Agustín Aguayo

Agustín Aguayo

US-Verweigerer stellt sich nach über drei Wochen

Kriegsdienstverweigerer Agustín Aguayo kehrte aus Deutschland

von Connection e.V., MCN, AVA - Military Project u.a.

Pressemittteilung vom 25. September 2006

Agustín Aguayo droht eine bis zu fünfjährige Haftstrafe, weil er sich weigerte, sich in den Irak verlegen zu lassen. Falls das zivile Bundesgericht in Washington DC jedoch zu seinen Gunsten entscheidet, könnte er ohne Haftstrafe ehrenhaft aus der Armee entlassen werden.

Der 34-jährige US-Soldat Agustín Aguayo wird sich morgen Nachmittag in Fort Irwin in Barstow, Kalifornien, der Armee stellen, berichtet seine Frau Helga Aguayo. Der Kriegsdienstverweigerer hatte am 2. September 2006 in Deutschland die US-Armee unerlaubt verlassen, als die Armee ihn mit Gewalt zum Einsatz in den Irak verlegen wollte.

Aguayo gehört der wachsenden Zahl von US-Soldaten an, die sich aus moralischen, ethischen oder religiösen Gründen weigern am Irakkrieg teilzunehmen und vom Militär strafrechtlich verfolgt werden. "Agustín Aguayo ist ein religiöser Kriegsdienstverweigerer. Sein Antrag auf eine ehrenhafte Entlassung wegen Kriegsdienstverweigerung war berechtigt, wurde aber zu Unrecht abgelehnt", sagt einer seiner Anwälte, Peter Goldberger.

Agustín Aguayo ist der erste, der in Deutschland öffentlich seine Verlegung in den Irak verweigerte. In Deutschland sind 67.000 US-SoldatInnen für Logistik und den Einsatz in den Kriegen der USA im Nahen Osten stationiert. Aguayo ist auch der erste Soldat, dem eine zwangsweise Verlegung ins Kriegsgebiet angedroht wurde, auch in Handschellen.

Aber Aguayo könnte es besser ergehen als anderen US-KriegsgegnerInnen bisher. Wenn er sich morgen stellt und sich einem Militärgerichtsverfahren gegenüber sieht, weil er seiner zweiten Verlegung in den Irak nicht nachkam, werden seine Anwälte, Peter Goldberger und James H. Feldman Jr. aus Ardmore Pennsylvania, James Klimaski von Washington DC und das Zentrum für Gewissen und Krieg aus Washington, Unterlagen in seinem Berufungsverfahren gegen die Armee vorlegen, die zu Unrecht seinen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung abgelehnt hat.

Aguayo stellte seinen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung und Entlassung aus dem Militärdienst zu Beginn seines einjährigen Kriegseinsatzes im Irak im Februar 2004. Er war damals als Sanitäter der 1. Infanteriedivision eingesetzt. Sowohl der Militärgeistliche, wie auch der Psychologe, die ihn befragt hatten, fanden ihn glaubwürdig und empfahlen die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Während seines einjährigen Einsatzes weigerte sich Aguayo, sein Gewehr zu laden.

Aufgrund einer Empfehlung von höherrangigen Offizieren, die Aguayo niemals getroffen hatten, wurde sein Antrag im August 2004 abgelehnt. Mit Unterstützung des Military Counseling Network in Bammental, Deutschland, (ein Projekt des Mennonitischen Friedenskomitees) und dem American Voices Abroad Military Project (ein Netzwerk von US-Friedensaktivisten, die in Europa und dem Nahen Osten leben), konnte Aguayo die notwendigen finanziellen Mittel aufbringen, um ein Widerspruchsverfahren gegen die Armee einzuleiten. Am 24. August 2006 entschied der Bezirksrichter Royce Lamberth zugunsten der Armee. Aguayo legte am 25. August Berufung ein. Ein Eilantrag von Anwälten der Regierung, Aguayos Berufungsantrag nicht zuzulassen, wurde am 30. August von der Kammer von drei Richtern abgelehnt. Am 21. November 2006 wird das mündliche Verfahren in Washington beginnen.

Das für das Widerspruchsverfahren zuständige US-Bezirksgericht in Washington DC entscheidet über alle Verfahren von Militärangehörigen, die im Ausland stationiert sind. Berufungen gegen Entscheidungen dieses Gerichtes werden vor dem US-Berufungsgericht des Gerichtsbezirks Columbia verhandelt. Solch ein Antrag wurde seit 1971, zur Zeit des Vietnamkrieges, nicht mehr gestellt. Wenn Aguayo obsiegt, muss die Armee ihn ehrenhaft entlassen, so seine Anwälte, auch wenn er vor dem Militärgericht wegen Handlungen angeklagt ist, die aus seiner Ablehnung des Krieges resultieren.

Aguayo ging vor dem Beginn des Irakkrieges zur US-Armee. Ihm war von einem Anwerber des Militärs versprochen worden, dass das Darlehen eines Kollegen übernommen werde, er eine medizinische Ausbildung erhalte und nicht der kämpfenden Truppe angehören würde.

Im August diesen Jahres erzählte Aguayo dem Gericht in DC, dass er sich aus Gewissensgründen nicht noch einmal in den Irak verlegen lassen würde: "Indem ich unzähligen SoldatInnen half, die sich krank meldeten oder Soldaten auf ihren Patrouillen fuhr, half ich ihnen, sich körperlich besser zu fühlen und fähig zu sein, nach draußen zu gehen und zu tun, was ich entschieden ablehne: zu töten. Ich kann diese Belastung meines Gewissens nicht ertragen. Deshalb werde ich dieses Mal der Verlegung zum Militäreinsatz nicht nachkommen."

Dennoch erhielt er den Befehl, sich ein zweites Mal in den Irak verlegen zu lassen. Nach der Ablehnung seines Kriegsdienstverweigerungsantrages nutzte die Armee sogar eine Anordnung des Präsidenten, um den Vier-Jahres-Vertrag von Aguayo gegen seinen Willen einseitig zu verlängern (stopp-loss-order). Er hätte im Januar entlassen werden sollen, aber die Armee ordnete an, dass er mindestens bis September 2007 im Irak bleiben müsse.

Aguayo versäumte die Verlegung seiner Einheit am 1. September 2006. Am nächsten Morgen um 8.30 Uhr ging er selbst zu den US-Feldjägern in Schweinfurt, bereit, wegen seines Gewissens angeklagt, verurteilt und inhaftiert zu werden. Ein deutscher Anwalt, Christian Rieker aus Frankfurt, sollte ihn vor dem Militärgericht vertreten.

Aber der Kommandeur der in Schweinfurt verbliebenen Nachhut der 1. Infanteriedivision bestand darauf, Aguayo zwangsweise in den Irak zu verlegen, wenn nötig in Handschellen. Am Mittag des 2. September warteten zwei Wachtmeister der US-Armee im Wohnzimmer von Aguayo darauf, dass er seine Uniform und Ausrüstung hole. Da sprang Aguayo aus dem rückwärtigen Fenster des Schlafzimmers, entfloh und versteckte sich seitdem. Er suchte eine günstige Zeit und den richtigen Ort, um sich zu stellen und die Konsequenzen auf sich zu nehmen, die aus seiner Gewissensentscheidung resultieren. Er ist zwischenzeitlich in die USA zurückgekehrt, wo er sich stellen wird.

Die Armee hat die Zahlungen von Lohn und Versicherung an Aguayo und seine Familie eingestellt, so seine Frau Helga. Am 16. August kehrte sie nach Los Angeles zurück, wo ihre und seine Familie leben. Ihre beiden elfjährigen Töchter wurden in Los Angeles eingeschult.

Die Augenzeugin Helga Aguayo berichtet

(2. September 2006) Nachdem sich ihr Mann der Militärpolizei in Schweinfurt gestellt hatte: "Um 9:45 Uhr bekam ich einen Anruf von Augie, dass er im Hauptquartier seiner Einheit festgehalten wird. Er erzählte mir, sie bringen ihn nach Hause, um seine Uniform und seine Ausrüstung für den Irak zu holen. Er weigerte sich, seine Ausrüstung zu nehmen, aber der Sergeant, der ihn eskortierte, sagte ihm, er bräuchte das nicht. Er befahl Augie, seine Uniform anzulegen und griff seine Zahnbürste, ein Kissen und eine Decke. Augie weigerte sich. Ich dachte, vielleicht ist es vorbei, aber nach einer kurzen Weile kamen zwei Sergeanten in unsere Wohnung und zwangen Augie, seine Ausrüstung zu holen. Er ging nach hinten und sprang aus dem Fenster. Eine meiner Töchter lief vorne auf Skates, und ein Sergeant jagte sie und forderte sie auf zu sagen, wo er ist. Sie war verängstigt und lief weg. Sie pochten an Türen, durchsuchten das Haus dreimal und filzten alle meine persönlichen Sachen. Und dann kam der Nachhut-Kommandant und der Sergeant 1. Klasse und sie gingen so weit, zu sagen, dass er in das Flugzeug käme, und sei es in Handschellen. Sie versuchten mich mit Worten einzuschüchtern und waren sehr rüde."

American Voices Abroad (AVA) Military Project, Guerrero Azteca Peace Project, Military Counseling Network (MCN), Connection e.V., Center for Conscience & War: Pressemittteilung vom 25. September 2006

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