Arbeit von Connection e.V.
September bis November 2016
VG München lehnt Asylantrag ab
Etwa 30 UnterstützerInnen kamen am 16. November 2016 zum Verfahren über den Asylantrag des US-Deserteurs André Shepherd. Das Medieninteresse war groß, so dass das Gericht spontan den Sitzungssaal wechseln musste. Was wir allerdings dann erlebten, glich den Erfahrungen vieler älterer deutscher Kriegsdienstverweigerer im Anerkennungsverfahren. Das Gericht erweckte den Eindruck der Voreingenommenheit und wollte André Shepherd wieder und wieder die Ernsthaftigkeit seiner Entscheidung absprechen. Wie zu erwarten, wies das Gericht dann auch die Klage von André Shepherd ab. Wir berichten darüber unter www.Connection-eV.org/article-2339.
Nun wird der Rechtsanwalt die Zulassung zur Berufung vorbereiten. André Shepherd will also weiter für seinen Status als Flüchtling kämpfen.
Türkei: Als Beobachter zum Prozess gegen MenschenrechtsaktivistInnen
Mitte September 2016 hatten wir uns im Rahmen der War Resisters‘ International mit Aktiven aus der Türkei in Istanbul getroffen, um über das weitere Vorgehen und weitere Aktivitäten zu beraten. Es war eine wichtige Gelegenheit, nach dem versuchten Putsch und der Ausrufung des Ausnahmezustandes durch die türkische Regierung Informationen zur Lage im Land zu erhalten. Auf den Straßen ist kaum etwas davon zu sehen. Aber praktisch wöchentlich trifft die Repressionswelle neue Gruppen und Organisationen. Wir erleben, wie die türkische Regierung die Situation benutzt, um eine Alleinherrschaft durchzusetzen. Mit dem Ausnahmezustand verabschiedet die Regierung seitdem am Parlament vorbei Erlasse mit Gesetzeskraft. Bürgerrechte werden ausgehebelt, die Opposition verfolgt und ausgeschaltet.
Auf dem Treffen wurden dann mehrere Initativen und Projekte überlegt. Eines davon war die Bitte an die War Resisters‘ International, zu einem Prozess gegen MenschenrechtsaktivistInnen Beobachter zu entsenden. Rudi Friedrich von Connection e.V. nahm diese Aufgabe wahr.
Das Verfahren gegen die Vorsitzende der Menschenrechtsstiftung (TIHV), Prof. Dr. Şebnem Korur Fincancı, den Journalisten Erol Önderoğlu und den Schriftsteller Ahmet Nesin begann am 8. November 2016. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen wegen ihrer Teilnahme an einer Solidaritätsaktion mit der pro-kurdischen Zeitung Özgür Gündem „Propaganda für eine terroristische Organisation“ vor. Mehr als ein Dutzend internationale BeobachterInnen aus über sechs Ländern Europas und den USA waren zur Prozessbeobachtung nach Istanbul gekommen.
Am Tag des Prozesses versammelten sich die internationalen und türkischen ProzessbeobachterInnen auf Einladung der Ärztekammer von Istanbul in deren Räumen. Auf dem Internationalem Forum für Gerechtigkeit und Freiheit sprachen sie ihre Solidarität gegenüber den Angeklagten aus.
Kurz vor dem Prozess fand vor dem Gerichtsgebäude unter den Augen der Sicherheitskräfte eine Mahnwache für die Meinungsfreiheit und gegen die derzeit zahllos stattfindenden Menschenrechtsverletzungen statt. 142 JournalistInnen sind derzeit inhaftiert. Damit steht die Türkei nach einer von Reporter ohne Grenzen veröffentlichten Liste zur Situation der Pressefreiheit an 151. Stelle. Die Verfolgung richtet sich aber auch gegen MenschenrechtsaktivistInnen, ÄrztInnen, LehrerInnen und andere. Gefordert wurde die unverzügliche Einstellung der Verfahren gegen die drei Angeklagten.
Durch den großen Andrang zum Prozess war der Gerichtssaal schließlich überfüllt. Prof. Dr. Şebnem Korur Fincancı und Erol Önderoğlu hielten sehr engagierte Verteidigungreden. Ahmet Nesin hatte schon zuvor entschieden, dem Prozess nicht beizuwohnen. Im Anschluss stellten ihre RechtsanwältInnen die Bedeutung der Meinungsfreiheit heraus und verwiesen explizit auf den notwendigen Friedensprozess mit der kurdischen Bevölkerung in der Türkei.
Das Gericht vertagte am Ende das Verfahren auf den 11. Januar 2017.
Die große internationale Beteiligung war wichtig und machte sehr wohl Eindruck. Sie hatte aber auch für die Angeklagten selbst eine große Bedeutung. So erklärt Şebnem Korur Fincancı am Ende: „Egal was passiert und wie es ausgeht, es berührt mich, dass so viele gekommen sind. Es macht mich froh und zuversichtlich. So lange wir kämpfen, werden wir auch gewinnen.“
Ein zweites Projekt, das Angebot eines Seminars zu Zivilem gewaltfreien Widerstand für Organisationen in Diyarbakır, soll durch ein ersten Treffen im Dezember vorbereitet werden. Es ist derzeit leider völlig unklar, ob es sich angesichts der sich weiter verschärfenden Situation gegenüber kritischen Kräften in der Türkei - und auch der Situation in den kurdischen Gebieten - im geplanten Zeitraum umsetzen lässt.
Trotz dieser Situation werden wir weiter zur Situation im Südosten der Türkei, zur Menschenrechtslage im Land und zur Unterstützung der Kriegsdienstverweigerer arbeiten, in enger Kooperation mit den in der Türkei Aktiven.
Franz Nadler: Arbeit von Connection e.V., 17. November 2016. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe November 2016
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