Nordzpyern: „Wir haben einen Traum“
Interview mit Halil Karapaşaoğlu
Der aus dem Norden Zyperns stammende Halil Karapaşaoğlu hatte mehrmals den Reservedienst verweigert und war deshalb Anfang 2019 zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Da er sie nicht zahlte, wurde er ins Gefängnis gebracht. Nach drei Tagen ordnete das Berufungsgericht an, ihn freizulassen, da zwischenzeitlich von der Regierung in Nordzypern ein Gesetzentwurf zur Kriegsdienstverweigerung vorgelegt wurde. Wir hatten Gelegenheit, Anfang Februar mit Halil Karapaşaoğlu zu sprechen. (d. Red.)
Wie ist der aktuelle Stand Deiner Verfahren?
Wie Du weißt, war ich drei Tage im Gefängnis wegen dieser viermaligen Verweigerung. Sie verurteilten mich zwar zu einer Geldstrafe, aber niemand von uns Verweigerern ist bereit, diese zu zahlen. Wir sehen unsere Kriegsdienstverweigerung nicht als Straftat an. Deswegen hatten sie mich dann ins Gefängnis gesteckt. Gegen das Urteil hat mein Anwalt Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht.
Noch immer ist ein weiterer Fall anhängig, weil ich 2018 nicht zum Reservedienst ging. Bislang habe ich dazu keinen Gerichtstermin erhalten.
Wie bist Du im Gefängnis behandelt worden?
Die meisten Leute im Gefängnis gehören der Arbeiterschicht an. Am Anfang hatten sie Vorurteile gegen mich und gegenüber der Kriegsdienstverweigerung. Du kannst Dir denken, dass sie sehr konservativ sind. Später, als ich mehr über meine Kriegsdienstverweigerung erzählte, über Gründe für einen Krieg und die Machtverhältnisse, standen sie diesen Themen gelassener gegenüber. Ich glaube, dass wir einfach die Möglichkeit brauchen, die Menschen zu treffen und direkt mit ihnen zu reden.
Dein Verfahren hat große Aufmerksamkeit erzielt. Wir ist Euch das gelungen?
Meine Freund*innen haben viel in den Sozialen Medien organisiert. Sie bildeten ein Team, um unabhängig daran zu arbeiten. Natürlich standen wir in Kontakt miteinander. Der andere Grund ist, dass die Mehrheit der Leute in der Gesellschaft die Bewegung der Kriegsdienstverweigerer unterstützen möchte. Sie wollen das Recht auf Kriegsdienstverweigerung auch hier verankert sehen. Hinzu kommt noch die Niedergeschlagenheit, die sich in der Gesellschaft breit gemacht hat.
Hier nehmen wir die Situation im Norden Zyperns so wahr, dass die gesamten politischen Entscheidungen stark von der Türkei abhängig sind. Angesichts dessen stellt sich für uns die Frage, wie es überhaupt dazu kam, dass ein Gesetzentwurf zur Kriegsdienstverweigerung vorgelegt wurde?
Ja, wir im Norden der Insel leben unter der Besatzung der Türkei. Wir leisten in vielen Bereichen Widerstand. Deswegen mussten sie an einem Punkt nachgeben.
Wie schätzt Du den aktuellen Gesetzentwurf ein?
Er ist nicht ideal, aber wir werden darüber diskutieren. Das große Problem bei dem Entwurf ist, dass ein ziviler Dienst in der Armee vorgesehen wird. Das ist für uns unannehmbar.
Wie viele Kriegsdienstverweigerer gibt es im Norden von Zypern?
Wir sind zu dritt. Ein Freund von uns, Erman, hat noch das Verfahren vor sich. Insgesamt sind wir im Norden 13 Frauen und Männer, die dazu aktiv sind.
Wie arbeitet Ihr mit den Aktiven zur Kriegsdienstverweigerung im Süden der Insel zusammen?
Es sind unsere Freund*innen. Wir stehen regelmäßig im Kontakt und tauschen uns über unsere Erfahrungen aus.
Welche Forderungen habt Ihr?
Aktuell wollen wir die Möglichkeit haben, einen zivilen Dienst anstelle des Militärdienstes zu machen. Und schließlich wollen wir keine Soldaten und Kasernen mehr in unserem Land sehen.
Möchtest Du noch etwas ergänzen?
Danke für Eure Solidarität. Dass Menschen aus den unterschiedlichsten Regionen und Ländern die Welt ändern wollen, gibt uns Hoffnung. Wir haben einen Traum: Eine Welt ohne Waffen, Krieg und Herrschaft.
Interview mit Halil Karapaşaoğlu. 1. Februar 2019. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Februar 2019.
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