tayfun Gönül in einem Interview gegenüber dem Magazin Sokak 1990 seine Gründe dargelegt, warum er sich entschieden hatte, seinen Beruf nicht auszuüben: „Alle Institutionen haben die Regeln der Kasernen übernommen als Vorlage für ihren internen Betrieb, auch die Schulen und Krankenhäuser. Die weißen Kittel der Doktoren sind das klarste Zeichen dafür. Die Uniform dient überall den gleichen Zielen: gleichzuschalten und Menschen zu entpersonalisieren, sie in Roboter zu verwandeln, die nur ihre Funktionen erfüllen. Die Farbe der Uniform ist belanglos für mich. Sie könnte ebenso khakifarben wie weiß sein“, sagte Gönül.

Eryılmaz: "Gönül setzte die Saat für ein Bewusstsein gegen Militarismus“

„Tayfun war eine sehr interessante Persönlichkeit., sagte Journalist Tuğrul Eryılmaz, der gemeinsam mit Gönül in den 1980ern für das Magazin Sokak arbeitete. „Er war zwischen 1988 und 1989 vom Thema Militärdienst besessen. Unsere Horizonte haben sich dank ihm erweitert und zusammen starteten wir die Kampagne ‚Nein zur Wehrpflicht‘.“

Eryılmaz führte fort: „Sobald wir die Kampagne gestartet hatten, wurde ein Verfahren wegen ‚Distanzierung des Volkes vom Militär‘ gegen uns eröffnet. Wir sind in der Zeit immer wieder zum Sultanahmet Gericht gegangen... Metin Münir war auch mit angeklagt, weil er als Chefredakteur der Zeitung Güneş unsere Kampagne auf die Titelseite gebracht hatte.“ Über Gönül ergänzte er: „Tayfun hatte eine kompromisslose Haltung, aber er zeigte diese nicht in aggressiver Weise, sondern in einem sehr freundlichem Stil. Er war die Person, die die Saat setzte für ein Bewusstsein gegen Militarismus in der Türkei.“

“Verzichten auf die Rhetorik des Märtyrertums”

Gönül hatte an den Aktionen zum 15. Mai, dem Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung, teilgenommen, nachdem er kurz zuvor aus dem Krankenhaus entlassen worden war. In seiner Rede kritisierte er die Sprache des Hasses, die ständig in den Medien verbreitet wird. Sowohl die türkischen, wie auch die kurdischen Medien, so Gönül, benutzen religiöse Begriffe für das „Märtyrertum“. „Alle Teile der Gesellschaft sollten auf die Rhetorik von ‚Flagge‘ und ‚Märtyrertum‘ verzichten ohne sich auf ein besonderes politisch-ideologisches Engagement zu beschränken. Ich weiß aber nicht, wie wir die gegenwärtige nationalistische Sprache überwinden können“, sagte er in seiner Rede.

Oğuz Sönmez von der Antikriegsgruppe betonte den Beitrag von Gönül für die Bewegungen zu Antimilitarismus und Kriegsdienstverweigerung in der Türkei und sagte, dass Gönüls Abschied einen großen Verlust bedeute: „Wir wollten, dass der erste Kriegsdienstverweigerer in der Türkei, Tayfun Gönül, an der Aktionswoche teilnimmt. Er kam auch, obwohl er im Krankenhaus war. Wir hatten das Ziel, dass die Person, die die Kriegsdienstverweigerungsbewegung initiiert hatte, nicht vergessen wird.“

Gönül hatte auch verschiedene Werke im Kaos Publishing House veröffentlicht, darunter “Düzenden Kaosa Zuhur/Gediz Akdenis ile Söyleşi“ (Manifestationen der Ordnung zum Chaos/Interview mit Gediz Akdeniz), "Anarşizm Nedir?" (Was ist Anarchismus?) und "Tıp Etiğinde Yeni Bir Paradigma Arayışı" (Suche nach einem neuen Paradigma in der Medizinischen Ethik: Komplexität – Aussöhnung mit dem Tod).

Ekin Karaca, Bianet: Turkey’s first conscientious objector Tayfun Gönül Passes Away. 31. Juli 2012. Übersetzung: rf. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe September 2012

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