Südkorea: Verweigerer des Ersatzdienstes steht vor Gericht

von Amnesty International

(22.08.2022) Der erste Kriegsdienstverweigerer, der in Südkorea den Ersatzdienst verweigert hat, soll nicht weiter verfolgt werden. Das fordert Amnesty International und führt aus, dass er sich lediglich gegen das neue Strafrechtssystem des Landes gestellt habe.

Hye-min Kim, dessen religiöser Glaube die Ableistung des Militärdienstes ausschließt, ist die erste Person, von der bekannt ist, dass sie den "alternativen Dienst" verweigert hat, seit dieser 2020 eingeführt wurde. Das neue System sieht vor, drei Jahre lang in einem Gefängnis oder einer anderen Justizvollzugsanstalt zu arbeiten - doppelt so lange wie der übliche 18-monatige Militärdienst.

"Anstatt eine echte Alternative zur Erfüllung ihres Dienstes zu erhalten, werden Kriegsdienstverweigerer aufgrund ihrer religiösen und anderer persönlichen Einwände gegen die Teilnahme am Militär effektiv mit einer alternativen Strafe belegt", sagte Jihyun Yoon, Direktor von Amnesty International Korea. "Nach internationalem Recht sind Länder mit Wehrpflicht verpflichtet, eine wirklich zivile Alternative von vergleichbarer Dauer anzubieten."

Kim wird nach Artikel 88 des Militärdienstgesetzes angeklagt, nach dem Personen, die sich ohne triftige Gründe nicht zum Militärdienst melden, bestraft werden. Er ist der Ansicht, dass seine Verweigerung auf "berechtigen Gründen" im Sinne des Gesetzes beruht und dass der derzeitige Ersatzdienst übermäßig strafende Aspekte enthält, die nicht den internationalen Standards entsprechen.

Nach dem neuen Gesetz müssen diejenigen, die den Militärdienst aus religiösen oder anderen Gründen verweigern, 36 Monate lang in einem Gefängnis oder einer anderen Justizvollzugsanstalt arbeiten - damit ist dies einer der längsten Ersatzdienste der Welt. Zuvor hätten sie für 18 Monate ins Gefängnis gehen müssen.

"Hye-min Kim sollte nicht strafrechtlich verfolgt werden, weil er sich auf seine Menschenrechte beruft und sich weigert, an diesem ungerechten System teilzunehmen. Alle Anklagen gegen ihn müssen sofort fallen gelassen werden."

"Anstatt Kriegsdienstverweigerer vor Gericht zu stellen, sollte die südkoreanische Regierung ihre Bemühungen darauf konzentrieren, den Ersatzdienst so abzuändern, dass er die Verweigerer nicht weiterhin bestraft und stigmatisiert."

Hintergrund

In den letzten 60 Jahren wurden jedes Jahr Hunderte junger südkoreanischer Männer verurteilt und inhaftiert, weil sie den Militärdienst aufgrund ihrer Überzeugungen verweigert haben, auch wenn sie bereit waren, der Gemeinschaft zu dienen. In der Regel erhielten sie 18-monatige Haftstrafen und wurden mit einem Strafregister und weitaus länger andauernden wirtschaftlichen und sozialen Nachteilen belastet.

Durch bahnbrechende Urteile des Obersten Gerichtshofs und des Verfassungsgerichts im Jahr 2018 wurde das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in dem Land faktisch anerkannt. Das Verfassungsgericht hat die Regierung in einem Urteil verpflichtet, bis Ende 2019 einen zivilen Ersatzdienst einzuführen.

Am 27. Dezember 2019 verabschiedete der Gesetzgeber Änderungen am Militärdienstgesetz. Das Gesetz verstößt jedoch nach wie vor gegen das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, da es Kriegsdienstverweigerern unangemessene und übermäßige Belastungen auferlegt.

Es schreibt eine unverhältnismäßig lange Dauer des Ersatzdienstes vor und sieht vor, dass er von den Militärbehörden verwaltet wird.

Seit dem 30. Juni 2020 können Kriegsdienstverweigerer einen Antrag auf Ersatzdienst stellen. Im Oktober 2020 begann die erste Gruppe von Ersatzdienstleistenden ihren 36-monatigen Dienst, der auf die Arbeit in Gefängnissen oder anderen Justizvollzugsanstalten beschränkt ist.

Nach internationalen Menschenrechtsvorschriften und -standards sind Staaten mit Wehrpflicht verpflichtet, echte zivile Alternativen anzubieten. Diese sollten von vergleichbarer Dauer wie der Militärdienst sein, wobei jede zusätzliche Dauer auf vernünftigen und objektiven Kriterien beruhen muss. Das Verfahren zur Beurteilung von Anträgen auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer und jeder anschließende Arbeitsdienst muss ebenfalls unter ziviler Aufsicht stehen.

Amnesty International: South Korea: Drop charges against first conscientious objector to refuse alternative service, 22. August 2022. https://www.amnesty.org/en/latest/news/2022/08/south-korea-conscientious-objector-military-service-hye-min-kim/ Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Oktober 2022.

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