Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung

Rede zum Tag der Menschenrechte

von Dr. Gernot Lennert

(10.12.2020) Weltweit werden Menschen gegen ihren Willen zum Kriegsdienst gezwungen oder wegen Verweigerung verfolgt und inhaftiert, z.B. in Süd-Korea, Singapur, Tadschikistan, der Türkei, Israel und Kolumbien.

Heute, am Tag der Menschenrechte, steht in der Ukraine Ruslan Kotsaba vor Gericht. .  Er hatte 2015 zum Krieg in der Ost-Ukraine in einer Videobotschaft erklärt, er werde sich der Einberufung verweigern und nicht auf seine "im Osten lebenden Mitbürger" schießen. Er rief seine Landsleute auf, ebenfalls den Kriegsdienst zu verweigern. Wegen Staatsverrat und Behinderung der Tätigkeit der Streitkräfte wurde er zu 3½ Jahren Gefängnis verurteilt. Nach einer internationalen Solidaritätskampagne wurde er nach 16 Monaten in Haft freigesprochen. Doch das Verfahren wurde wieder aufgenommen. Die Verfolgung geht weiter, mit ständigen neuen Prozessterminen. Ihm droht weiterhin Gefängnis. Einige hier in Mainz dürften sich erinnern: Ruslans Frau Uliana sprach 2016 in Mainz, 2018 konnte Ruslan selbst kommen.

In Eritrea sind Männer und Frauen sind zum unbefristeten Militärdienst verpflichtet. Die Entlassung erfolgt willkürlich. Geflüchtete berichteten z.B. von Entlassung nach 12 Jahren. Einige Verweigerer sind seit 1994 im Gefängnis. Gerade jetzt beteiligt sich Eritrea am Bürgerkrieg in Äthiopien und schickt wieder junge Menschen in den Tod. Zum heutigen Tag der Menschenrechte haben eritreische Organisationen zu einem Aktionstag aufgerufen: Sie fordern: „Stoppt den Krieg am Horn von Afrika! Schluss mit der Beteiligung Eritreas am Krieg! Stoppt Zwangsrekrutierungen in den Krieg! Schützt und versorgt die Flüchtlinge! Stoppt das Leiden!“

In Europa haben seit den 1990ern viele Staaten, 2011 auch Deutschland, den Zwang zum Kriegsdienst ausgesetzt oder abgeschafft. Doch seit 2014 haben die Ukraine, Litauen und Schweden die Zwangsrekrutierung wieder aufgenommen. Norwegen und Schweden haben die Militärdienstpflicht auf Frauen ausgedehnt. In Frankreich wurde für 17jährige der Service National Universel eingeführt. In Deutschland fordern inzwischen nicht nur die AfD, sondern auch Teile der CDU, namentlich die für Krieg und Militär zuständige Ministerin Kramp-Karrenbauer, und auch Teile der SPD, dass wieder junge Menschen ins Militär gezwungen werden sollen.

Die UN-Charta der Menschenrechte kennt kein spezifisches Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Deshalb kann auf dem Plakat dort auch nicht ein einziger entsprechender Artikel genannt werden. Menschenrechte, die nicht ausdrücklich genannt werden, können aus anderen Menschenrechten abgeleitet werden. Die Menschenrechtskonventionen von Europarat und der UN verbieten Sklaverei und Zwangsarbeit, woraus logisch das Recht auf Kriegsdienstverweigerung abgeleitet werden müsste. Aber was als Menschenrecht gilt, hängt von den Machtverhältnissen ab. Die Staaten haben vorgesorgt: Sklaverei und Zwangsarbeit sind verboten, mit Ausnahme von Militärdienst und Militärersatzdienst.

Es gibt ein von Staaten und internationalen Organisationen anerkanntes Recht auf Kriegsdienstverweigerung: Das Recht der Verweigerung aus Gewissensgründen. Es wird abgeleitet aus dem Recht auf Religionsfreiheit und Gewissensfreiheit. Es ist schon vom Konzept her nur ein Ausnahmerecht für Menschen, denen Staat und Militär das Recht auf Militärdienstverweigerung zugestehen, verbunden mit Gewissensprüfung und verbunden mit der Strafe, einen Ersatzdienst leisten zu müssen. Das ist weit entfernt von einem Menschenrecht für alle, unabhängig von Gesinnung und Charaktereigenschaften sowie Strafe für die Wahrnehmung des Rechts.

Wir sind für Frieden und die Rechte auf Leben und Freiheit. Deshalb fordern wir aus friedenspolitischen und aus menschenrechtlichen Erwägungen das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung.

Dr. Gernot Lennert: Rede zum Tag der Menschenrechte, Mainz, 10.12.2020, bei der Kundgebung der Seebrücke in Mainz. Gernot Lennert ist Landesgeschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft –Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Hessen (www.dfg-vk-hessen.de)

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