Türkei: Ich verweigere!

von Onur Erden

(15.05.2021) Ich werde vom ersten Tag an beginnen, als ich 19 Jahre alt war. Ich saß im Garten und bekam Besuch von einem redseligen Freund. Er sagte mir, dass wir zur Musterung gehen müssten. Ich sagte ihm: „Ich werde nicht zum Militär gehen, Du kannst ja gehen.“ Ich kann nicht erklären, warum ich mich schon damals verweigern wollte, aber es gab in mir immer eine Stimme, die mir sagte, dass mit dem Miitärdienst etwas nicht stimmen könne.

Mein Freund war fassungslos und sagte: „Rebellierst du gegen den Staat! Sie werden Dich verschwinden lassen! Wohin willst Du gehen?“ Er sagte viele törichte Sätze, als ich ihm widersprach. Zuletzt wandte er sich an meine Mutter und sagte: „Tante, Ihr würdet auch in Schwierigkeiten kommen, sie werden Euch unter Druck setzen, damit Ihr nicht einem Verbrecher helft und ihn unterstützt.“

Schuldig?

Ich soll schuldig sein, wenn ich nicht zur Armee gehe. Aber diejenigen, die versuchen, mich in die Armee zu zwingen und mir eine Waffe zu geben, sollen nicht schuldig sein.

Meine Mutter sprach zu mir: „Mein Sohn, soll ich in diesem hohen Alter Deinetwegen noch ins Gefängnis gehen? Das wäre so, als wenn mir der Rücken gebrochen würde.“ So war für mich klar. Selbst wenn sie mich in diesem Moment in den Tod geschickt hätte, ich würde gehen.

Ich ging zur Musterung und wurde „tauglich“ erklärt. Nach einer Weile war es Zeit zum Militär zu gehen. Ich kam 2006 in die Kaserne nach Manisa.

Dann fingen auch gleich die Gemeinheiten an. Sie beschwerten sich jeden Tag über mich und meine Freunde, die ich in der Armee gefunden hatte. Meine Freunde hörten Ahmet Kaya (Kurdischer Sänger, d.Red.) und sprachen kurdisch! Ich selbst kann kein kurdisch sprechen, aber meine Freunde sprachen kurdisch. Einige Soldaten beschwerten sich, es sei eine Sprache der Terroristen.

Ein Freund von mir konnte sich nicht zurückhalten und fragte: „Kommandant, wenn ein Argentinier hierher kommt, kann er dann nicht seine Sprache sprechen, wenn er kein türkisch spricht?“ Der Kommandant entgegnete: „Er hat einen Staat. Demnach dürfen diejenigen, die keinen Staat haben, ihre eigene Sprache nicht sprechen.“ Eine völlig andere Vorstellung.

Eines Tages stand ich in der Schlange und der Stabsgefreite kam zu mir. Er sagte: „Du hast jetzt eine Woche Strafdienst/Wache.“ Ich entgegnete: „Du kannst mich nicht einfach nach Deinem Gutdünken bestrafen. Auf welcher Grundlage bestrafst Eu mich. Bist Du ein Richter? Was ist meine Schuld?“ „Es bleibt dabei.“ „Nein, ich werde dem nicht folgen.“

In der Nacht sollte ich Wache schieben. Ich bin aber nicht aufgestanden. Der Stabsgefreite hat versucht, mich aufzuwecken und dazu zu zwingen, den Wachdienst anzutreten. Ich habe mich mit ihm gestritten. Wir diskutieren 10 Minuten lang. Er sagte mir: „Wenn Du nicht aufstehst, werde ich Dich das nächste Mal schlagen.“ Ich sagte: „Versuch es doch.“ Dann sagte er „Wir sehen uns morgen.“ Dann ging er.

Am nächsten Tag beschwerte er sich beim Obergefreiten. Er rief mich zu sich. Meine Freunde warnten mich, bevor ich ging: „Mach keinen Unsinn, wir sind eh nur 28 Tage hier. Schieb doch die Wache!“

Der Obergefreite fragte mich, „Warum widersetzen Sie sich dem Befehl?“ Ich antwortete: „Ich habe nichts getan, das eine Bestrafung rechtfertigt.“ Er antwortete: „Ich werde dir den Kopf abschlagen. Wenn Du bestraft wirst, hast Du dem Befehl zu folgen. Du hast kein Recht, Dich zu widersetzen.“

Der Obergefreite sagte, er wisse, dass meine Freunde gesagt hatten: „Schau, wir bleiben insgesamt nur 28 Tage hier.“ Ich ging nicht darauf ein. Ich überlegte im Stillen, ja, ich werde gehen und nie wieder kommen. Aber dann kam ein Leutnant. Er wies mich an: „Wenn mein Obergefreiter Sie bestraft, haben Sie kein Recht, Beschwerde einzulegen. Sie können den Befehl nicht in Frage stellen!“

Er fuhr fort: „Er wird den Befehl erteilen. Und wenn Sie dagegen Beschwerde einlegen, wird das an den Oberbefehlshaber weitergeleitet!“ Mir ging dann durch den Kopf, wenn er mir also befiehlt, mich umzubringen, hätte ich kein Recht, Beschwerde einzulegen.

Dann dachte ich im Stillen, „Mama, es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid, aber diese Ungerechtigkeit kann ich nicht mehr ertragen.“

Es kam der Tag, an dem wir verlegt wurden. Ich konnte nach Hause gehen. Als aber der Tag kam, an dem ich wieder zum Militär gehen sollte, ging ich nicht. Auch ein anderer Freund von mir ging nicht.

Daraufhin versammelten sich die anderen Familien und kamen zu unserem Haus. „Onur gibt unseren Kindern ein schlechtes Beispiel. Weil er nicht geht, wollen auch unsere Kinder nicht zur Armee gehen.“ Meine Mutter begann wieder, auf mich einzudringen und zu betteln.

Unsere Nachbarschaft ist rechtsextrem. Eigentlich haben sie einen kurdischen Hintergrund, sind entweder Familien aus Muş oder Afrin, aber sie wurden türkischer als die Türken.

Wieder konnte ich meine Mutter nicht enttäuschen. Mit der Nachbarschaft nahm ich es auf, aber mit meiner Mutter konnte ich es nicht! Vielleicht war dies mein größter Fehler, aber was hätte ich tun können?“

Ich sollte zu einem Ort namens Tekirdağ/Hayrabolu. Es war das erste Mal, dass ich den Namen hörte. Gab es so einen Ort überhaupt in der Türkei? Und nachdem ich dort war, fing der ganze Bullshit wieder an: „Vaterland! Ich opfere mich für dich, jeder Türke wird als Soldat geboren!“ Bruder, ich wurde nicht als Soldat geboren!

 „Du nimmst die Waffe!“ „Nein, ich nehme sie nicht!“ „Du nimmst sie!“ „Nein, ich nehme sie nicht“. Dann Prügel!

Nach zwei Monaten brachten sie mich ins Krankenhaus. Bevor ich dorthin verlegt wurde, hatte ich solch einen Streit mit dem Stabsgefreiten, dass die Soldaten neben mir zu zittern begannen. Jeder hatte Angst vor ihm, er schlug erbarmungslos zu.

Aber ich war mir sicher, meiner Mutter zuliebe würde ich diese Grausamkeit nicht mehr erdulden. Ich durfte die Kaserne nicht verlassen, um in die Stadt zu gehen. Deshalb plante ich, mich ins Lazarett oder ins Krankenhaus überweisen zu lassen, um dann zu fliehen. Aber ich musste auf die Überweisung ins Krankenhaus warten.

Es vergingen zwei Monate, aber ich war immer noch nicht dran. Ich ging zum Stabsgefreiten und erklärte ihm, dass ich selbst ins Krankenhaus fahren und nicht auf den Transport warten will. Wir stritten uns. Nach einem großen Streit erhielt ich die Erlaubnis und ging. Ich kam nicht mehr zurück.

Wieder meine Mama, wieder meine Verwandten, wieder die Leute aus der Nachbarschaft, sie alle kamen auf mich zu. Meine Mutter sagte mir etwas, so dass es für mich leichter zu ertragen wäre, zu sterben, als diese Wörter zu hören. „Mein Sohn! Ich wollte immer, dass Du zur Armee gehst und Märtyrer wirst und in den Himmel kommst und mich mitnimmst!“ Schau, die Traurigkeit dieser Wörter!

In diesem Moment verlor ich meinen Glauben an die Liebe zu Gott oder zum Himmel. Eigentlich glaube ich an die Existenz Gottes, aber nicht an einen Gott, der Krieg will, sondern an einen Gott, der Frieden will. Ich glaube nicht an den Gott des Hasses, sondern an den Gott der Liebe.

Andere sagten, es gäbe kein Entkommen vor dem Tod oder dem Militärdienst. Es ist beeindruckend! Wer hat diese Menschen dazu gebracht, so etwas zu sagen? Ich bin sowohl wütend als auch traurig.

Einerseits sehe ich diese Leute auch als Opfer dieses Systems. Es ist nicht einfach, allein gegen ein ganzes System, ein bewaffnetes System zu bestehen. Wenn von Soldaten die Rede ist, fangen die Menschen an zu zittern. Sie sagen, sie werden dich verschwinden lassen, oh huh. Kurz gesagt: Sie haben große Angst vor dem Militär.

Als ich zum ersten Mal das Wort Kriegsdienstverweigerung aussprach, spielten einige Leute verrückt: „Scheiße, hau ab, was ist Kriegsdienstverweigerung?“

Als Kriegsdienstverweigerer im Militär

Ich lehnte konsequent den Militärdienst ab und versuchte, ein Leben wie alle anderen Bürger zu führen. Aber das war schwer, fast unmöglich.

Ich ging ins Café und diskutierte mit Leuten über den Militärdienst. Aber sie ließen es nicht zu. Ein paar in zivil gekleidete Personen kamen und forderten mich auf, meinen Personalausweis zu zeigen. Ich sagte, dass ich den daheim hätte. „Wie heißen Sie?“ „Hasan.“ „Lüg nicht, nicht wahr, Onur Erden?“ Ich sprang auf, aber sofort warfen sie mich auf den Boden. Drei Leute, die mich schlugen, setzten mich auf den Rücksitz eines Polizeiautos und setzten sich auf mich. Sie brachten mich zur Polizeistation, zogen mich aus und ließen mich nur in Unterwäsche bekleidet zurück.

In meiner Unterwäsche hatte ich 10 Schlaftabletten versteckt. Wenn ich erwischt werde, wollte ich sie einnehmen und sterben, um nicht gefoltert zu werden. Ich vermutete, dass sie mich foltern würden.

Ich nahm die Pillen, als ich die Chance dazu bekam. Danach fiel ich in eine Art Ohnmacht. Ich schlief nicht, aber ich war auch nicht wach. In diesem Zustand übergaben sie mich an die Gendarmerie. Die Gendarmerie setzte mich auf den Rücksitz eines Autos, ein Soldat zu meiner Rechten, einer zu meiner Linken.

Sie brachten mich in ein Krankenhaus und legten mir eine Infusion an. Dann legten sie mich für eine Weile ins Bett. Danach brachten sie mich zur Gendarmeriestation und steckten mich in eine Zelle. Als ich zu mir kam, nahm ich das Bettlaken. Ich ging zur Toilette, band das Laken ans Fenster und legte es mir um den Hals. Ich wurde überwältigt. Als ich wieder aufwachte, war ich von Soldaten umringt. Sie entfernten alle Laken aus der Zelle. Der Kommandant sagte mir, ich bluffe nur, lege sie rein…

Sie riefen meinen Vater an und sagten, dass ich mich aufgehängt hätte. Mein Vater sagte ihnen, dass ihm das egal sei. Die Folter hat mich nicht zerstört, aber diese Worte meiner Eltern haben mich zerstört.

Zuerst brachten sie mich zur Militäreinheit. Dort hatte ich Gelegenheit, wegzulaufen und in den dritten Stock eines Gebäudes zu klettern. Ich schaute aus dem Fenster und dachte nach: Was ist, wenn ich dann nicht sterbe, sondern überlebe? Während ich noch darüber nachdachte, dass mich diese Schurken trotz meiner Verletzungen foltern würden, kam einer von hinten und erwischte mich.

Sie zogen mich durch das Fenster rein. Ich dachte nur, was nun passieren wird, wird schlimmer sein.

Ich war ungefähr fünf Tage in ihren Händen und beantwortete keine Fragen. Ich aß und trank nichts. Sie verhafteten mich und brachten mich zum Militärgericht. Der Staatsanwalt und der Richter wurden verrückt, weil ich nicht auf sie reagierte und nicht das tat, was sie wollten. Der Staatsanwalt drohte mir mit Elektroschocks.

Ein Militärwagen kam und brachte mich ins Gefängnis.

Manchmal frage ich mich, was ist der Militärdienst? Militärdienst bedeutet Krieg, Krieg bedeutet Töten, Vergewaltigung, Gewalt, den Verlust von Gliedmaßen, Armen, Beinen und Augen von Menschen, bedeutet Waisenkinder. Ich werde nicht zu denen gehören, die behaupten, dass das Militärsystem der Welt etwas Gutes geschaffen hat, etwas Besseres als Gewalt und Vergewaltigung.

Ich frage mich, was der Militarismus mit dieser Welt macht. Ich kann mir kein anderes Szenario vorstellen, als das, was ich selbst erlebe. Im Bürgerkrieg in Syrien, der einige Kilometer von unserem Haus entfernt begann und nach dem Bomben, die in unserem Bezirk explodierten, wurden die Leichen einiger meiner Freunde und ihrer Familien in Stücken eingesammelt. Die 14-jährige Fatma Avlar, die während des Kampfes der türkischen Armee mit der YPG von einer 100 Meter von uns entfernt abgefeuerten Rakete getroffen und zerschmettert wurde, ist leider der konkrete schmerzhafte Beweis dafür, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.

Sie übergaben mich dem Militärgefängnis. An der Tür warteten ausgewählte Schlächter auf mich. „Er tut nicht, was wir sagen“, erklärten sie und gaben mich ab.

Sie wollten, dass ich stramm stehe und mich verneige. Ich tat es nicht. Ein Soldat ergriff meine Hände und zwang meinen Kopf nieder. Ich hob meinen Kopf wieder hoch. Er sagte: „Du wirst schon sehen!“

Sie zerrten mich an den Armen und brachten mich in ein Zimmer. 8-10 Soldaten schlugen auf mich ein, einige mit einem Schlagstock, andere mit einem Kick. Einige mit den Fäusten. Das ging mehrere Minuten so. Ich hatte seit fünf Tagen nicht gegessen und getrunken. Ich war sehr schwach. Ich fiel zu Boden und wurde ohnmächtig. Aber sie gossen kaltes Wasser über mich und schlugen weiter.

Sie wollten, dass ich mich ausziehe. Ich tat es nicht. Sie wurden wütend und fingen an härter zuzuschlagen. Ich antwortete nicht auf ihre Fragen und sie schlugen mich. Sie rissen mir die Kleider vom Leib, um mich mit einem Schlagstock zu vergewaltigen. Ein Soldat packte meine Hände und drückte meinen Kopf zwischen seine Beine. Dann kam ein Soldat herein und sprach mit mir: „Wenn Sie tun, was wir sagen und die Fragen beantworten, werde ich Sie in den Gemeinschaftsraum bringen.“ Als ich nicht tat, was er sagte und seine Fragen weiter nicht beantwortete, rief er den Befehlshaber an. Ein Soldat ging und kam nach ein paar Minuten zurück und erklärte, „Der Kapitän sagt: Fickt ihn!“

Sie begannen, meinen Kopf gegen die Wand zu schlagen. Mir wurde schwarz vor Augen, ich konnte nichts mehr sehen. Dann brachten sie mich irgendwohin und legten mich in ein Bett. Übrigens hatten sie mir vorher eine Uniform angezogen [im Türkischen wird abwertend der Begriff „Einheitskleid“ genutzt. Red.]. Nach einer Weile konnte ich wieder sehen, aber meine Augen und mein Kopf taten sehr weh.

Sie kamen erneut und brachten mich weg, um die Haare abzuschneiden. Danach schlug mich ein Unteroffizier. Sie brachten mich an die frische Luft und stellten ein Glas kaltes Wasser vor meinen Mund.

Ich konnte nicht widerstehen und trank das Wasser. Nachdem das einige Male so ging, sagte ich, dass ich nicht sprechen werde. „Wenn Sie keinen Dienst leisten, werden sie eine 10-monatige Haftstrafe bekommen.“ Ich sagte ihnen, selbst wenn es 10 Jahre wären, könnte ich es nicht tun.

Das erste Gericht verurteilte mich im Juli 2006 zu 12 Monaten Haft und reduzierte die Strafe bei guter Führung auf 10 Monate, d.h. 6 Monate 20 Tage wäre die Hälfte, um rauszukommen. Ich bat um Papier, um Widerspruch einzulegen. Sie ließen es nicht zu. „Sie sind schuldig. An wen wollen Sie appellieren? Sie sind ein Vaterlandsverräter.“

In meiner Zeit im Gefängnis war ich Gewalt und Beleidigungen ausgesetzt. Ich war noch nie im Gefängnis gewesen. Jeden Morgen musste ich zwangsweise Übungen ableisten. Zudem traten sie mich. Eines Tages ging ich zur Krankenstation und sagte dem Arzt, dass sie mich Übungen ableisten lassen und ich geschlagen werde. Mein Arm fühle sich taub an. Aber wem erzählst du das? Der Arzt ist auch Soldat.

Er rief die anderen Soldaten an und sagte, „Lasst ihn mehr trainieren, damit er sehen kann, wer sich bei wem beschwert.“

Kurz gesagt, jeder Moment der sechs Monate und 20 Tage war schlimmer als der Tod, aber es ging vorbei.

Nachdem ich auf Bewährung freigelassen wurde, gaben sie mir einen Bericht, dass sie mich nicht an die Kaserne überstellen können, weil sie außerhalb der Provinzgrenze liegt. Ich müsse mich, wie gesetzlich vorgeschrieben, innerhalb eines Tages bei meiner Einheit melden.

Als Aussätziger gejagt

Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich kannte keine Organisation, um meine Stimme zu Gehör zu bringen. Ich kannte auch keine Leute wie mich.

Die Militäreinheit war in Tekirdağ und ich war im Militärgefängnis in Çanakkale gewesen. Ich stieg in den Bus und fuhr zu meiner Heimatstadt Hatay. Dabei dachte ich, wie kann ich kämpfen, wo kann ich Unterstützung bekommen?

Ich hatte auch keine Gelegenheit, einen Anwalt einzuschalten. Welcher Anwalt würde es wagen, so einen Fall anzunehmen? Ich wusste es nicht.

Ich kam nach Hatay, aber ich wurde zu einem Aussätzigen. Alle bedrängten mich jeden Tag, meine Familie, die Menschen um mich herum, Beleidigungen, Beschimpfungen, sie schlossen mich aus.

Ich konnte nicht nach Hause gehen. Ich schlief in Moscheen und leeren Häusern. Ich versuchte mich von denen fernzuhalten die mich kannten, aber fast alle wussten von mir: Jeder kannte jeden.

Eines Tages kam ein Polizeiauto zu einer Tischlerei, bei der ich saß. Ich fing an zu rennen. Sie jagten mir nach, aber ich konnte entkommen und verließ die Stadt. Den Tag verbrachte ich auf den Feldern.

Während ich über das Land zog, sah ich an einem anderen Tag, als ich bei einem Sägewerk saß, das vom Ehemann meiner Tante geführt wurde, das Polizeiauto kommen. Erneut lief ich davon. Sie zogen eine Waffe, aber wegen der Leute konnten sie nicht schießen. Ich konnte wieder entkommen.

Sie fluchten hinter mir her und bedrohten den Ehemann meiner Tante: „Wenn Sie ihn noch einmal hierher lassen, werden wir Sie gleich mit verhaften.“

Die Polizei ging auch zu anderen und sagte ihnen, dass sie dem Staat helfen sollten. Solche Verbrecher sollten gefangen werden. Ich konnte nicht verstehen, welches Verbrechen ich begangen haben sollte.

Einige Zeit verbrachte ich außerhalb der Stadt, auf den Feldern oder auf dem Friedhof. Eines Tages, als ich außerhalb der Stadt auf dem Friedhof war, bemerkte ich jemanden, der schnell auf mich zukam. Ich fing an zu rennen. Dann hielt ein Polizeiauto in Zivil direkt vor mir. Drei Leute stiegen aus. Ich drehte mich um und lief los. Diesmal eröffneten sie das Feuer, aber sie konnten mich nicht erwischen, weil auf dem Friedhof dicke Bäume standen. Erneut konnte ich fliehen.

Mir wurde klar, dass ich nicht mehr in dieser Stadt, und auch nicht mehr in diesem Land bleiben kann. Ich fragte einen Freund, der mich verstand und bat ihn, mir einen gefälschten Personalausweis zu besorgen. Nach einer Weile konnte ich ihn erhalten und damit nach Nordzypern fahren.

Ich hatte vor über Nord- nach Südzypern zu gelangen, um Asyl zu beantragen. Aber ein Freund warnte mich: „Sie werden Dich dort foltern. Sie werden Dich zwingen, eine türkische Flagge zu verbrennen und Dich dabei filmen. Sie werden Dir sagen, wenn Du es nicht machst, werden wir Dich in die Türkei abschieben und dort wirst Du noch mehr gefoltert. Sie werden dich wieder in die Türkei überstellen.“

Ich beschloss daraufhin, mit meinem gefälschten Pass (Ausweis) bei meinem Freund in Nordzypern zu bleiben. Ich versuchte, auf der Straße Rosen zu verkaufen. Das ging eine Weile so. Eines Tages hatten wir aber aus nichtigem Grund einen Streit mit einem Freund. Er drohte, mich auffliegen zu lassen. So konnte ich nicht mehr in Nordzypern bleiben.

Ich ging in einen anderen Landkreis in der Nähe meiner Heimatstadt und begann unter falscher Identität zu leben.

Eines Tages rief mich meine Mutter an und sagte, die TV-Fernbedienung sei defekt. Ich ging hin und reparierte sie. Als ich das Haus wieder verließ, bemerkte ich zwei Polizisten in Zivil. Ich drehte mich um und rannte los, aber zwei weitere Personen kamen aus einer Ecke und erwischten mich. Es war im März 2009.

Sie brachten mich unter Schlägen zur Polizeistation und übergaben mich der Gendarmerie. Dort wurde ich beleidigt und in eine Zelle gesteckt. Danach wurde ich zur Militäreinheit nach Tekirdağ gebracht, später zum Militärgericht und in das Gefängnis des 2. Korps von Çanakkale/Gelibolu.

Als wir dort ankamen, nahmen mir die Soldaten, die mich gebracht hatten, die Handschellen ab, um mich den anderen Soldaten zu übergeben. Ich nutzte die Gelegenheit und rannte weg. Ich lief in die Schule, die neben der Militäreinheit liegt. Ich sprang von einer Wand herunter. Der Unteroffizier, der mich verfolgte zog seine Waffe und sagte: „Halt, Onur, oder ich werde Dich erschießen.“

Ich sagte: „Schieß. Dann entkomme ich der Folter.“ Nachdem ich das gesagt hatte, steckte er die Waffe wieder weg. Ich war überrascht, aber ich wünschte, er hätte geschossen, weil ich danach schlimmere Erfahrungen als den Tod erwartete. Ich rannte weiter.

Der Unteroffizier stoppte eine Person auf einem Motorroller, die auf der Straße unterwegs war und holte mich ein. Ich konnte mich mehr rennen. So fassten sie mich. Sie warfen mich auf den Boden.

Vor Gericht

Im Militärgericht stand ein Soldat vor mir, anstelle eines Richters. Soldaten rechts und links mit G3-Gewehren. Ich erklärte: „Ich werde in meinem eigenen Land gefoltert. Wie lange werden die Soldaten das machen, die uns doch angeblich beschützen? Ich wurde unmenschlich behandelt. Sie drohten mir an, mich zu vergewaltigen. Sie wollten mein Geld nehmen. Endlose Gewalt und Beleidigungen.“

Ich erzählte dies dem Soldaten, der als Richter dort saß. Er sagte: „Wenn Sie eine Beschwerde haben, schreiben Sie eine Petition an die Militärstaatsanwaltschaft.“ Das tat ich.

Im Gefängnis angekommen, erwarteten mich die Soldaten und brachten mich sofort in das Zimmer des Majors Mustafa Inam. Er sagte mir: „Sie haben sich beschwert?“ „Ja.“ „Bei wem beschweren Sie sich? Folter ist eine normale Sache und Sie sind ein Verbrecher. Haben Sie nicht von Guantanamo gehört, dort wird viel schlimmer gefoltert. Wir werden Dich jetzt noch mehr foltern.“ Sie drohten mir mit weiterer Folter. Ich hatte keine Angst mehr. „Von nun an werde ich mich überall beschweren, immer wieder.“ „Ich verstehe“, antwortete er, „Sie haben nichts mehr zu verlieren.“ „Ja, Ihr habt mir nichts mehr gelassen, das ich verlieren könnte.“

Nun sagte der Major: „Ich verspreche Ihnen, dass Sie von nun an niemand mehr berühren wird. Hören Sie auf, sich über uns zu beschweren.“ „Nein“, entgegnete ich, „ich werde nicht aufgeben.“

Es ging hin und her, es wurde gedroht und schließlich sagte ich: „Bringt mich in die Zelle. Ich werde darüber nachdenken.“ So wurde ich das zumindest für kurze Zeit los.

Jedes Militärsystem ist grausam. Nachdem ich in meine Zelle kam, erhielt ich weiterhin Drohungen durch andere Gefangene.

Eines Tages kam der Major in meine Zelle und sagte, wenn ich meine Beschwerde aufrechterhalte, würde er alles leugnen, und die Misshandlungen anderen Soldaten unterjubeln. Wer weiß, was mit diesen Wehrpflichtigen dann passiert. Dann baten die Soldaten, dass ich mich nicht mehr beschwere: „Wir erfüllen doch nur unsere Pflicht, wir führen nur Befehle aus.“ Aber das ändert nichts. Tatsächlich sind sie freiwillig Soldaten und foltern gerne, sonst könnten sie das nicht machen.

Ich schrieb die Petition und steckte sie in meine Tasche, um sie der Staatsanwaltschaft zu übergeben. Aber auf dem Weg zum Gericht durchsuchten mich die Soldaten und fanden die Petition. Der Major sagte, er werde die Petition zurückhalten. Eigentlich wissen alle, wie es ist, aber ich wollte Widerstand leisten. Dann stand ich vor Gericht. Der Prozess wurde abgehalten und ich wurde zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt und vorläufig freigelassen.

Nun schickte ich von außen meine Petition an die Militärstaatsanwaltschaft des 2. Korps und den Richter am Obersten Gerichtshof. Den Brief schickte ich auch an den Premierminister. Zugleich sandte ich eMails an einige Nachrichtenportale und ging zu einem Anwalt in Atakya. Ich konnte keine Journalisten finden, der/die das Militärsystem kritisieren konnten…. Oder ich habe die eMails an die falschen Journalisten geschickt.

Ich sagte dem Anwalt, dass ich von meinem Recht auf Kriegsdienstverweigerung Gebrauch machen möchte, dass ich zwei Mal im Gefängnis war und dass ich gefoltert wurde. Er antwortete mir: „Sie werden keinen Anwalt finden, der Sie verteidigt, weil diese dann auch angeklagt und inhaftiert werden, wenn Sie einen Prozess anstreben.“

Er fragte mich, ob ich wisse, was Asyl ist, und fügte hinzu: „Kurz gesagt, der einzige Weg ist, aus der Türkei zu fliehen.“

Flucht nach Zypern

Daraufhin fuhr ich schnell nach Nordzypern und floh von dort nach Südzypern. Von Dezember 2009 bis Juli 2013 versuchte ich als Flüchtling wegen meiner Kriegsdienstverweigerung in Südzypern anerkannt zu werden. Aber ich wurde abgelehnt. Somit hatte ich keine Chance dort als Kriegsdienstverweigerer zu leben.

Ein Jahr lebte ich noch illegal in Südzypern. Eine Zeit lang hatte ich keine Unterkunft. Unterstützt von einem eritreischen Freund, den ich in Zypern getroffen hatte und der auch Kriegsdienstverweiger ist, ließ ich mich an einem Ort (Pension) nieder. Aber es war ein großer Fehler, für einen, der illegal im Land lebte.

In dieser Zeit erfuhr ich, dass der Militarismus in Eritrea so schlimm ist wie in der Türkei. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Militarismus irgendwo auf der Welt ein gutes System ist. In einigen Ländern ist der Militärdienst zwar freiwillig und professionell, aber der Militarismus tötet.

Es dauerte nicht lange, bis die Polizei in die Pension kam, uns überfiel und mich festnahm. In Südzypern hatten alle Gerichte meinen Antrag abgelehnt.

Die südzypriotische Polizei verhaftete mich nicht nur, sondern beschlagnahmte auch alle Dokumente, die ich hatte. Sie brachten mich in eine Einzelzelle in einer Polizeistation.

Dann hörte ich von der Gründung eines Vereins zur Kriegsdienstverweigerung in der Türkei. Das war eine positive Entwicklung und gab mir Hoffnung. Nun gäbe es zumindest eine Organisation, die mich verstehen würde und in der Türkei war. Von den anderen Kriegsdienstverweigerern, die es in der Türkei gegeben hatte, wie Tayfun Gönül, erfuhr ich erst später. Meinem Kenntnisstand nach gab es bis 2013 keinen Verein in der Türkei.

Nachdem ich 20 Tage in Haft war, schoben sie mich im Juli 2013 über Jordanien nach Istanbul ab.

Abgeschoben in die Türkei

Dort verhafteten sie mich und sperrten mich in einem Zimmer ein, da ich laut Zoll vom Militärgericht gesucht werde. Sie brachten mich zu einer Polizeistation und steckten mich dort in eine Zelle.

Am nächsten Tag wurde ich in das Militärgefängnis Kasımpaşa (Istanbul) gebracht. Mit Hilfe des Kriegsdienstverweigerers Oğuz Sönmez wurde der Anwalt Davut Erkan organisiert. Er wartete am Eingang.

Ich war sehr besorgt. Ich konnte die Erlebnisse, die ich nach dem Betreten des Militärgefängnisses erlebt hatte, nicht überwinden. In Zypern war ich wegen meiner Angstzustände behandelt worden und nahm Medikamente ein. Aber das hatte es nicht besser, sondern schlechter gemacht.

Dank des Anwalts Davut Erkan war es das erste Mal, dass ich in einem Militärgefängnis nicht gefoltert wurde. Aber die systematische Unterdrückung endete nie.

Nach einer Woche brachten sie mich wieder in das Gelibolu-Gefängnis. Dort war ich wieder vor Gericht. Leider war auch der Richter Zwangsdienst leistender Soldat. Er sagte, dass er eigentlich „ein ziviler Richter“ sei. „Ich diene dem Staat, aber sie wollen auch von mir, dass ich im Dienst eines Soldaten als Richter arbeiten muss.“ Er fuhr fort: „Ich verstehe Dich, aber es gibt kein Gesetz, nach dem ich Dich gehen lassen kann. Wenn Sie sich bereit erklären, Militärdienst abzuleisten, werde ich Sie nicht verhaften. Und wenn Sie ihren Militärdienst beenden, werde ich den Fall fallen lassen.“ Ich lehnte ab.

Ich ging zurück ins Militärgefängnis. Wieder „begrüßten“ sie mich an der Tür, aber es gab keine körperliche Folter, diesmal gab es psychische Folter. Die sogenannte Körperdurchsuchung wird durchgeführt, indem man sich auszieht und sich bückt. Aber diesmal waren sie barmherziger mit mir. Zwei Soldaten hielten zum Beispiel ein Bettlaken um mich.

Vorher war diese Durchsuchung vor vielen Soldaten gewalttätig gewesen. Man zog sich auch aus, indem die Kleider vom Leib gerissen wurden. Sie tönten: „Du hast einen so schönen Arsch.“ Dieses Mal war die Behandlung sozusagen human.

Die Kämpfe der Kriegsdienstverweigerer und die Aktionen des Vereins für Kriegsdienstverweigerung wirkten sich hier aus. Es hatte einige Veränderungen im Militärgefängnis gegeben. Von übermäßigen Urteilen wurde abgesehen, die Folter an einigen Orten, wenn auch nicht überall, wurde untersagt. Der Zwang zum Tragen einer Uniform wurde bis auf bestimmte Umstände abgeschafft, auch obligatorische Übungen oder Arbeit bis auf weiteres eingestellt.

Aber es gab Soldaten, die durchdrehten, wenn sie das Wort Kriegsdienstverweigerung hörten. Ich sagte, dass ich ins Krankenhaus gehen will. Sie antworteten: „Sie weigern sich Militärdienst abzuleisten? Und Sie wollen ins Krankenhaus?“ Ich beantragte einen Personalausweis. Sie antworteten: „Sie leisten keinen Militärdienst ab? Und Sie möchten einen Personalausweis haben? Es gibt Leute, die die Staatsbürgerschaft dieses Landes nicht verdienen.“ Ich antwortete: „Ich bin auch nicht begeistert davon.“ Nach einem einmonatigen Kampf im Militärgefängnis erhielt ich einen Personalausweis.

Teufelskreis der Verfolgung

In der Zwischenzeit ging es um die Reststrafe der Bewährung meiner ersten Strafe. Ich erwartete, dass der Richter diese zu der neuen Strafe hinzufügt. Der Richter sagte, dass er den Rest der Gefängnisstrafe in eine Geldstrafe umwandeln würde mit einem Tagessatz von 20 TL und meine Inhaftierungen mit 100 TL bewerten wird. Somit sollte der Staat dann 3.000 TL an mich nachzahlen. „Sie haben Dich zu lange inhaftiert“, sagte er. Er könne die Strafe davon abziehen, die ich noch erhalten würde. Das war doch echt nicht zu fassen. Er war wie ein Schatz.

In der nächsten Verhandlung erklärte er mir: „Ich kann Dich nicht länger festhalten. Ich weiß, Du wirst keinen Militärdienst leisten und so wirst Du wieder ins Gefängnis kommen. Aber jetzt muss ich Dich freilassen.“ Und so kam es auch. Aber sie stellten mir wieder einen Marschbefehl aus, dass ich mich innerhalb eines Tages bei der Kaserne melden solle. Auf das Dokument schrieb ich noch im Militärbüro: „Das lehne ich ab.“ Der Kommandant war fassungslos: „Warum lehnen Sie es ab?“ „Ich kann diesem Befehl keine Folge leisten.“ Nach einigem Hin und Her ließen sie mich gehen.

Ich kehrte nach Hatay zurück. Wieder kam die Polizei zu mir nach Hause und brachte mich in das Rekrutierungsbüro. Dort wurde ein Bericht erstellt und ich konnte wieder gehen.

Die Gesetze hatten sich in der Zwischenzeit geändert. Früher wurde ich in Handschellen zur Militäreinheit gebracht. Nun brachten Sie mich ins Militärbüro, erstellten ein Protokoll und drohten mir Strafverfolgung an, wenn ich mich nicht innerhalb von zwei Tagen melde. Es war besser als vorher, aber die Verfolgung hörte damit nicht auf.

Zurück in Hatay war ich familiären und wirtschaftlichen Belastungen ausgesetzt. Ich hatte Probleme einen Job zu finden. Ich dachte daran, in eine andere Stadt zu gehen, um den Druck loszuwerden und Arbeit zu finden. Daher ging ich nach Antalya. Aber da holte mich im Sommer 2015 die Gendarmerie.

Als ich das Zimmer des Direktors betrat, versammelten sich alle und warteten schon auf mich. Sie sagten mir, dass ich wegen Vergehen gegen das Militärstrafrecht gesucht werde. Ich sollte es ihnen erklären, aber ich wusste schon, dass sie das nicht verstehen würden. Wenn ich ihnen sagen würde, ich sei ein Kriegsdienstverweigerer, würden sie antworten: „Was ist denn das?“ Dann würde die Polizeistation und das Militärbüro folgen. Ich stritt mich nicht mit den Beamten. Dann wurde ich unter der Drohung, den Vorgang an das Militärgericht weiterzuleiten, freigelassen. Ein weiteres Strafverfahren wurde eröffnet. Mein Arbeitsplatz wurde mir gekündigt. Ich habe noch ein paar ähnliche Versuche gestartet, aber die Polizei kam immer wieder, wohin ich auch ging.

Danach kamen sie verschiedene Male zu meiner Unterkunft und holten mich. Ich wurde auch mehrmals aus den Bussen heraus verhaftet. Mehr als ein weiteres Strafverfahren wurde eröffnet. Ich konnte mich in der Türkei nirgendwo niederlassen.

In der Zeit 2018 und 2019 gab es zwei Strafverfahren, die beide mit einer Haftstrafe von 10 Monaten endeten. Die zweite rechtskräftige Haftstrafe hätte in eine Geldstrafe umgewandelt werden können.

Ich habe mich im Dezember 2018 in den offenen Vollzug in Kırıkhan (Hatay) begeben. Nach 22 Tagen wurde ich auf Bewährung freigelassen, unter der Auflage, in einem Krankenhaus zu arbeiten und mich bei der Polizei zu melden und eine Unterschrift zu leisten.

Ich begann nach Möglichkeiten zu suchen, um ins Ausland zu fliehen, als ich im staatlichen Krankenhaus arbeitete. Ich fand einen Weg, ahnte aber nicht, was mir noch bevorstand.

Flucht nach Deutschland

Ich beschloss, nach Deutschland zu fliehen, was ich für das sicherste Land hielt.

2020 erreichte ich Deutschland, aber ich war in einem miserablen Zustand, körperlich wie seelisch. Ich wusste, dass ich in Deutschland Asyl beantragen könnte. Aber die Flüchtlinge müssen in einer Situation leben, die an die Türkei erinnert. Mein Antrag wurde abgelehnt.

Ich habe verstanden, dass Kriegsgegner kein Recht zu haben scheinen, in dieser Welt zu leben. Tatsächlich gibt es keinen Grund dafür, dass sich Kriegsdienstverweigerer erklären müssen. Gründe brauchen vielmehr diejenigen, die uns dazu zwingen, uns an Waffen ausbilden zu lassen und die Kriegführung zu erlernen.

Es kann nicht zu einer friedlichen Welt kommen, indem immer mehr Waffen und Bomben hergestellt werden. Die größten Verbrecher sind die Länder, die aufgrund eigener Interessen in den Krieg ziehen und unschuldige Bürger zur Teilnahme zwingen. Kein Staat hat das Recht, seine Bürger dazu zu zwingen.

Onur Erden: Ich verweigere! 15. Mai 2021. Der Beitrag erschien in der Broschüre "Kriegsdienstverweigerung in der Türkei", Mai 2021. Hrsg.: Connection e.V., War Resisters International und Union Pacifiste de France

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