Kriegsdienstverweigerer und Friedensaktivisten treffen sich auf Zypern
(10.11.2017) Die Generalversammlung des Europäischen Büros für Kriegsdienstverweigerung (EBCO) fand am 4. November 2017 im Cyprus Community Media Centre (CCMC) in der UN-Pufferzone zwischen den beiden Teilen von Nikosia statt, der letzten in Europa geteilten Hauptstadt.
„Wir haben diesen Ort gewählt um Frieden und Versöhnung einzufordern sowie die Demilitarisierung der Insel und die vollständige Anerkennung der Menschenrechte. Das schließt auch das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ein. Kriegsdienstverweigerer symbolisieren die Pufferzone für den Frieden“, so der Präsident von EBCO, Friedhelm Schneider.
Am Tag zuvor führte EBCO im Haus der Kooperation, das auch in der Pufferzone liegt, eine Pressekonferenz mit anschließender öffentlicher Diskussion durch. EBCO dankt der Zyprischen Organisation für Tourismus für deren finanzielle Unterstützung für diese Veranstaltungen.
Derek Brett, Herausgeber des EBCO-Jahresberichtes zur Kriegsdienstverweigerung in Europa 2017, stellte die zentralen Aussagen des Berichtes vor und erklärte, dass „die Bemühungen, eine Anerkennung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung zu erreichen, in Europa Rückschläge erlitten haben“. Die Situation und das Klima habe sich in einigen Ländern deutlich verschlechtert, wie z.B. in der Ukraine und Litauen, wo die Wehrpflicht wieder eingeführt wurde. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht werde auch in verschiedenen anderen Ländern diskutiert, auch wenn es sich manchmal, wie im Falle von Kroatien oder Schweden, nur auf eine kurze militärische Grundausbildungszeit für eine relativ kleine Zahl von Freiwilligen beliefe. In Russland seien die Zeugen Jehovas, die bis jetzt die Mehrheit derjenigen stellen, die zur Ableistung eines alternativen Dienstes zugelassen wurden, als Untergrundorganisation verboten worden. Tatsächlich würden die Menschen, die jede Gewalt ablehnen, manchmal „Terroristen“ genannt. Es gebe zwar weiter einen alternativen zivilen Dienst, es sei aber ein stark eingeschränktes Programm. Und in der Schweiz würden Änderungen des Zivildienstes im Parlament diskutiert, die ihn noch weniger akzeptabel machen werden. Währenddessen bleibe die Türkei eine eigene Klasse. Dort sei es keine Frage von lediglich unzureichenden Regelungen: „Die Türkei ist vielmehr das einzige Land im Europarat, dass weder die Kriegsdienstverweigerung anerkannt hat noch irgendwelche Schritte unternimmt, um die Möglichkeit eines alternativen Dienstes einzuführen.“ Der EBCO-Jahresbericht wird am 10. Dezember 2017 veröffentlicht werden.
Martina Lanza, Delegierte von EBCO im European Youth Forum, erklärte: „Jugendliche in ganz Europa sollten gegen Wehrpflicht zusammenstehen und von ihren Regierungen verlangen, in Ausbildung, Forschung, Beschäftigung, Gesundheit und Kultur zu investieren, statt in Wehrpflicht und Militär“. Sie betonte, dass die Wehrpflicht weiterhin in 17 Ländern des Europarates fortbestehe: „Armenien, Aserbaidschan, Dänemark, Estland, Finnland, Georgien, Griechenland, Litauen, Moldawien, Norwegen, Österreich, der Russischen Föderation, der Schweiz, der Türkei, Ukraine, Weißrussland und Zypern. Die Wehrpflicht ist auch in einer Reihe von Territorien durch die dort de facto Herrschenden in Kraft gesetzt worden wie in Abchasien und Südossetien (Georgien), Nagorny-Karabach (Aserbaidschan), Transnistrien (Moldawien) und im Norden Zyperns.
Bezüglich Zypern wies Murat Kanatlı für die Bi-kommunale Initiative für Kriegsdienstverweigerung in Zypern auf die im Norden der Insel gemachten Entwicklungen in. Der Norden steht unter Besatzung der Türkei. Abgeordnete des Parlaments aller Fraktionen haben einen Aufruf an die selbsternannte Türkische Republik Nordzypern gerichtet, einen alternativen Dienst einzuführen und das Recht auf Kriegsdienstverweigerung anzuerkennen. Solch eine Entwicklung wäre für die Türkei unvorstellbar! Dennoch werden im Norden Zyperns Kriegsdienstverweigerer weiter verfolgt, vier Verfahren sind derzeit vor Militärgerichten anhängig. Murat Kanatlı ergänzte, auch wenn sich die Situation in der Republik Zypern besser darstelle, da es dort ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung und die Möglichkeit eines alternativen Dienstes gebe, so habe die Länge des alternativen Zivildienstes doch weiter Strafcharakter. Sie betrage 19 statt 14 Monate Militärdienst. Zudem unterliege das gesamte Prüfungsverfahren dem Militär.
Eine hervorragende Neuigkeit ist, dass die Republik Zypern im letzten Monat dem bekannten türkischen Kriegsdienstverweigerer und Menschenrechtsaktivist Halil Savda Asyl gewährt hat. Mitglieder von EBCO trafen sich am 5. November mit ihm. „Wir sind glücklich über seine Anerkennung, die die Strafverfolgung seiner Aktivitäten für Kriegsdienstverweigerung und Menschenrechte in der Türkei beendet. Europa sollte alle Flüchtlinge willkommen heißen und schützen, die bedroht und verfolgt werden, weil sie aufstehen gegen Krieg und Menschenrechtsverletzungen“, so EBCO-Präsident Friedhelm Schneider. Halil Savda war seit 2004 wiederholt verhaftet und misshandelt worden, weil er den Kriegsdienst in der Türkei verweigert und seine Unterstützung anderer Verweigerer öffentlich machte. Er schrieb Artikel, gab Interviews für verschiedene Tageszeitungen und sprach sich bei Treffen und Protestaktionen gegen den Militärdienst aus.
European Bureau for Conscientious Objection: Conscientious objectors and peace activists from around Europe in the UN buffer zone between the two parts of Nicosia, Cyprus. 10. November 2017. Übersetzung: rf. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe November 2017.
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