Kanada: Russischer Deserteur erhält Flüchtlingsstatus

(18.01.2023) Der aus dem Osten Russlands stammende Trofim Modlyi, besuchte seine Schwester in Grande Prairie, Alberta, als Russland im vergangenen Februar in die Ukraine einmarschierte. Der 19-Jährige beschloss, in Kanada den Flüchtlingsstatus zu beantragen, nachdem seine Eltern in der Heimat eine Einberufung zum Kriegsdienst erhalten hatten.

Modlyi erhielt Ende 2022 die Nachricht, dass sein Antrag auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus‘ in Kanada angenommen worden war. „Ich muss nicht mehr befürchten, nach Russland zurückzukehren. Irgendwie war ich mir völlig sicher, dass ich nicht in die Ukraine gehen und mich an diesem Krieg beteiligen muss“, sagte er.

Modlyi war zu Besuch bei seiner Schwester, als Russland im Februar letzten Jahres in die Ukraine einmarschierte. Während seines Besuches erhielten seine Eltern einen Einberufungsbescheid für ihn. Daraufhin beschloss er, einen Antrag auf Anerkennung als Flüchtling zu stellen. „Es gibt für mich keine Möglichkeit, nach Hause zu gehen, weil ich dann in den Krieg eingezogen würde, und daran will ich nicht teilnehmen. Ich möchte keine unschuldigen Menschen in der Ukraine töten“, sagte er.

Simon Yu, ein Anwalt für Einwanderungs- und Flüchtlingsrecht in Edmonton, arbeitete mit Modlyi an seinem Antrag. Modlyi wurde vom Immigration and Refugee Board (IRB) als Konventionsflüchtling eingestuft - ein Status, der Personen zuerkannt wird, die sich außerhalb ihres Heimatlandes befinden und aufgrund einer „begründeten Furcht vor Verfolgung“ nicht zurückkehren können. „Er, seine Schwester und seine Eltern waren der festen Überzeugung, dass er bei einer Rückkehr mit großer Wahrscheinlichkeit in das Konfliktgebiet geschickt werden würde - er würde in der Ukraine kämpfen“, sagte der Anwalt. Die Familie habe Zeitungsartikel vorgelegt, wonach Wehrpflichtige an die Front geschickt wurden und dass an den Gräueltaten, die in den ersten Tagen des Krieges in Butscha (Ukraine) an Zivilisten begangen wurden, Soldaten aus Modlyis Region beteiligt waren, was alles seinen Flüchtlingsantrag unterstütze.

„Es war eine Erleichterung für mich, denn jetzt wissen wir, dass er nicht zurückgehen und sich einer drohenden Gefahr aussetzen muss, sei es einer strafrechtlichen Verfolgung durch die Regierung oder einer Einberufung zum Kampf in der Ukraine“, sagte Yu.

Statistiken des kanadischen IRB zeigen, dass zwischen dem 24. Februar 2022, dem Beginn des Krieges, und dem 30. November 2022 115 Personen Flüchtlingsstatus beantragten. Im gleichen Zeitraum des Jahres 2021 wurden 47 Personen an das IRB verwiesen, verglichen mit 24 im Jahr 2020 und 96 im Jahr 2019.

Maria Popova, eine außerordentliche Professorin an der McGill University in Montreal, die sich auf russische Politik spezialisiert hat, sagte, dass Russland seit mindestens 10 Jahren ein sehr repressives Regime hat, das politische Dissidenten und LGBTQ-Personen verfolgt. Sie ist jedoch überrascht, dass die Zahl der Flüchtlingsanträge für 2022 nicht höher ist. „Wenn der russische Staat einen solchen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, würde ich denken, dass mehr Menschen Russland als Zeichen des Protests verlassen wollen“, sagte Popowa.

Granillo, die Schwester von Modlyi, sagte, die Entscheidung zugunsten des Flüchtlingsantrags ihres Bruders habe ihr eine große Last von den Schultern genommen. „Die ganze Zeit habe ich daran gedacht, dass er zurück gehen müsste. Was hätten wir nur tun sollen?“

Granillo war sich im Unklaren, ob ihr Bruder auf diese Weise in Kanada bleiben könnte. „Der Preis, den wir als Menschheit zahlen, ist so hoch“, sagte sie und bezog sich dabei auf den Krieg. „Wie viele Menschen verlieren jetzt jeden Tag ihr Leben?“

Modlyi hat sich an sein neues Leben in Kanada gewöhnt. Er arbeitet jetzt bei McDonald‘s, spielt Volleyball und will wieder zur Schule gehen, um Apotheker zu werden. Da seinem Antrag stattgegeben wurde, kann Modlyi jedoch nicht mehr nach Russland zurückkehren, selbst wenn es zu einem Regimewechsel kommt. Granillo hofft jedoch, dass die Eltern eines Tages nach Kanada kommen können, damit die Familie wieder vereint ist. „Ich vermisse meine Familie. Meine Mutter und mein Vater sind immer noch dort“, sagte Modlyi. „Das ist das Einzige, was ich an Russland vermisse, aber hoffentlich sehen wir uns irgendwo anders wieder.“

Julia Wong: Russian man in Canada who received conscription notice to fight in Ukraine granted refugee status. Auszüge. Übersetzung: rf. 18. Januar 2023. https://www.cbc.ca/news/canada/edmonton/russian-canada-conscription-refugee-status-1.6716902. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Februar 2023

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