Zur Verweigerung des Militärdienstes aus Gewissensgründen

Entschließung der UNO-Menschenrechtskommission

(09.03.1995) Entschließung 1995/83 vom 9. März 1995

 

Die Menschenrechtskommission,

erneut erklärend, daß alle Mitgliedsstaaten gehalten sind, die Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern und zu schützen und den von ihnen eingegangenen Verpflichtungen aufgrund der verschiedenen internationalen Menschenrechtsinstrumente, der Charta der Vereinten Nationen und des humanitären Rechts nachzukommen,
eingedenk dessen, daß in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte anerkannt wird, daß jedermann das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit ebenso wie das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit hat,
unter Hinweis auf ihre eigene Resolution 1989/59 vom 8. März 1989, in der sie das Recht eines jeden Menschen anerkennt, im Rahmen der legitimen Ausübung des Rechts auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit aus Gewissensgründen den Militärdienst zu verweigern,
unter Hinweis auf ihre eigene Resolution 40 (XXXVII) vom 12. März 1981, in der sie auf die Notwendigkeit eines besseren Verständnisses der Umstände hingewiesen hat, unter denen der Militärdienst aus Gewissensgründen verweigert werden kann,
unter Hinweis auf den umfassenden Bericht über die Frage der Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen, den Mr. Asbjorn Eide und Mr. C.L.C. Mubanga-Chipoya der Unterkommission zur Verhinderung von Diskriminierung und Minderheitenschutz auf ihrer 36. Sitzung vorgelegt haben (Veröffentlichung der Vereinten Nationen, Best. Nr. E.85.XIV.1),
unter Berücksichtigung der Tatsache, daß einige Staaten den waffenlosen Dienst im Rahmen der Streitkräfte und zuweilen einen zivilen Ersatzdienst vorsehen, obwohl sie in ihrem innerstaatlichen Recht die Anerkennung einer Verweigerung des Militärdienstes aus Gewissensgründen nicht ausdrücklich vorsehen,
eingedenk ihrer Resolution 1993/84 vom 10. März 1993, in der sie den Generalsekretär aufforderte, der Kommission bei ihrer 51. Sitzung über dieses Thema zu berichten,
nach Behandlung des Berichts des Generalsekretärs (E/CN.4/1995/99) und mit Dank an die Regierungen, die dem Generalsekretär Stellungnahmen abgegeben haben,
unter Berücksichtigung des allgemeinen Kommentars Nr. 22 (48) des Menschenrechtskomitees zu Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, in dem das Komitee unter anderem die Sicht vertrat, daß aus Artikel 18 ein Recht auf Militärdienstverweigerung abgeleitet werden kann und daß, wenn dieses Recht durch Gesetz oder in der Praxis anerkannt wird, es zwischen den Militärdienstverweigerern keine Differenzierung aufgrund der Art ihrer jeweiligen Überzeugungen geben sollte und ebenso keine Diskriminierung von Militärdienstverweigerern, weil sie es versäumt haben, Militärdienst zu leisten,
im Bewußtsein der Tatsache, daß sich bei Militärdienstleistenden Gewissensgründe gegen den Militärdienst entwickeln können,
anerkennend, daß die Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen religiös, ethisch, humanitär oder anders motivierten Grundsätzen und Gewissensgründen sowie tiefempfundenen Überzeugungen entspringt,
eingedenk des Artikels 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der jedermann das Recht zuerkennt, in anderen Ländern um Asyl vor Verfolgung nachzusuchen und es in Anspruch zu nehmen,
1. macht aufmerksam auf das Recht eines jeden Menschen, im Rahmen der legitimen Ausübung des Rechts auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, wie es in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie in Artikel 18 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte niedergelegt ist, aus Gewissensgründen den Militärdienst zu verweigern;
2. bestätigt, daß bereits Militärdienst Leistende vom Recht der Verweigerung des Militärdienstes aus Gewissensgründen nicht ausgeschlossen werden sollten;
3. appelliert an die Staaten, wenn sie dies noch nicht getan haben, Rechtsvorschriften zu erlassen und Maßnahmen zu ergreifen, die bei Vorliegen echter Gewissensgründe für die Verweigerung des Militärdienstes mit der Waffe die Freistellung vom Militärdienst vorsehen;
4. fordert nachdrücklich, daß Staaten in ihrer Gesetzgebung und Praxis keine Differenzierung vornehmen zwischen Militärdienstverweigerern aufgrund der Art ihrer jeweiligen Überzeugungen und auch anerkannte Militärdienstverweigerer nicht diskriminieren, weil sie es versäumt haben, Militärdienst zu leisten;
5. erinnert die Staaten, die über ein Militärdienstpflichtsystem verfügen, an ihre Empfehlung, verschiedene, mit den Gründen für die Militärdienstverweigerung zu vereinbarenden Formen des Ersatzdienstes für Militärdienstverweigerer einzuführen, soweit nicht bereits geschehen, und diese Personen nicht der Freiheitsentziehung zu unterwerfen;
6. betont, daß ein derartiger Ersatzdienst grundsätzlich in Form eines Dienstes ohne Waffe oder eines Zivildienstes abgeleistet werden, im öffentlichen Interesse liegen und keinen Strafcharakter aufweisen sollte;
7. anerkennt, daß einige Staaten dem Antrag auf Militärdienstverweigerung ohne Untersuchung entsprechen, und empfiehlt den Mitgliedsstaaten, die ein solches System nicht haben, im Rahmen ihres nationalen Rechtssystems unabhängige und unparteiische, mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattete Gremien einzusetzen, deren Aufgabe es ist, festzustellen, ob eine Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen im jeweiligen Fall stichhaltig ist;
8. bestätigt die Bedeutung des Vorliegens von Informationen über das Recht auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen und über die Art und Weise, wie man anerkannter Militärdienstverweigerer wird, für alle betroffenen Personen, die zum Militärdienst herangezogen werden können;
9. ersucht den Generalsekretär, den Wortlaut dieser Resolution allen Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen zu übermitteln und das Recht auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen in die öffentlichen Informationsaktivitäten der Vereinten Nationen aufzunehmen, einschließlich der Dekade der Vereinten Nationen zur Menschenrechtserziehung;
10. ersucht den Generalsekretär außerdem, der Kommission bei ihrer 53. Tagung den aktuellen Stand der Informationen als Nachtrag zum Bericht von Mr. Asbjorn Eide und Mr. C.L.C. Mubanga-Chipoya mit dem Titel "Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen" (Veröffentlichung der Vereinten Nationen, Best. Nr. E.85.XIV.1) vorzulegen, unter Berücksichtigung der Informationen von Regierungen und Nichtregierungsorganisationen und aller anderen ihm zugänglichen Informationen;

11. beschließt, diese Angelegenheit auf ihrer 53. Tagung weiter zu behandeln unter einem Tagungsordnungspunkt mit neuem Titel: "Die Frage der Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen".

Quelle: Economic and Social Council - E/CN.4/1995/L.11/Add. 6, 9 March 1995, Commission on Human Rights, Fifty-first session, Agenda item 28; ohne Abstimmung angenommen; Übersetzung: EAK. Der Beitrag erschien in der Broschüre "Kriegsdienstverweigerung und Asyl in Europa", hrsg. von Connection e.V., Pro Asyl, Niedersächsischer Flüchtlingsrat und Trägerkreis Europäischer Friedens- und Kriegsdienstverweigerweigerer Kongreß 1998 e.V.; Mai 1998.

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