Menschenrechtsverein und Menschenrechtsstiftung der Türkei

Menschenrechtsverein und Menschenrechtsstiftung der Türkei

Türkei: Krieg tötet! Nein zum Krieg! Wir wollen Frieden!

Menschenrechtsverein und Menschenrechtsstiftung der Türkei zum Krieg in Afrin

von Menschenrechtsverein und Menschenrechtsstiftung der Türkei

(21.01.2018) Die Verlautbarungen der türkischen Regierung zu einer Intervention in Afrin in Syrien wurden am 20. Januar zu einem heißen Krieg. Nach den Erklärungen des Präsidenten und des Generalstabes setzten Luftangriffe gegen Afrin ein. Zudem lässt sich anhand der Pressebilder sehen, dass die Bodenoffensive auch unter Beteiligung der Freien Syrischen Armee (FSA) stattfindet, die aus nicht näher bestimmten paramilitärischen Einheiten besteht, die über die Türkei auf syrisches Gebiet gebracht wurden.

In früheren Erklärungen hatten wir die Regierung bereits davor gewarnt, zu solch einem heißen Krieg auszurücken.

Obwohl versucht wird, einige offensichtliche Fakten über den Krieg zu beschönigen, möchten wir hier grundlegende und einfache Wahrheiten wiederholen:

Krieg tötet, verstümmelt, verursacht Einwanderung, betrifft vor allem Kinder, Frauen, LGBTI+s und ist Quelle schwerer Menschenrechtsverletzungen, insbesondere von Folter. Krieg führt über Generationen zu schweren emotionalen Traumata. Krieg bedeutet ökologische Zerstörung und die Vernichtung von wirtschaftlichen Quellen.

Insbesondere möchten wir der Öffentlichkeit mitteilen, dass es in der Erklärung des Generalstabes vom 20. Januar 2018 Punkte gibt, die der demokratischen öffentlichen Meinung entgegenstehen und die gegen Recht und Legitimität verstoßen.

Damit die Türkei eine militärische Intervention in Syrien und auf irakischem Gebiet durchführen darf, das ist allgemein bekannt, ist eine Entscheidung des UN-Sicherheitsrates erforderlich. Artikel 91 der türkischen Verfassung verweist ausdrücklich darauf. Die von der Regierung erteilte Ermächtigung zur Anwendung von Gewalt reicht nicht aus, um den Einsatz zu begründen.

In der Erklärung verweist der Generalstab zwar auf die Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates zur Bekämpfung des Terrorismus. Die nun aber angeführten Organisationen, gegen die Krieg geführt wird, sind von dem UN-Sicherheitsrat nicht als Terrororganisationen benannt worden. Wie auch dem Generalstab bekannt, wurde die Daesh zur Begründung herangeführt, diese ist jedoch, wie die ganze Welt weiß, nicht in Afrin aktiv.

Unter diesen Umständen, mit dem Verweis auf Organisationen, die nicht vom UN-Sicherheitsrat ausdrücklich benannt wurden, ist ein militärischer Angriff eines Landes nach öffentlicher wie auch nach Ansicht der UN unberechtigt.

Auch müssen Bedrohungen und Angriffe aus Afrin gegen die Türkei konkret vorgebracht werden. Mit Ausnahme von Störfeuern wurde nichts dergleichen gegenüber der Öffentlichkeit erklärt. Deshalb ist die Grundlage des Artikels 51 der UN-Charta nicht gegeben.

Bemerkenswert ist zudem, dass die Begründung für die Kriegserklärung durch den Generalstab erfolgte. Parlament und Regierung sind tatsächlich nicht aktiv.

In der Erklärung des Generalstabes wird darauf hingewiesen, dass größtmögliche Vorsicht ausgeübt wird, um zivile Opfer zu vermeiden. Die Nachrichten und Bilder zeigen jedoch, dass durch den Angriff Dutzende von Zivilisten verletzt und getötet wurden, was große Besorgnis auslöst. Die Türkei ist Vertragspartei der Genfer Konventionen und sollte sich der Verantwortung bei derartigen Maßnahmen bewusst sein. Wir möchten hiermit noch einmal unsere Besorgnis zum Ausdruck bringen, dass sich die Situation in Afrin, wo Hunderttausende von Menschen leben, zu einer humanitären Katastrophe entwickeln könnte.

Wie bereits erwähnt, möchten wir feststellen, dass die für den Angriff auf Afrin notwendige Voraussetzung einer Bedrohung gegenüber der Türkei nicht konkret vorliegt. Es erweckt den Eindruck, dass die Türkei kriegstreiberische Aktionen begonnen hat, die zu schwerem Leid führen können, nur damit die politisch Verantwortlichen in der Türkei die repressive und autoritäre Regierungspolitik unter dem Ausnahmezustand fortsetzen können. Dass die Regierung die Gemeinschaften, die Verwandte in der kurdischen und alewitischen Bevölkerung in der Türkei haben und die hier mit anderen Menschen zusammenleben, als Bedrohung ansieht, verletzt Demokratie und Menschenrechte. Die Situation kann zu einer starken Polarisierung zwischen den Völkern führen, die in der Türkei in Frieden miteinander leben wollen. Das gefährdet den inneren Frieden der Türkei. Wir möchten die Regierung dazu einladen, die wahnsinnigen kriegstreiberischen Aktionen einzustellen. Wir rufen die politisch Verantwortlichen erneut dazu auf:

Wendet Euch ab von einer Politik, die auf Krieg und Konflikte in- und außerhalb des Landes basiert. Es gibt die Möglichkeit, mit allen Völkern und Glaubensgemeinschaften innerhalb von demokratischen Regeln zusammenzuleben, solange der Wille zur Lösung der bestehenden Probleme in friedlicher und demokratischer Weise gezeigt wird. Wie viele andere Beispiele in der Welt zeigen, braucht die Türkei eine echte Konfliktlösung zur Lösung der kurdischen Frage.

Mit der Wendung des Putschversuchs vom 15. Juli 2016, der erfolgreichen Niederschlagung und dem Gegenputsch und der Ausrufung des Ausnahmezustandes am 20. Juli 2016 stellte die Regierung das Land vor vollendete Tatsachen. Nun wird das Land in einen heißen Krieg hineingezogen, zur Rechtfertigung wird auf die Regierung der syrischen Landesteile verwiesen. Solange die türkische Regierung an dieser Politik festhält, das ist offensichtlich, so lange wird die Türkei im Kriegszustand regiert werden. Unter solchen Umständen gibt es eigentlich nichts mehr zu Menschenrechten und Demokratie zu sagen.

Wir fordern die Öffentlichkeit, insbesondere Menschenrechtsbewegungen und –institutionen in der Türkei und weltweit auf, diesen Krieg zu beenden, bevor er sich ausbreitet, Initiativen zu ergreifen und Maßnahmen zur Lösung dieser Probleme mit Dialog und Verhandlungen zu ergreifen.

Wir verteidigen den Frieden gegen Krieg!
Wir sagen mit Absicht Frieden!

Human Rights Association und Human Rights Foundation Turkey, Erklärung vom 21. Januar 2018. Übersetzung: rf. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Februar 2018.

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