World Without War

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Südkorea: Yeo-ok Yang, Myungjin Moon, Seungho Park und Yeda Lee von World Without War auf Europatour

Ein Bericht

von Rudi Friedrich

(01.07.2015) Die Lage der Kriegsdienstverweigerer in Südkorea ist schnell beschrieben. Alle Männer sind wehrpflichtig und müssen einen Dienst von 21 bis 24 Monaten im Militär ableisten. Wer sich dem verweigert, gilt als Dienstflüchtiger und wird zu 18 Monaten Haft verurteilt. Betroffen sind davon mehrere Hundert Wehrpflichtige jedes Jahr, so dass stets etwa 700 Kriegsdienstverweigerer in Haft sitzen.

Die seit dem Koreakrieg (1950-53) bestehenden Spannungen mit Nordkorea benutzt die südkoreanische Regierung, um die Militarisierung und ein striktes Militärsystem aufrecht zu erhalten. Das Land unterhält bei 50 Millionen Einwohnern eine Armee von 685.000 SoldatInnen und hat damit die fünftgrößte Armee der Welt. Zugleich ist Südkorea eine wirtschaftliche Macht in Ostasien und Verbündeter der USA.

2003 gründete sich in der Hauptstadt Seoul die Organisation World Without War (Welt ohne Krieg), die zunächst insbesondere Kriegsdienstverweigerer beriet und sie in ihren Verfahren unterstützte. Später erweiterte World Without War die Arbeit und hat nun zusätzlich Schwerpunkte auf Gewaltfreiheit und eine Kampagne gegen Kriegsprofiteure gelegt. Drei Aktive, darunter Yeo-ok Yang und Seungho Park, arbeiten halbtags für die Organisation, um diese Arbeit voranzutreiben.

Ein Rückschlag war 2007 die Erkenntnis, dass die neugewählte konservative Regierung alle Bestrebungen rigoros ablehnte, eine Regelung für Kriegsdienstverweigerer in Form eines alternativen Dienstes einzuführen. Die Regierung verwies dabei auf die Spannungen mit Nordkorea sowie auf die vom Verteidigungsministerium durchgeführten Umfragen, nach denen die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Einführung eines alternativen Dienstes sei. Daran änderten auch verschiedene Resolutionen und Beschlüsse von Menschenrechtsausschuss, -kommission und anderen Institutionen der Vereinten Nationen nichts.

Veranstaltungen, Aktionen, Lobbyarbeit

Angesichts dieses ernüchternden Resultats der bislang zehnjährigen Arbeit der Organisation zum Thema Kriegsdienstverweigerung entstand die Idee, einige Aktive der Gruppe für einen längeren Zeitraum nach Europa einzuladen. Gemeinsam mit der Deutschen Ostasienmission e.V. setzte Connection e.V. diese Idee um. Finanzielle Zuschüsse erhielten wir vom Evangelischen Entwicklungsdienst und der Ev. Mission in Solidarität, so dass vom 3. April bis 17. Juni 2015 Yeo-ok Yang, Myungjin Moon, Seungho Park und Yeda Lee zu verschiedenen Zeiten jeweils mehrere Wochen lang in Europa sein konnten. Ihr Besuch war verknüpft mit der Idee, die Lage der Kriegsdienstverweigerer Südkoreas und die Arbeit der Organisation in Deutschland und anderen europäischen Ländern bekannter zu machen und Kontakte zu knüpfen.

Auf etwa 30 Veranstaltungen in Tschechien, Türkei, Großbritannien, Frankreich, Schweiz, Finnland und Deutschland präsentierten die Aktiven die Themen Kriegsdienstverweigerung und Rüstungsexporte. Sie trafen mehrere Dutzend Gruppen und Organisationen und konnten sowohl in Berlin, als auch in Straß­burg und Genf intensive Gespräche mit ParlamentarierInnen und bei internationalen Institutionen führen. Sie waren auf mehreren Seminaren und dem Ev. Kirchentag in Stuttgart präsent. Sie nahmen an Aktionen zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung und anderen Anlässen teil. Über die Wochen entwickelte sich ein umfangreiches Programm.

Während der Vorbereitung der Veranstaltungen sahen wir uns mit der Frage konfrontiert, wie wir es mit den Sprachen halten sollten. Nicht alle Aktiven von World Without War sprachen gut Englisch, so dass sie ihre Beiträge besser auf Koreanisch vortrugen. Aber nur selten war es möglich, koreanische DolmetscherInnen zu finden. So sorgten wir dafür, dass bei den Veranstaltungen alle Beiträge schriftlich in Koreanisch, Englisch und Deutsch vorlagen und somit die Einführung jeweils zweisprachig erfolgen konnte. Das klappte ausgesprochen gut und mit einer anschaulichen Power-Point-Präsentation wurden die jeweiligen TeilnehmerInnen der Veranstaltungen hervorragend in die Themen eingeführt. Gute und konstruktive Diskussionen im Anschluss waren ein Ergebnis davon.

Wie es bei solchen Randthemen leider häufig der Fall ist, waren die Veranstaltungen - trotz aller Vorbereitung und Werbung - in der Regel nicht wirklich gut besucht. Durchschnittlich waren 20 bis 25 Personen gekommen. Leider gab es auch nicht viele Presseberichte.

Positiv waren die Gespräche mit Abgeordneten im Deutschen Bundestag und im Europaparlament. Wir konnten alle Fraktionen erreichen und verschiedene Vorschläge für die weitere Arbeit einbringen. Hierbei ging es zum einen um die Frage, inwieweit Kriegsdienstverweigerer aus Südkorea Asyl erhalten können. Zum anderen wurden Möglichkeiten erörtert, auf die koreanischen Parlamentarier bzw. die südkoreanische Regierung einzuwirken. Hierzu schrieb der Vorsitzende der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe, Hartmut Koschyk (CDU), auf seiner Website: „Die Mitglieder der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe zeigten Verständnis für das Anliegen der südkoreanischen Nichtregierungsorganisation ‚World Without War‘ und sagten zu, das Thema bei dem geplanten Besuch der Parlamentariergruppe im Herbst diesen Jahres mit ihren südkoreanischen Parlamentskollegen zu diskutieren.“

Zeitgleich zur Europatour veröffentlichte Amnesty International zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung einen ausführlichen Bericht zur Lage der Kriegsdienstverweigerer in Südkorea. Wir übersetzten den Bericht, so dass er auch in deutscher Sprache zur Verfügung steht. Zudem startete Connection e.V. gemeinsam mit Amnesty International, War Resisters‘ International und World Without War eine Unterschriftensammlung für die Anerkennung der Kriegsdienstverweigerung in Südkorea. Die Unterschriften sollen am 1. Dezember 2015 dem südkoreanischen Verteidigungsminister übergeben werden.

Ein weiteres Highlight der zweimonatigen Tour war der Besuch des Aktionswochenendes zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung, das wir gemeinsam mit der Künstlergemeinschaft Neuwagenmühle e.V. ausgerichtet hatten. Hier trafen sich Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus Eritrea, Angola, Türkei, Südkorea, Deutschland, Schweiz und USA. Neben einer szenischen Lesung und der Vorstellung der dort anwesenden Verweigerer gab es verschiedenste Ideen, wie Kriegsdienstverweigerung und Desertion künstlerisch dargestellt werden können. Daran beteiligten sich sowohl die KünstlerInnen, aber auch die Verweigerer und Verweigerinnen. Es entstanden wunderbare Porträts und verschiedenste andere Objekte zum Thema Krieg und Verweigerung. Gutes Essen, Lagerfeuer und die mitten in der Natur liegende Neuwagenmühle sorgten zudem für beste Stimmung.

Ein Fazit

Obwohl das Thema Kriegsdienstverweigerung in Südkorea nur ein Randthema ist, konnten wir über die insgesamt zweieinhalb Monate doch sehr viele unterschiedliche Gruppen und Organisationen erreichen. Kontakte aufbauen und sie zu festigen, braucht offensichtlich Zeit. So war es gut, dass wir sie hatten.

Für die Vorbereitung der Vorträge erwies es sich als sehr positiv, immer wieder auswerten zu können, wie die Beiträge aufgenommen wurden. Sehr lange hatten wir z.B. in der Vorbereitung darüber diskutiert, wie die Militarisierung des Landes und der Schulen dargestellt werden könnte. Was für die südkoreanischen Aktiven vollkommen selbstverständlich ist, ist hier in Deutschland und Mitteleuropa wenig bekannt. Wer ahnt, dass in Südkorea nach wie vor ein Mal in der Woche in allen Schulen die Schüler und Schülerinnen in Schuluniform in Reih und Glied stehen müssen, auf die Fahne schwören und die Nationalhymne singen? Umso wichtiger ist es, dass es anschaulich präsentiert wird, um verstehen zu können, wie sehr Kriegsdienstverweigerer außerhalb jeder Norm und Vorstellung in Südkorea stehen.

World Without War war sehr darauf bedacht, dass bei den Veranstaltungen und anderen Terminen jeweils ein Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin aus dem Büro und ein Kriegsdienstverweigerer gemeinsam auftreten. Yeo-ok Yang, die bei World Without War zur Kriegsdienstverweigerung arbeitet und die Expertin auf diesem Gebiet ist, wurde begleitet von Myungjin Moon oder auch Yeda Lee, die ihre jeweils eigene Geschichte darstellten. Das wurde außerordentlich positiv aufgenommen, weil es damit gelang, den Hintergrund mit einem persönlichen Beispiel zu verbinden.

Zweieinhalb Monate sind allerdings auch eine lange Zeit, die für uns an die Grenzen dessen ging, was leistbar war. Aber schön und intensiv war es doch. Wir hoffen, zur Übergabe der Unterschriften einen Gegenbesuch machen zu können. Und sicherlich werden wir einige der in den letzten Wochen entstandenen Ideen umsetzen.

Rudi Friedrich: Yeo-ok Yang, Myungjin Moon, Seungho Park und Yeda Lee von World Without War auf Europatour - Ein Bericht. 1. Juli 2015. Der Beitrag erschien in: Connection e.V., Deutsche Ostasienmission und Ev. Mission in Solidarität (Hrsg.): Broschüre "Südkorea: 700 Kriegsdienstverweigerer in Haft", Juli 2015

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