Türkei: Gesuch zur Sicherstellung der Sicherheit des Verweigerers Bal
(10.06.2008) An die Menschenrechtskommission der Nationalversammlung der Türkei
An das Verteidigungsministerium
(10. Juni 2008) Gesuch zur Sicherstellung der Sicherheit des Kriegsdienstverweigerers Mehmet Bal, der Gewalt und ernsthaften Drohungen im Militärgefängnis Hasdal ausgesetzt ist sowie Bitte, die notwendigen Untersuchungen einzuleiten, um die Täter zu ermitteln und zu bestrafen
Wir, Anwälte des Menschenrechtsvereins, denen im Rahmen des Programms zum Kampf gegen Gewalt für den Kriegsdienstverweigerer Mehmet Bal die anwaltliche Vertretung übertragen wurde, hatten am 10. Juni 2008 um 15.00 Uhr die Möglichkeit, unseren Klienten im Militärkrankenhaus Gümüssuyu treffen. Bal wurde am 8. Juni 2008 um 8.30 Uhr festgenommen, da er ein Deserteur sei.
Wir stellten in unserem Treffen mit Mehmet Bal fest, dass er schwerer Folter und schweren Schlägen im Militärgefängnis Hasdal ausgesetzt war, in dem er sich etwa 24 Stunden lang befand.
Mehmet Bal war zunächst schweren Schlägen in der Gendarmeriestation Besiktas ausgesetzt, wo er nach seiner Verhaftung bis zum Montagmorgen, dem 9. Juni, festgehalten wurde. Wir haben mit einer Pressekonferenz, die heute Morgen in unserem Verein stattfand, bereits die Öffentlichkeit darüber informiert.
Leider bestätigt das heutige Treffen mit unserem Klienten unsere ersten Bedenken und Befürchtungen.
Unsere Bitte, unseren Klienten zu treffen, wurde zunächst von den diensthabenden Soldaten abgelehnt. Die Soldaten erlaubten uns später, ihn zu treffen, nachdem wir darauf bestanden und sie im Militärgefängnis Hasdal angerufen hatten.
Unser Klient, der Kriegsdienstverweigerer Mehmet Bal, lag unbeweglich auf einer Liege in der Unfallstation des Militärgefängnisses Gümüssuyu. Er erzählte uns, dass er von anderen Gefangenen der Zelle im Militärgefängnis Hasdal körperlich angegriffen worden sein, im Einverständnis mit den und infolge der Aufwiegelung durch die diensthabenden Offiziere.
Mehmet Bal berichtete uns weiter, dass er durch einen untergeordneten Offizier zur Zelle begleitet worden sei, der nach dem Gefängnisdirektor sehr wahrscheinlich den nächsthöheren Rang im Gefängnis bekleidet. Der untergeordnete Offizier instruierte die anderen Gefangenen, zu "tun was notwendig ist. Ihr wisst, was Ihr zu tun habt. Erinnert ihn an die Gefängnisregeln." Er sagte, dass er daraufhin sofort von den anderen Gefangenen angegriffen worden sei, während sie ihn ausfragten, warum er keine Uniform trage und er sich weigere Soldat zu sein.
Mehmet Bal sagte uns, dass unter den 20 Insassen 5-6 Personen besonders brutal gewesen seien, die er identifizieren könne. Er ergänzte, dass er mit einem 35-40 cm langem Scheit geschlagen, sowie getreten und unter kaltes Wasser gehalten worden sei, bis er halb bewusstlos war.
Mehmet Bal berichtete uns weiter, dass er sowohl sein rechtes Bein, wie auch seine rechte Taille und Nacken nicht bewegen könne. Er spüre Zuckungen in diesen Bereichen und habe heftige Schmerzen in seinem Kreuz, das sich wie gebrochen anfühle. Er berichtete auch über Verletzungen und Schmerzen in seinem Rücken.
Während wir ihn nicht im Detail untersuchen konnten, um ihn nicht weiter zu verletzen, konnten wir klar offensichtliche Prellungen, Stöße und Kratzer auf seinem nicht abgedeckten Körperteilen sehen: Nacken, Gesicht und Hände.
Mehmet Bal erzählte uns des weiteren, dass er schwere Schläge in den Nacken erhalten habe und dass die linke Seite seines Nackens geschwollen sei und schmerze. Er sagte uns, dass er Hörprobleme auf beiden Ohren habe, es aber während unseres Gespräches teilweise besser geworden sei. Seine Augen seien feucht und juckten und er habe Sehschwierigkeiten am Tag zuvor gehabt, die besser geworden seien.
Der Kriegsdienstverweigerer Mehmet Bal erklärte, dass sein Leben im Gefängnis nicht sicher sei und dass er keinen Groll gegen die inhaftierten Soldaten hege, die ihn geschlagen hätten. Sie wären angestachelt worden, seien aber nicht die Verantwortlichen. Er informierte uns darüber, dass er einen Hungerstreik begonnen habe, um gegen die Gefängnisverwaltung zu protestieren, die die Insassen gegen ihn aufgehetzt und sein Haar schneiden ließ.
Mehmet Bal bat um Hilfe gegen weitere von der Gefängnisverwaltung angestachelte Angriffe, wenn er ins Gefängnis zurückgeschickt werden sollte.
Mehmet Bal hatte als Protest zunächst die Behandlung durch Militärärzte verweigert, beendete seine Weigerung aber und akzeptiert nun die Behandlung. Wir sprachen mit den Militärärzten, die uns versicherten, dass sie ihn behandeln werden, wenn er das akzeptiere. Ihre Haltung schien uns aufrichtig zu sein.
Wir hoffen, nach der medizinischen Untersuchung endgültige Informationen über den Gesundheitszustand unseres Klienten zu erhalten.
Unsere Eindrücke und Schlussfolgerungen: Wir sind davon überzeugt, dass die Sicherheit unseres Klienten im Gefängnis nicht garantiert ist, dass es das Risiko von körperlicher Behinderung gibt, dass er aufgrund der körperlichen Angriffe unter schweren Schmerzen leidet, dass er besorgt ist, weiteren Angriffen ausgesetzt zu sein und dass diese Besorgnis berechtigt ist.
Wir protestieren gegen die unmenschlichen Angriffe, die im Einverständnis und unter Aufwiegelung durch die diensthabenden Offiziere des Militärgefängnisses Hasdal ausgeführt wurden. Wir fordern, dass Mehmet Bal vor weiteren wahrscheinlichen körperlichen und seelischen Angriffen geschützt wird und dass eine Untersuchung gegen die verantwortlichen Täter eingeleitet wird. Wir bitten ihre Kommission darum, diesen Fall dem Parlament zur Kenntnis zur bringen.
Aktuell: Wir wurden gerade darüber informiert, dass Mehmet Bal noch am selben Tag, dem Abend des 10. Juni 2008, wieder dem Militärgefängnis Hasdal überstellt wurde.
Petition an die Menschenrechtskommission der Nationalversammlung und das Verteidigungsministerium der Türkei. 10. Juni 2008. Auszüge. Übersetzung aus dem Englischen: Rudi Friedrich und Thomas Stiefel. Der Beitrag erschien in: Connection e.V. und AG "KDV im Krieg" (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Juli 2008.
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