Sri Lanka vor Rückkehr zum Bürgerkrieg?
(01.03.2006) Bei der Präsidentschaftswahl in Sri Lanka im vergangenen November hat der bisherige Premierminister Mahinda Rajapakse von der Sri Lanka Freedom Party (Freiheitspartei Sri Lankas/SLFP) mit 50,63 Prozent hauchdünn gegen den Kandidaten der oppositionellen United National Party (Vereinigte Nationale Partei/ UNP), Ranil Wickremasinghe, gewonnen. Seinen Sieg verdankt er den Tamilen im Norden und Osten des Landes. Diese blieben - aufgrund des massiven Drucks durch die Liberation Tigers of Tamil Eelam (Befreiungstiger Tamil Eelam/LTTE) - der Wahl in großer Zahl fern.
Seitdem hat die Gewalt stark zugenommen: Mindestens 80 Singhalesen, meist Soldaten, und 40 Tamilen sind ermordet worden. Damit ist das Waffenstillstandsabkommen, das im Februar 2002 unter Vermittlung norwegischer Diplomaten ausgehandelt wurde, in Gefahr. Die Friedensgespräche stocken. Eine Ursache ist die Spaltung der LTTE im Jahre 2004, eine andere, dass Rajapakse sich für die Bewahrung eines zentral gelenkten Einheitsstaates und eine Neuverhandlung des Waffenstillstandabkommens mit der LTTE ausgesprochen hat. Auch der Pakt Rajapakses mit der maoistischen Partei JVP und der buddhistisch-klerikalen Partei JUH, die beide anti-tamilisch eingestellt sind, schränkt seine Kompromissfähigkeit ein. Die LTTE ihrerseits haben Rajapakse kurz nach der Präsidentschaftswahl ein Ultimatum gestellt, um geeignete Lösungsansätze vorzulegen; anderenfalls drohten sie die Aufnahme bewaffneter Aktionen an.
In den mehrheitlich tamilischen Gebieten geht die Angst vor Repressalien von Militär, Polizei und paramilitärischen Gruppen um. Viele Tamilen ziehen in die von der LTTE kontrollierten Zonen. Aber auch bei Singhalesen und Muslimen ist die Angst vor einer Wiederkehr des Bürgerkrieges groß.
Vom 22.-24. Februar finden direkte Gespräche zwischen srilankischer Regierung und den Tamil Tigers in Genf statt. Vermittler ist der norwegische Entwicklungshilfeminister Solheim. Bei diesen Gesprächen geht es um die Frage, wie mit den Verletzungen des Waffenstillstandsabkommens umgegangen werden soll und wie das Abkommen mit neuem Leben gefüllt werden kann. Die seit Unterzeichnung in Sri Lanka arbeitende Beobachtungsmission hat Verstöße sowohl von Regierungs- wie von Rebellenseite festgestellt. Derzeit gibt es keine Ergebnisse. Sri Lanka steht am Wendepunkt. Ende offen.
Stephan Brües, freier Redakteur, war als unabhängiger Wahlbeobachter im November in Sri Lanka. Über seine Erfahrungen als Wahlbeobachter sowie über die Arbeit der Nonviolent Peaceforce bietet er einen Vortrag an. Er ist erreichbar unter 0202-6981476
Der Beitrag erschien im Rundbrief »KDV im Krieg«, März 2006.
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