Südkorea: Stellungnahme an das UN-Menschenrechtskommissariat

Zur Lage der Kriegsdienstverweigerer

von World Without War

(Februar 2017) 1. Aktuelle Entwicklungen zur Kriegsdienstverweigerung in Südkorea

Im Januar 2017 waren mindestens 408 Personen wegen ihrer Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen inhaftiert. Während die meisten Kriegsdienstverweigerer den Zeugen Jehovas angehören, gibt es zumindest drei, die die Kriegsdienstverweigerung aus pazifistischen Gründen erklärt haben. Vor dem südkoreanischen Verfassungsgericht ist eine Klage anhängig zu Artikel 88 Abs. 1 Unterabsatz 1 des Militärdienstgesetzes, in dem die Strafandrohungen bei Militärdienstentziehung ohne Möglichkeit der Ausnahmen bei Kriegsdienstverweigerung ausgeführt werden. 2011, als Klage in gleicher Sache eingelegt worden war, entschied das Verfassungsgericht, dass die Regelung verfassungskonform sei. Dennoch haben nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtes verschiedene Bezirksgerichte weiterhin die Verfassungsmäßigkeit der Regelung in Frage gestellt, so dass dies erneut dem Verfassungsgericht vorliegt. Aufgrund der anhängenden Klage wurden viele Verfahren von Kriegsdienstverweigerern zurückgestellt. Wenn in Betracht gezogen wird, dass jährlich durchschnittlich 600 Kriegsdienstverweigerer ins Gefängnis geschickt werden, ist davon auszugehen, dass die Zahl der inhaftierten Verweigerer ansteigen wird, wenn das Verfassungsgericht die Regelung des Militärdienstgesetzes erneut als verfassungskonform einstuft.

In der Zwischenzeit stieg die Zahl der Freisprüche von angeklagten Verweigerern signifikant an. Seit 2015 wurden insgesamt 17 Verweigerer freigesprochen. Im Oktober 2016 hat das Berufungsgericht des Bezirks Gwangju einen Kriegsdienstverweigerer freigesprochen und damit zum ersten Mal eine Verurteilung aufgehoben. Dieser Trend zeigt eine bedeutsame Sinnesänderung bei den Gerichten, eine progressivere Haltung bei den Richtern. Bislang werden Verweigerer zu genau 18 Monaten Haft verurteilt, was der Mindeststrafe entspricht, um weitere Einberufungen auszuschließen. Die aktuelle Gesetzgebung sieht dabei Bestrafung für jeden vor, der der Einberufung nicht ohne gerechtfertigte Gründe folgt. Diese Richter sehen die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen als gerechtfertigt an solange es keinen alternativen Dienst gibt. Dennoch hat sich die Position der Regierung zur Frage eines alternativen Dienstes bislang nicht geändert.

2. Position der südkoreanischen Regierung

Die Regierung weigert sich, ein System des alternativen Dienstes für Kriegsdienstverweigerer einzuführen mit Verweis auf Sicherheitsbedenken aufgrund der militärischen Spannungen zwischen Nord- und Südkorea und aufgrund eines fehlenden gesellschaftlichen Konsens‘ in dieser Frage. Bezüglich der Sicherheitsbedenken der Regierung hat das UN-Menschenrechtskomitee wiederholt betont, dass der Staat es versäumt habe, aufzuzeigen, welche besonderen Nachteile aus der Einführung eines alternativen Dienstes erwachsen würden.

Ergänzend dazu sei darauf hingewiesen, dass Südkorea bereits ein System eines alternativen Dienstes für den sozialen Bereich kennt, in dem zum Beispiel Wehrpflichtige Dienst in der Feuerwehr leisten. Für Kriegsdienstverweigerer kommt jedoch diese Art des Dienstes nicht in Frage, weil er ein vierwöchiges militärisches Training beinhaltet.

Bezüglich der Frage des gesellschaftlichen Konsens‘ erklärt die Regierung, dass nach den Umfragen 53,8% der Bevölkerung die Einführung eines alternativen Dienstes ablehnen und daher „kaum daran zu denken sei, einen alternativen Dienst einzuführen“. Eine kürzlich von Gallup Korea im Auftrag von Amnesty International Korea durchgeführte Umfrage zeigt hingegen, dass sich 70% der Befragten für die Einführung eines alternativen Dienstes aussprechen.

3. Wesentliche Probleme

Aufgrund der Änderung des Militärdienstgesetzes im Jahr 2014 veröffentlichte die Militärverwaltung am 20. Dezember 2016 erstmals Namen, Alter und Adressen von 237 „Militärdienstentziehern“. Unter diesen 237 Personen sind mindestens 160, die den Zeugen Jehovas angehören. Dies zeigt klar, dass das neue Vorgehen keinen Effekt hat, um eine Militärdienstentziehung zu verhindern, sondern vielmehr die Menschenrechte der Kriegsdienstverweigerer verletzt. Es widerspricht zudem den 2015 vom UN-Menschenrechtskomitee ausgesprochenen Empfehlungen.

Die wiederholte Bestrafung von Kriegsdienstverweigerern, die für den Reservedienst einberufen wurden, ist eine weitere bedeutsame Herausforderung. Im Januar 2017 waren etwa 80 Kriegsdienstverweigerer, unter ihnen drei, die nicht den Zeugen Jehovas angehören, Verfahren ausgesetzt, weil sie sich weigerten, der Reservedienstpflicht nachzukommen. Die Strafverfolgung dieser Kriegsdienstverweigerer wiegt in gewisser Weise schwerer, da sie wiederholt wegen der gleichen Handlung der Verweigerung bestraft werden. In acht Jahren der Reservedienstpflicht erhalten sie unzählige Vorladungen zu Verhören und Verfahren, die mit Geldstrafen oder Inhaftierung enden.

World Without War: Submission to UN OHCHR for Report on Conscientious Objection. Februar 2017. Übersetzung: rf. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Juni 2017

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