USA: Krieg und Rassismus

Bericht über die Anhörung "Winter Soldier", März 2008

von Anton Black

(August 2008) Anton Black berichtet in einem Artikel für Storm Warning über die Anhörung Winter Soldier, die im März diesen Jahres in Maryland, USA, stattfand. Soldaten und Soldatinnen der US-Armee berichteten dort, was sie selbst in den Kriegen in Irak und Afghanistan gesehen hatten. Iraq Veterans Against the War (Irakveteranen gegen den Krieg) und andere Organisationen hatten die Veranstaltung organisiert. (d. Red.)

Ich war insbesondere davon beeindruckt, wie gut die verschiedenen Aussagen in den Arbeitsgruppen „Gefechtsregeln“ und „Rassismus und Krieg: die Entmenschlichung des Feindes“ die Zusammenhänge herstellten. Viele Aussagen beschäftigten sich mit dem Rassismus gegenüber der von der Besatzung betroffenen Bevölkerung und den Gefechtsregeln im Kampf. Darüber hinaus konnten wir viel hören zur Behandlung der Iraker unterhalb tödlicher Gewalt, über die Haltung der Soldaten, ihre Sprache und die Ausbildung im Militär.

Ausbildung

Camilo Mejia bestätigte, dass die Entmenschlichung nicht erst im Irak beginnt. Sie ist Teil der militärischen Kultur. Im Militär werden Dinge, die in einer „freundlichen“ Gesellschaft als unzulässig gelten und abzulehnen sind, zur Norm.

Als Michael Prysner im Juni 2001 in die Armee eintrat, wurde ihm gesagt, dass es dort keinen Rassismus mehr gäbe. Nach dem 11. September wurden eine ganze Reihe von rassistischen Begriffen zum normalen Wortschatz der Vorgesetzten, wie „Handtuchkopf“, „Kameltreiber“ oder „Sandnigger“. Im Jahre 2003 wurden im Irak alle als „Hajji“ bezeichnet. Prysner fuhr fort, zu erläutern, dass „Hadschi“ das arabische Wort für höchste Ehrerbietung ist, für Pilger nach Mekka. Er betonte, dass die Geschichte nicht mit uns begann. Er stellte einen Zusammenhang her zwischen dem Rassismus gegenüber den Ureinwohnern Amerikas, Afroamerikaner und Menschen aus Vietnam in der Geschichte der USA. Viele Veteranen sprachen davon, dass „Hadschi“ als rassistischer Begriff benutzt wurde, auch von Generälen.

Mike Todd sagte aus, dass die vorbereitende Schulung über die irakische Kultur, die vor dem Einsatz im Irak stattfand, auch davon handelte, dass man „ihre linke Hand nicht berühren darf - sie wischen ihren Arsch mit ihr ab.“ Ein anderer Veteran schilderte, dass die Schulung aus einer PowerPoint-Präsentation über den Irak bestand und vom Militär als Show einfach nur „abgehakt“ wurde.

Im Land

Jeffrey Smith beschrieb den Alltag für irakische Arbeiter in Camp Anaconda - Jugendliche arbeiteten dort für einen Dollar am Tag. Hunderte seien in ein umzäuntes Gelände getrieben worden, wo sie von den Truppen verprügelt, mit Gewehrkolben geschlagen und bedroht wurden, damit sie Ruhe halten sollten. Ein LKW-Fahrer, der der Aufforderung nicht nachkam, anzuhalten, sei an einer „Wäscheleine aufgehängt“ und von der weiteren Arbeit im Lager ausgeschlossen worden.

Der Kriegsdienstverweigerer Sam Lynch führte in seiner Zeugenaussage aus, wie viele Ärzte aus den USA sich weigerten, inhaftierte Iraker zu behandeln. Oft hätten Sanitäter den Inhaftierten Medikamente verschrieben, weil sich die Ärzte weigerten, sie zu behandeln. Auch irakischen Arbeitern sei in dieser Einheit die Behandlung verwehrt worden.

Wenn Bryan Casler: „Guten Morgen, Sergeant“ sagte - sei die Antwort gewesen: „Töte Babys.“ Marines würden die nicht essbaren chemischen Erhitzungspakete an Kinder geben, um zu sehen, was passiere. Er sah die Zerstörung von Ruinen in Babylon durch Truppen, die eine Spritztour machten. Casler war in Fallujah im Juni 2005 stationiert. Einige Marines waren dafür bestraft worden, indem ihnen von Vorgesetzten die gesamten Akten eines Büros zur Vernichtung übergeben worden seien. Sie zerstörten so alle Geburtsurkunden der gesamten Stadt.

Jon Michael Turner zeigte ein Video, in dem Truppen den Turm einer Moschee zerschossen, einfach weil sie wütend waren.

Misshandlung von Inhaftierten

Viele Veteranen beschrieben die Misshandlungen von Inhaftierten, im Land und in Guantanamo Bay. In Al Hill wurden die Gefangenen geschlagen, beschimpft und damit geärgert, dass ihnen Essen und Wasser erst gezeigt, aber dann verweigert wurde. Marines hätten Wasser auf den Boden gekippt, wenn die Inhaftierten danach baten. Gefangenen, denen die Augen verbunden worden und die mit Plastikbändern gefesselt waren, wurde von den Marines ein Bein gestellt. In einer Woche, in der Matt S. Wachdienst über drei Gefangene hatte, sah er sie niemals schlafen oder essen.

Chris Arendt war Wächter in einem Lager in Gitmo. Er wurde aus dem Wachdienst abkommandiert, weil er mit Gefangenen sprach und ihren Geschichten zuhörte. Stattdessen wurde er zur Koordination von Gefangenentransporten eingeteilt. Er sprach von Folter - Gefangene wurden die ganze Nacht lang bei ohrenbetäubender Musik in der Kälte stehen gelassen. Er sagte aus, es habe eine „Einheit für den unmittelbaren Einsatz“ gegeben - eine Gruppe von fünf Mann mit Ausrüstung zur Aufstandsbekämpfung einschließlich Pfefferspray. Sie waren in ständiger Bereitschaft und wurden oft eingesetzt. Ein übliches Vorgehen nach dem „Standard-Verfahren“ gegen die Gefangenen war es, gemeinsam von außen Pfefferspray in die Zellen zu sprühen und sich dann auf sie zu stürzen. Der „Verfahrensstandard“ habe zwar nicht vorgesehen, dass sie geschlagen werden sollten, genau das geschah aber. Dies wurde auch aufgenommen.

Domingo Rosas sagte, dass in der Basis „Tiger“ bei Al Khaim Gefangene in Schiffscontainer eingesperrt wurden. Sie wurden vom Schlafen abgehalten und konnten weder sitzen, noch sich niederlegen. Es wurde auf die Container geschlagen, um sie wach zu halten und unter Stress zu setzen. Ihm wurde gesagt, dass er einen ehemaligen irakischen General gut behandeln solle, der gefangen genommen worden war. Der General wurde weggebracht und starb während des Verhörs. Dann wurde der 14-jährige Sohn des Generals gebracht, um die Leiche zu identifizieren. Domingo sagt: „Wie schwer muss ein Verhör sein, dass es zum Tod führt?“ Das Gefängnis wurde dann von der OGA, einer privaten Organisation, übernommen. Sie ließen eine hohe Mauer drum herum bauen, damit niemand mehr hineinsehen konnte. Einmal gelang es Domingo, durch die Tür einen Blick zu erhaschen. Er sah einen Gefangenen, der im Matsch lag, mit Wasser auf dem Gesicht und einen anderen, der auf seinem Kopf eine Tasche mit einem schweren Stein drin trug. Er kann und will diesen Anblick nicht vergessen. Er sah einen moralischen Verfall, angefangen von oben bis nach unten in der Befehlskette. Gen Miller gab die „Genehmigung, alle ‘anti-demokratischen’ Kräfte zu töten oder gefangen zu nehmen“. Gefangene, die aus dem Gefängnis in der Nähe von Al Khaim entlassen wurden, wurden in die Wüste gebracht, gestoßen und geschlagen und aus dem hinteren Teil der Humvees herausgeworfen.

Tödliche Gewalt

Hart Viges bezeugte, dass den Truppen bei der Anfangsoffensive über Funk befohlen worden war, auf alle Taxis zu schießen.

Jason Washburn berichtete von Befehlen, die auch in der Besatzungszeit Taxis zu Zielen erklärten.

Garett Reppenhagen und Jeffrey Smith bezeugten verschiedene Vorkommnisse, bei denen Bauern nach der Ausgangssperre auf ihren Feldern getötet worden waren. Sie hatten wegen der nur zeitweise funktionierenden Elektrizität nachts gearbeitet.

Jason Lemieux, der einschließlich des Einmarsches drei Mal im Irak war, erklärte, dass es das strategische Ziel der „Gefechtsregeln“ sei, die Einsätze des Militärs zu legitimieren. Im Irak würde damit das Leben der US-SoldatInnen auf Kosten der Iraker geschützt. Während des Einmarsches wurden die „Gefechtsregeln“ locker gehandhabt. In Kuwait wurde den Truppen die Regeln der Genfer Konvention beigebracht. In Bagdad wurde es jedoch zur Regel auf jeden zu schießen, der zu nahe kam und sich nicht schnell genug entfernte, wenn er dazu aufgefordert wurde. Als Auftrag wurde ausgegeben, „die zu töten, die getötet werden müssen, und die zu retten, die gerettet werden müssen.“ Bei den „Gefechtsregeln“ bildete sich die Praxis heraus, „auf die zu schießen, bei denen man feindliche Absichten spürte.“ Ihnen wurde gesagt, zu schießen, wenn sie sich bedroht fühlten. Die Vorgesetzten würden sie schon in Schutz nehmen.

Als bei einem Anschlag der beste Freund eines Marines getötet wurde, habe dieser begonnen, auf Autos zu schießen, die ganz sicher nichts mit der Sache zu tun hatten.

Clifton Hicks und Steven Casey bezeugten, dass Einheiten während der Operation „Blackjack“ in Fallujah gesagt worden war, dass das Gebiet als freie Feuerzone gelte - da es dort keine Befreundeten gäbe. Schätzungsweise sieben- oder achthundert „Feinde“ wurden getötet, die meisten von ihnen Zivilisten. Nachdem jemand auf Leutnant Col Williams geschossen hatte, sagte er CBS, dass sie „eine Nachricht zurücksenden würden. Wir werden Euch finden und operativ entfernen.“ Am nächsten Tag flog ein Hubschrauber AC 130 fortgesetzt Angriffe auf Gebäude, während Soldaten auf die Dächer stiegen, um die Show zu sehen. Bei einer anderen Situation, nachdem Einheiten einen Zivilisten überfuhren, wurde diese Person für tot erklärt, weil sie zu müde waren, sich um ihn zu kümmern. Der Hauptmann befahl, das nicht weiterzuerzählen.

Als die Einheit von Steven Mortillo in Gefechte verwickelt wurde und es Verletzte gab, begannen verärgerte Soldaten „den Auftrag aus dem Auge zu verlieren“ und „töteten aus Rache Iraker“.

Adam Kokesh bezeugte, dass sie die „Gefechtsregeln“ öfter als die Unterwäsche wechselten. Er sagte, es sei kriminell, solch patriotische Amerikaner in Situationen zu bringen, wo ihre Moral in Konflikt mit ihrem Überleben stehen. Das Militär hat männliche Bewohner über 14 Jahre erst nach Fallujah zurückgebracht und dann die Stadt angegriffen. Marines feuerten auf irakische Polizisten und Feuerwehrmänner, die ein Feuer löschten, das ein AC130 Hubschrauber versehentlich ausgelöst hatte.

Viele Zeugenaussagen bestätigten, dass die beschriebenen Vorkommnisse keine Einzelfälle waren.

Jon Michael Turner zeigte ein Video seines Vorgesetzten, in dem dieser sagte: „Ich denke, ich habe gerade die halbe Bevölkerung (des nördlichen Ramadi) getötet - Scheiß drauf.“

In verschiedenen Zeugenaussagen wurde bestätigt, dass Waffen bei Zivilisten abgelegt wurden, wenn diese getötet worden seien - eine schnelle Art, sie zu „Terroristen“ erklären zu können.

Missachtung der Toten

Jon Michael Turner zeigte ein Bild, das Teile des Gesichtes eines irakischen Mannes zeigte, dass für das Foto oben auf einem Helm platziert worden war.

Vincent Emmanuelle bezeugte, dass es üblich war, über Leichen zu fahren und Fotos mit den Leichen zu machen. Eine Person wurde auf einem Feld erschossen. Sein Körper wurde zwei Wochen lang dort liegengelassen. Ein Bild davon wurde als Bildschirmschoner benutzt.

Jeffrey Smith bestätigte, dass während seines Wachdienstes ein Humvee ankam, der einen blauen Pickup abschleppte. Dieser war nach einen Angriff auf einen US-Konvoi voller Schusslöcher und voll mit toten Körpern. Ein Soldat stand auf der Ladefläche, hob einen abgeschlagenen Kopf hoch und rief „Wir haben wirklich Scheiße gebaut, oder?“

Hauptmann Christopher Shaun Goldsmith berichtete, dass ihm aufgetragen worden sei, Fotos von einem toten Iraker zu machen, um dem als Trophäe zu dienen, der ihm diesen Befehl per Funk erteilt hatte.

Verantwortung der Befehlshabenden - Besatzung ist ein Verbrechen

Muhammed Amer, ein irakischer Sprecher aus dem Video „Lebend aus Bagdad“ beschrieb, wie die US-Truppen wahllos schlugen und schossen und auf eine Person schossen, die sie angeschrieen hatte. Er sagte an die Antikriegsorganisationen der USA gerichtet: „Wenn ihr die Besatzung beenden könnt, werde ich glücklich sein - oder wenn ihr einfach vor schlimmen Aktionen abschrecken könnt.“ Er sagte, dass dies ein Verhalten von verschiedenen Truppenteilen der USA Armee an unterschiedlichen Orten über mehrere Jahre sei. Das sei kein Fehler der Führung - es ist eine Konsequenz der Natur von Besatzung. Die Kommandeure geben den Truppen die Mittel an die Hand, um sich zu verteidigen. Das Problem ist die Besatzung.

Michael LaDuc sagte aus, wie vor der Operation „Ungestümer Geist“ in Fallujah das Bataillon von dem Militäranwalt darüber informiert wurde, dass die „Gefechtsregeln“ geändert worden seien. Neu sei gewesen, dass alle Iraker in diesem Gebiet als Feinde gegolten hätten. Das Beschießen eines Gebietes oder vermuteter feindlicher Stellungen sei erlaubt gewesen. Diesem Militäranwalt wurde ein Etat von 20 Millionen US-Dollar gegeben, um Schäden zu bezahlen. Das Geld wurde niemals benutzt.

In vielen Zeugenaussagen wurde davon gesprochen, dass ihre eigenen Taten, oder das, was sie sahen, von Kommandeuren genehmigt worden war - und dies nicht nur vereinzelt.

Geoff Millard war bei einer Einsatzbesprechung mit einem höheren Offizier und einigen Soldaten anwesend. Es ging um einen Schusswechsel an einem Kontrollpunkt, bei dem eine vierköpfige irakische Familie getötet worden war. Oberst Rochelle wandte sich an die Soldaten und sagte: „Wenn diese verfluchten Hadschis verstünden Auto zu fahren, würde dieser Mist nicht passieren.“ Es gab keinen Widerspruch im Raum. Milliard hatte das „H-Wort“1 von vielen hohen Kommandeuren gehört, auch von General Casey. Er schloss, dass der Rassismus von ganz oben kommt.

Viele Veteranen bestätigten, dass die Besatzung nichts damit zu tun habe, warum sie zur Armee gegangen seien, dass es im Konflikt stünde mit ihrem Verständnis von den Regeln und Idealen des Militärs. Es gäbe keinen klaren Auftrag. Der Rassismus käme von ganz oben. Die „Gefechtsregeln“ würden ständig geändert.

In Ergänzung dazu gingen zivile Experten in ihren Beiträgen in die Tiefe, sowohl im Plenum zu Rassismus als auch im Plenum zu den „Zielen des weltweiten Krieges gegen Terrorismus“. Detailliert beschrieben sie die Politik, die hinter diesem Krieg steht. In überwältigender Weise bestätigte diese Analyse, durch verschiedene Herangehensweisen und Untersuchungsmodelle, die imperialistischen Wurzeln und die Natur des Krieges.

Fußnote

1. Das H-Wort wird noch in einer anderen rassistischen Art und Weise benutzt. Das bestätigten GIs und es findet sich auch auf Wikipedia. Zumindest seit dem Jahre 2000 und insbesondere während des Einmarsches in den Irak im Jahre 2003 ist der Begriff „Hadschi“ unter Angehörigen der US-Armee dokumentiert als ein Slangbegriff, mit dem alles „zivile“ im Mittleren Osten bezeichnet wird. Der so benutzte Begriff mag eher in Zusammenhang stehen mit „Hadji“ (eine Figur bei Jonny Quest), als mit dem Begriff für einen muslimischen Pilger, der bei US-Soldaten weniger damit verbunden wird. So benutzt, bezieht sich der Begriff nicht auf ein besonderes Individuum, sondern eher auf ein ganzes Kollektiv. Er beschreibt die Gemeinschaft der Muslime oder der Bevölkerung des Mittleren Ostens, der von der Bevölkerung benutzten Fahrzeuge, Wohnungen, deren Behörden wie auch der oppositionellen Kräfte.

Anton Black: War and Racism. Storm Warning! Nr. 53, Sommer 2008. Übersetzung: Rudi Friedrich und Thomas Stiefel. Der Beitrag erschien in: Connection e.V. und AG "KDV im Krieg" (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, November 2008.

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