Turkmenistan: Neun Kriegsdienstverweigerer inhaftiert
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(25.03.2013) Gerade mal ein paar Monate vor seinem 27. Geburtstag, das Höchstalter zur Einberufung in Turkmenistan, wurde der Kriegsdienstverweigerer und Zeuge Jehova, Atamurat Suvkhanov erneut inhaftiert. Dies geschah auch trotz seines schlechten Gesundheitszustandes. Zeugen Jehovas berichteten, dass er sich unter „strenger Aufsicht“ im Untersuchungsgefängnis in Dashoguz befinde, in dem Anfang diesen Jahres andere Kriegsdienstverweigerer geschlagen worden waren.
Mit der Verurteilung von Suvkhanov zu einem Jahr Haft steigt die Zahl der inhaftierten Kriegsdienstverweigerer auf neun an, acht davon aus der Region Dashoguz. Weitere vier verbüßen Bewährungsstrafen. Ein weiterer Zeuge Jehova aus der Hauptstadt Ashgabat, Danatar Duryyev, wurde im Januar ebenfalls verurteilt, aber zu einer hohen Geldstrafe.
2012 hatten zehn Zeugen Jehovas eine Beschwerde gegen ihre Behandlung an das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nation gerichtet. In den Beschwerden wird ausgeführt, dass im Arbeitslager Seydi – in dem die meisten Kriegsdienstverweigerer ihre Strafe verbüßen – Kriegsdienstverweigerer regelmäßig in der Arrestzelle inhaftiert, andere brutal geschlagen wurden.
Die Zeugen Jehovas sind der Auffassung, dass die harte Bestrafung von Suvkhanov und anderen jungen Männern ihrer Religionsgemeinschaft, die den Kriegsdienst verweigern, sowie die Polizeiüberwachung ihrer Familien eine Vergeltung des Staates auf die Beschwerden beim UN-Menschenrechtskomitee darstellen.
Kein alternativer Dienst
Alle Kriegsdienstverweigerer wurden nach Artikel 219 Absatz 1 des Strafgesetzbuches verurteilt. Damit wird mit bis zu zwei Jahren Haft die Weigerung unter Strafe gestellt, in Friedenszeiten in den bewaffneten Streitkräften Dienst abzuleisten.
Turkmenistan sieht keine Alternative zur zwangsweisen Ableistung des Militärdienstes vor. Nach Artikel 41 der Verfassung ist die Verteidigung eine „heilige Pflicht“ jeder Person und die Ableistung des Militärdienstes für alle Männer verpflichtend. Der Militärdienst dauert für Männer, die zwischen 18 und 27 Jahre alt sind, im allgemeinen zwei Jahre.
Turkmenistans Weigerung, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung anzuerkennen, das Teil des Rechts auf Religions- und Glaubensfreiheit ist, bricht die internationalen Menschenrechtsverpflichtungen des Landes, was im März 2012 durch das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen kritisiert wurde.
Gesundheitliche Probleme ignoriert
Der nun erneut verurteilte Kriegsdienstverweigerer Suvkhanov, der im Juli 27 Jahre alt wird, hatte bereits eine Haft wegen seiner Kriegsdienstverweigerung verbüßt. Im Dezember 2004 verurteilte ihn das Stadtgericht Dashoguz nach Artikel 219 Absatz 1 des Strafgesetzbuches zu einer Haftstrafe von 18 Monaten. Im April 2005 wurde er aufgrund einer Amnestie vorzeitig entlassen.
Ende 2012 wurde er plötzlich erneut einberufen. Am 5. Dezember 2012 meldete er sich selbst beim Rekrutierungsbüro in Dashoguz zur Musterung. Nachdem die Beamten seine gesundheitlichen Probleme ignoriert hätten, schrieb er später an Forum 18, sei er zwei Tage später in ein Krankenhaus gegangen, das einen Bandscheibenvorfall, Herzprobleme und Probleme mit der Bauchspeicheldrüse attestierte. Am 10. Dezember 2012 wurde er vom Krankenhaus stationär aufgenommen, womit er den Termin beim Rekrutierungsbüro drei Tage später nicht wahrnehmen konnte.
Obwohl Suvkhanov nach seinen Angaben das Rekrutierungsbüro schriftlich darüber informiert habe, dass er den Termin nicht wahrnehmen könne, wurde sein Fall der Militärstaatsanwaltschaft übergeben. Diese eröffnete ein Verfahren nach Artikel 219 Absatz 1.
Am 12. Dezember 2012 schickte Suvkhanov Kopien des Attests an das Verteidigungsministerium und die regionale Militärstaatsanwaltschaft. Er beschwerte sich darüber, dass er bei der Musterung nicht untersucht worden sei, aber als tauglich gemustert wurde. Mit Schreiben vom 25. und 26. Dezember 2012 antworteten das Verteidigungsministerium und die regionale Militärstaatsanwaltschaft, dass das Rekrutierungsbüro nicht fehlerhaft vorgegangen sei.
K. Bayramov, Vertreter der regionalen Militärstaatsanwaltschaft, der die Antwort im Auftrag des leitenden Staatsanwaltes B. Jumagylyjov, verfasst hatte, weigerte sich, den Fall von Suvkhanov zu diskutieren. „Wir geben telefonisch keine Informationen“, sagte er am 25. März gegenüber Forum 18. Dann legte er auf. Ähnlich reagierte eine der Militärstaatsanwältinnen, J. Khanova.
Ein Jahr Haft
Am 13. März verurteilte Richter Italmaz Bayhanov vom Stadtgericht Dashoguz Suvkhanov nach Artikel 219 Absatz 1 des Strafgesetzbuches zu einer einjährigen Haftstrafe in einem Arbeitslager. Am selben Tag legte Suvkhanov Berufung ein, mit dem Argument, dass Artikel 6 Absatz 2 der turkmenischen Verfassung „grundsätzlich Normen des internationalen Rechts anerkennt“, darunter die Menschenrechtsverpflichtungen, die damit Vorrang haben vor nationalem Recht. Er führt auch an, dass nach Artikel 18 des turkmenischen Religionsgesetzes die Gewissensfreiheit garantiert wird.
Suvkhanov reichte beim Berufungsgericht auch eine Beschwerde ein, dass das Rekrutierungsbüro seinen Gesundheitszustand nicht beachtet habe.
Richter Bayhanov war am 25. März nicht zu erreichen. Sein Sekretär verweigerte eine Aussprache zu dem Fall von Suvkhanov. „Kommen Sie zum Gericht, um das zu diskutieren“, sagte er Forum 18. „Ich kann mit Ihnen am Telefon nicht darüber sprechen.“
Richter Bayhanov vom Stadtgericht Dashoguz hatte im Januar einen anderen Zeugen Jehova wegen seiner Kriegsdienstverweigerung verurteilt.
Unter Überwachung des Geheimdienstes
Suvkhanov und seine Familie stehen unter strenger Überwachung der Geheimpolizei des Ministeriums für Staatssicherheit, seit sein Verfahren im Dezember 2012 eingeleitet wurde, so die Zeugen Jehova. Als Familienmitglieder Suvkhanov in der Untersuchungshaft in Dashoguz besuchten, wurden sie begleitet. Beamte hörten offen ihrem Gespräch mit Suvkhanov zu. „Die Verwandten berichteten, dass auch ihr Telefon abgehört werde.“
„Aus dem Verhalten von Atamurat wurde deutlich, dass sie großen Druck auf ihn im Gefängnis ausüben“, so die Zeugen Jehova. „Er berichtete seinen Verwandten, dass ihn die Behörden so lange wie möglich in Untersuchungshaft behalten wollen, um seinen Willen zu brechen.“
Geschlagen, dann verlegt
Unterdessen wurden zwei weitere wegen ihrer Kriegsdienstverweigerung im Januar verurteilte Zeugen Jehova vom Untersuchungsgefängnis Dashoguz in das Arbeitslager verlegt, wo sie ihre Strafe zu verbüßen haben. Matkarim Aminov und Arslan Dovletov wurden am 25. Februar in die Wüste nach Seydi in der östlich gelegenen Region Lebap überstellt.
Angehörige von Aminov berichteten, dass sie von ihm erfahren hatten, während er in Zelle Nr. 39 in Untersuchungshaft war, dass ihn seine Mitgefangenen auf Veranlassung der Sicherheitspolizei des Ministeriums für Staatssicherheit geschlagen hatten, so die Zeugen Jehovas. „Das Ziel war, seinen Glauben zu brechen und ihn dazu zu zwingen, mit den anderen Gefangenen mit erhobenen Händen an muslimischen Gebeten teilzunehmen.“
Aminov, der am 17. April 22 Jahre alt wird, wurde am 8. Januar von Richter Bayhanov vom Stadtgericht Dashoguz zu zwei Jahren Haft unter strengen Auflagen im Arbeitslager verurteilt. Er verbüßte aus dem gleichen Grund bereits eine 18-monatige Haftstrafe zwischen Dezember 2010 und Juni 2012.
Der 20-jährige Dovletov verbüßt seine erste Haftstrafe wegen Kriegsdienstverweigerung. Er wurde am 9. Januar in Dashoguz zu 18 Monaten Haft verurteilt.
Gefahr für die Gesellschaft?
Nach dem Urteil verweigerte Aminov im Dezember 2012 die Ableistung des Militärdienstes, nachdem er erneut einberufen worden war. Er verwies dabei auf seinen Glauben als Zeuge Jehova und erklärte dem Gericht, dass seinem Verständnis nach „die Völker Gottes nicht die Waffen gegeneinander richten, nicht kämpfen und keinen Eid leisten sollen. Aufgrund dessen könne er nicht den bewaffneten Streitkräften Turkmenistans beitreten, Waffen in seine Hand nehmen oder eine Militäruniform tragen.“
B. Gurbanbayev, Leiter der 2. Abteilung des Rekrutierungsbüros in Dashoguz bestätigte dem Gericht, dass Aminov seinen Willen schriftlich am 15. Dezember 2012 erklärt habe, wonach er aus religiösen Gründen nicht in der Armee dienen können. Im Urteil steht ergänzend, Gurbanbayev habe deutlich gemacht, es gebe keine gesetzliche Basis für eine Ausnahme zur Ableistung des Militärdienstes. Das Gericht gibt die Bereitschaft von Aminov an, einen alternativen Dienst zu leisten.
Das Urteil führt weiter aus, die zweijährige Haftstrafe unter strenger Aufsicht sei aufgrund „der Art und Stärke der Gefahr, die von ihm für die Gesellschaft ausgehe“ gefällt worden Er wurde nach der Urteilsverkündung im Gerichtssaal festgenommen.
Berufung zurückgewiesen
Sharofot Aminova, Aminovs Mutter, legte gegen das Urteil des Bezirksgerichts in Dashoguz Berufung ein. Diese wurde jedoch mit Antwort vom 29. Januar durch P. Bayramov, Vorsitzender des Bezirkgsgericht, zurückgewiesen. Er bestand darauf, dass Aminov seine „Schuld anerkannt“ habe und dass „seine strafbaren Handlungen korrekt dargestellt“ worden seien. Er verweigerte das Ansinnen der Mutter, dass ihr Sohn das Recht auf Kriegsdienstverweigerung habe, da die turkmenische Verfassung die Gewissensfreiheit garantiere.
Harte Bedingungen im Arbeitslager
Mit der Überstellung von Aminov und Dovletov in das Arbeitslager in Seydi sind nun acht der neun bekannten Kriegsdienstverweigerer – alle Zeugen Jehova – dort inhaftiert. Es sind:
Mahmud Hudaybergenov, im August 2011 verurteilt zu zwei Jahren Haft durch das Gericht Dashoguz;
Zafar Abdullaev, im März 2012 verurteilt zu zwei Jahren Haft durch das Gericht Dashoguz;
Navruz Nasyrlayev, im Mai 2012 verurteilt zu zwei Jahren Haft durch das Gericht Dashoguz;
Juma Nazarov, im Juli 2012 verurteilt zu 18 Monaten Haft durch das Gericht Ashgabat;
Dovran Matyakubov, im Dezember 2012 verurteilt zu zwei Jahren Haft durch das Gericht Dashoguz;
Yadgarbek Sharipov, im Dezember 2012 verurteilt zu einem Jahr Haft durch das Gericht Dashoguz;
Matkarim Aminov, im Januar 2013 verurteilt zu zwei Jahren Haft durch das Gericht Dashoguz;
Arslan Dovletov, im Januar 2013 verurteilt zu 18 Monaten Haft durch das Gericht Dashoguz;
Atamurat Suvkhanov, im März 2013 verurteilt zu einem Jahr Haft durch das Gericht Dashoguz.
Nasyrlayev, Matyakubov und Aminov wurden zu strengem Arbeitslager verurteilt. Es wird angenommen, dass sie in der Abteilung inhaftiert sind, die den Regeln der strengen Aufsicht unterliegt. Die anderen fünf befinden sich in der Abteilung des Lagers, das unter normaler Aufsicht steht.
In Ergänzung zu den an die Vereinten Nationen gerichteten Beschwerden über die Misshandlung im Lager in Seydi, hatten andere Gefangene, die sich in der allgemeinen Abteilung des Lagers befanden, gegenüber Forum 18 erklärt, dass sie wegen religiöser Handlungen bestraft worden seien. „Wenn die Wächter einen Grund finden, können sie dich schlagen. Sie können ganz einfach einen Grund dafür finden, wenn du z.B. das Abzeichen mit deinem Namen, dem Artikel, nach dem du verurteilt wurdest und der Nummer der Baracke nicht trägst. Ich wurde gleich nach meiner Einlieferung wegen meines Glaubens geschlagen und getreten.“
Die Insassen des Lagers arbeiten zumeist in der nahegelegenen Backsteinfabrik. „In der Vergangenheit war es dort noch schlimmer“, sagte ein anderer Gefangener. „Die Verwaltung setzt Normen, wie viele Steine produziert werden sollen. Auch wenn du das schafftest, wurde es niemals anerkannt.“
Die Adresse der allgemeinen Abteilung des Lagers Seydi ist: Turkmenistan, 746222 Lebap vilayet, Seydi, uchr. LB-K/12.
Die Adresse der Abteilung mit strenger Aufsicht ist die gleiche bis auf den Code: uchr. LB-K/11.
„Auch wenn mich nicht alle Briefe erreichten“, so Ilmurad Nurliev, ein ehemaliger Insasse des Lagers, „so war allein das Wissen darum, dass mich andere nicht vergessen, eine große Ermutigung.“
Wie üblich - kein Kommentar
Wie üblich im Falle solcher Menschenrechtsverletzungen gab es keine offiziellen Stellungnahmen aus Ashgabat zu den neu inhaftierten Kriegsdienstverweigerern oder der Behandlung der Gefangenen. Gurbanberdy Nursakhatov, Stellvertreter der staatlichen Kommission für Religiöse Angelegenheiten, meldete sich selbst bei einem Anruf von Forum 18 am 13. Februar. Aber er legte den Hörer auf, nachdem sich Forum 18 zu erkennen gab. Weitere Anrufe wurden nicht angenommen.
Pirnazar Hudainazarov, Vorsitzender der parlamentarischen Kommission zum Schutz der Menschenrechte und Freiheiten, bestand gegenüber Forum 18 am 25. Februar darauf, obwohl noch gar keine Frage gestellt war, dass für alle Anfragen das Außenministerium anzurufen sei. Dann legte er auf.
Felix Corley, Nachrichtenagentur Forum 18: Turkmenistan - Ninth imprisoned conscientious objector. 25. März 2013. Auszüge. Originalartikel unter www.forum18.org/Archive.php?article_id=1817. Übersetzung: rf. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe April 2013.
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