Mesarvot

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Frauen und Armee

Wer braucht bei solchen Rabbis noch Trump? - Die einen steigen in Panzer, die anderen gehen ins Militärgefängnis

von Adam Keller

(11.03.2017) Diese Woche gab Rabbi Yigal Levinstein eine provokante Erklärung ab. Gegenüber seinen Studenten, die er in der vormilitärischen Akademie auf ihre Zeit im Militärdienst vorbereitet, erklärte der Rabbi in der Siedlung Eli im Norden der Westbank: „Heiratet eine herzliche Frau, eine religiöse Frau, die nicht in der Armee gedient hat“ und fuhr fort mit einem Sperrfeuer von Ablehnungsgründen eines Dienstes für Frauen im israelischen Militär ganz allgemein und insbesondere für religiöse Frauen: „Unsere Frauen sind heilig und keusch. Was ist die Aufgabe einer Frau? Der Talmud sagt das ganz deutlich: Die nächste Generation zu gebären. Das ist ihr Schicksal. Nur unsere heiligen Frauen wissen, wie sie das machen sollen. Was wird sie sein? Kommandeurin einer Infanteriekompanie? Das ist Wahnsinn. Diese Idee gehört in die Irrenanstalt. Sie machen unsere Mädchen verrückt, wenn sie sie ins Militär einberufen. Sie gehen als Jüdinnen hinein, werden aber nicht mehr jüdisch zurückkehren. Ihre Werte und Prioritäten werden völlig zerrüttet; eine Karriere zu Hause, alles kommt durcheinander. Das darf nicht erlaubt sein!“

Rabbi Levinstein war in seiner Jugend nicht religiös, bis er als Erwachsener „erleuchtet“ wurde. Er kennt die israelische säkulare Gesellschaft. Er wusste sehr wohl, welche Reaktionen auf solch eine Erklärung, die er genau am Internationalen Frauentag abgab, folgen würde. Wie er auch vor sechs Monaten wusste, welche Antwort auf seine Erklärung am Abend der Gay Pride Parade folgen würde („Diese Perversen drängen mit voller Kraft in die Armee – und niemand traut sich, seinen Mund aufzumachen“).

Die Antworten kamen prompt – Frauengruppen gaben eine Reihe von scharfen Verurteilungen der unerträglichen Worte des Rabbis ab, begleitet von säkularen PolitikerInnen verschiedener Parteien wie auch Stimmen aus den religiösen Gruppen. Michal Nagen, die selbst eine vormilitärische Akademie unterhält, um junge religiöse Frauen auf den Dienst in der Armee vorzubereiten und sie dazu zu motivieren, schrieb: „Es schüttelte mich vor Schmerz und Scham angesichts der Worte, die Sie vor der Lade in Ihrer Synagoge ausgesprochen haben. Ich spürte, dass Gottes Name entweiht worden ist. Ich habe genug von Männern, die ‚den Mädchen‘ erzählen, was sie tun und denken sollen. Die Armee ist nicht Ihr Eigentum, Rabbi Yigal, wie es auch nicht das Eigentum der liberalen Säkularen oder der Frauen ist. Die Armee gehört uns allen, dem ganzen Volk. Ich klage um Ihre Studenten, die über ihre Neckereien lachen, die deren Schwestern, deren Freundinnen und manchmal sogar deren Mütter zu Hause beleidigen.“

In der großen Welle der drastischen Antworten, wurden die Frauen, die in der israelischen Armee Dienst leisten – insbesondere diejenigen, die in zunehmender Zahl zu den Kampfeinheiten gehen und Kampfpanzer übernehmen – als leuchtendes Beispiel für die zunehmende Stärke von Frauen angesehen, wie auch des Zionismus und Patriotismus. „Die Kriegsfrauen der israelischen Armee und der Grenzpolizei, wie auch die heldenhaften Polizistinnen in den Straßen von Jerusalem übernehmen eine aktive Rolle, die Sicherheit von Israel abzusichern, sie sind Teil und ein Posten des nationalen Verteidigungssystems – und wir sind stolz auf sie“, sagte Premierminister Netanyahu. Verteidigungsminister Lieberman sprach für sich selbst: „Seit der Gründung des Staates Israel haben Frauen in der israelischen Armee gedient und einen enormen Beitrag für die Sicherheit Israels geleistet. Rabbi Levinstein schadet nicht nur den Frauen, sondern auch dem Erbe der israelischen Armee und den grundlegenden Werten des Staates Israel. Ich beabsichtige den Status von Rabbi Levinstein zu überprüfen und seine Kompetenz, junge Menschen auf den Dienst in der Armee vorzubereiten.“

Rabbi Levenstein war ob all der Aufregung nicht wirklich besorgt. Er fühlt sich sicher angesichts seines Rückhalts im politischen Establishment, der ihn davor schützt, die Zuschüsse oder den offiziellen Status für seine vor-militärische Akademie zu verlieren. Auch nach seinen explosiven Anmerkungen zu den „homosexuellen Perversen“ folgten keine konkreten Schritte. Und so wiederholte er: „In den letzten Jahren findet ein tiefer kultureller Wandel statt. Eine feministische Herangehensweise ist es, die Armee zu unterwandern, was völlig unvereinbar mit dem Judaismus ist.“ Andere hochrangige Rabbis trafen sich mit Ministern der Partei Jüdisches Heim um sie für eine Gegenoffensive um Unterstützung zu bitten: „Die Armee wird uns gestohlen! Die zuletzt gültigen Anordnungen zum Dienst von Frauen in der Armee waren mit dem Ziel getroffen worden, einen Konsens zu erreichen und die Würde und den Respekt gegenüber den verschiedenen Lebensstilen der Dienstleistenden zu wahren. Nun gibt es neue und völlig andere Anordnungen, die im geheimen, hinter dem Rücken von allen, getroffen wurden. Sie wurden von der Agenda der radikalen Liberalen und FeministInnen bestimmt, wie es bei der extremen Linken weitverbreitet ist. Damit sollen Religiöse zum Dienst in gemischten Einheiten mit Männern und Frauen gezwungen werden, im Widerspruch zum jüdischen Gesetz und dem jüdischen Lebensstil, den unsere Vorfahren seit unzähligen Generationen pflegen. Das Ergebnis wäre, sie alle aus der Armee zu drängen.“

Auch zweihundert Reserveoffiziere, Jünger von Rabbi Levinstein, gaben ihm Rückendeckung: „Kürzlich sandte der Rabbi eine Warnung bezüglich der Veränderungen und Wandlungen im Militär, insbesondere mit Bezug auf die Integration von Frauen in Kampfeinheiten. Diese Veränderungen könnten die Armee schwer und schmerzlich beschädigen. Als Personen, die das Militärsystem sehr gut kennen, verstehen wir die vom Rabbi angesprochenen Probleme und die damit einhergehenden Gefahren sehr gut. Die schweren Vorwürfe, die er erhebt, kommen von ganzem Herzen, voller Liebe und Schmerz, angesichts dessen, was er sieht, und sie spiegeln nur seine Sorge für die israelische Armee und den Staat Israel wider. Die Position des Rabbi gibt nur die Meinungen wieder, die von den größten Weisen und den über Generationen bestehenden Regelungen des Leitenden Rabbinats zum Thema der Einbeziehung von Frauen in die Armee geäußert wurden.“

Inmitten dieser Debatte wird fast vollständig die Position von jungen israelischen Frauen vergessen, die keinen Fetzen Verständnis für Rabbi Levinstein und seine Tiraden haben und die sich noch nicht der Idee verweigern, die Position der Frauen durch einen Dienst in einer Besatzungsarmee zu stärken, auch wenn diese Armee seit vielen Jahren vor allem die Funktion hat, unterdrückerische Regeln über Millionen von palästinensischen Frauen und Männern durchzusetzen.

Diese Woche veröffentlichte der Sprecher der israelischen Armee Statistiken über die immensen Anstrengungen des Militärs, die Zahl der Soldatinnen zu reduzieren, die in den Büros der Militärs als Sekretärinnen arbeiten und mehr und mehr von ihnen zum Dienst in den Kampfeinheiten zu bewegen. Die Idee, Frauenteams für den Einsatz im Panzer auszubilden, ist immer noch im Versuchsstadium und umfasst bislang nicht mehr als 15 Frauen. Aber in der Grenzpolizei, also den Einheiten der Militärpolizei, die die täglichen Routinen zur Aufrechterhaltung der israelischen Vorschriften in den palästinensischen Gebieten durchführen, ist der Anteil der Frauen auf 35% gestiegen, mehr als ein Drittel. Der Trend, so wird erwartet, geht nach oben, so dass in Zukunft damit zu rechnen ist, dass Frauen die Hälfte der israelischen SoldatInnen stellen werden, die an den Straßensperren in der gesamten Westbank auch nachts Razzien durchführen werden um „gesuchte Terroristen“ in ihren Häusern zu fassen und sie Verhören unter „gemäßigtem körperlichem Druck“ zuzuführen. Wie sich herausstellt, gefällt das nicht allen jungen Frauen.

Unter dem Motto „Weder Sekretärin noch Panzerfahrerin – eine Verweigerin und Feministin“ wiederholten drei junge Frauen diese Woche ihr Ritual bei der Armee, das ihnen durch die Armee auferlegt worden ist. Das „Gewissenskomitee“ der Armee hatte ihnen zuvor fehlende Gewissensgründe bescheinigt. Wieder und wieder werden Männer und Frauen, die den Militärdienst verweigern, zum Rekrutierungsbüro in Tel Hashomer bestellt. Dort erhalten sie den Befehl, der Armee beizutreten, was sie verweigern. Daraufhin werden sie unverzüglich für einen Monat ins Gefängnis geschickt. Es ist ein Ritual, das sich immer wiederholt. Die „Zwei Tamars“, Tamar Alon und Tamar Ze‘evi durchliefen dieses Ritual diese Woche zum sechsten Mal, Atalya Ben Abba, eine etwas jüngere Verweigerin, wurde nun das zweite Mal ins Gefängnis gesteckt. Die Armee achtet darauf, die drei zu trennen und in verschiedenen Gefängnissen unterzubringen.

Vered Lee, Journalist von Ha‘aretz, kam und schrieb im Anschluss: „Tamar Alon strahlte Freude aus und verbreitete Optimismus. Danach gefragt, wo sie ihren Optimismus her nähme, lachte sie und antwortete: ‚Auch die Mädchen, die mit mir im Gefängnis sitzen, verstehen das nicht. Sie wundern sich, wie ich lächeln kann angesichts einer solch langen Haft.“ Die anderen Gefangenen, sagt sie, sitzen wegen Unerlaubter Abwesenheit, wegen Disziplinarvergehen oder Drogen. ‚Noch niemals zuvor haben sie eine echte Linke getroffen. Sie hielten uns für Verräter, Feinde des Staates. Während unseres Gefängnisaufenthaltes konnten sie das differenzierter sehen und uns als Menschen erfahren. Aber es war nicht immer leicht. Als wir das erste Mal ins Gefängnis gingen, waren wir plötzlich geschockt uns hinter Gittern wieder zu finden. Wir fühlten uns sofort allein gelassen. Wir fragten uns immer wieder, ob unser Schritt Bedeutung hat, ob es anderen etwas ausmacht. Aber ja, es gibt viele, die das kümmert.‘“

Muhammad Awda aus Ostjerusalem, der seit neun Jahren bei Combatants for Peace aktiv ist, sagte auf der bescheidenen Kundgebung: „Ich sehe, dass es im Moment nur drei Frauen in der israelischen Armee gibt, die verweigern, aber keine Männer. Ich sehe sie und grüße sie. Ich sehe sie und denke an meine Tochter, die in ihrem Alter ist und auch für eine gerechte Gesellschaft kämpft. Sie verdienen Unterstützung, nicht nur von ihren Familien, sondern von allen. Ich spreche hier nicht nur für mich selbst, sondern für viele PalästinenserInnen, die nicht kommen und Euch Unterstützung zusagen können, weil die Vorschriften der Besatzungspolitik ihnen die Bewegungsfreiheit nimmt. Wir sind stolz auf diese jungen mutigen Frauen, die für unsere Rechte und für Gerechtigkeit und Freiheit streiten. Danke, von uns allen!“ Dann ergänzte er mit einem Schmunzeln: „Wir treffen uns wieder in Freiheit. Freiheit für alle!“

Adam Keller: Women and the army. 11. März 2017. Übersetzung: rf. www.adam-keller2.blogspot.de. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe April 2017.

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