Türkei: Kriegsdienstverweigerer zu 25 Monaten Haft verurteilt
Ein Menschenrecht ist nicht veräußerlich
(07.11.2014) Das Militärgericht Çorlu/Tekirdağ in der Türkei verurteilte vorgestern den Kriegsdienstverweigerer Ali Fikri Işık zu 25 Monaten Haft wegen dreimaliger Desertion, alternativ zu zahlen als Geldstrafe in Höhe von 15.000 Türkische Lira (ca. 5.400 €) . „Es ist erschreckend“, so Rudi Friedrich vom Kriegsdienstverweigerungsnetzwerk Connection e.V. heute, "wie das türkische Militär gegen Kriegsdienstverweigerer vorgeht. Das Gericht verletzt mit seiner Entscheidung ungebrochen die höchstrichterliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Solch ein Urteil darf keinen Bestand haben.“ Ali Fikri Işık war wegen seiner Kriegsdienstverweigerung bereits 2013 zu einem Jahr und 15 Tagen Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Die große Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hatte 2011 mit einem wegweisenden Urteil das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung anerkannt (...mehr). Zudem hatte das Gericht bereits 2006 die Mehrfachbestrafung von Kriegsdienstverweigerern als Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention angesehen (...mehr). Als Mitgliedsstaat des Europarates unterliegt die Türkei auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und ist verpflichtet, die Urteile umzusetzen.
Rechtsanwalt Davut Erkan, der Ali Fikri Işık in dem Verfahren vertritt, hatte vor Gericht deutlich gemacht: „Da die Kriegsdienstverweigerung ein Menschenrecht ist, muss sie laut Art. 90 der türkischen Verfassung als Teil der internationalen Abkommen umgesetzt werden.“ Unmittelbar nach dem Urteil erklärte er: „Selbstverständlich werden wir gegen das Urteil Berufung einlegen.“
Rudi Friedrich betonte heute zugleich, dass das Gericht mit dem Urteil gegen Ali Fikri Işık offensichtlich ein Exempel statuieren wollte, um andere Wehrpflichtige von der Kriegsdienstverweigerung abzuhalten. „Mehrere Hunderttausend haben sich nach offiziellen Angaben dem Militärdienst entzogen. Das ist dem Militär ein Dorn im Auge. Mit solch scharfem Vorgehen gegen öffentlich erklärte Kriegsdienstverweigerer will es vor der Wahrnehmung eines Menschenrechtes abschrecken.“
Mit der vom Gericht alternativ verhängten Geldstrafe orientierte sich dies sehr offensichtlich an der Freikaufsregelung, die allerdings nur türkische Staatsbürger in Anspruch nehmen können, die sich auf Dauer im Ausland aufhalten. Für diese beträgt die Freikaufssumme 6.000 €. „Es ist geradezu eine Frechheit“, ergänzte Rudi Friedrich, „einem Kriegsdienstverweigerer dies als scheinbare Alternative nahezulegen. Ein Menschenrecht ist nicht veräußerlich. Die Türkei und mit ihr die zuständigen Gerichte haben dies ohne Wenn und Aber zu akzeptieren.“
Connection e.V., Pressemitteilung vom 7.11.2014
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