Eritrea: Bericht der Zeug*innen Jehovas
(21.09.2023) Die Situation, in der sich Zeug*innen Jehovas seit 30 Jahren in Eritrea befinden, verdient eine größere Berichterstattung in den Medien. Die eritreische Regierung übt seit Jahrzehnten die traurige Praxis aus, viele Gläubige zu inhaftieren und sie einem Haftregime zu unterwerfen, das die unveräußerlichen Menschenrechte nicht im Geringsten respektiert. Und das allein aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen.
Bereits 1994 hat Präsident Isaias Afewerki – der bis heute im Amt ist – die Militärdienstpflicht eingeführt. Gleichzeitig begann die starke Unterdrückung der Zeug*innen Jehovas, indem ihnen das Recht auf Kriegsdienstverweigerung als Alternative zum Militärdienst verweigert wurde. Und das, obwohl Zeug*innen Jehovas jahrzehntelang diesen Dienst mit Engagement geleistet und im Laufe der Zeit verschiedene Dankesurkunden für ihre Arbeit erhalten hatten. Mit dem Präsidialdekret vom 25. Oktober 1994 wurde ihnen aufgrund ihrer Wahlenthaltung und ihrer Kriegsdienstverweigerung die Staatsbürgerschaft entzogen. Seitdem haben die Sicherheitskräfte damit begonnen, nicht nur junge Zeug*innen Jehovas im militärdienstfähigen Alter, sondern auch ältere Menschen zu inhaftieren, sie zu misshandeln und sogar zu foltern. Dies löste eine regelrechte religiöse Verfolgung mit dem weiter gefassten Ziel aus, sie zu zwingen, ihrem Glauben abzuschwören.
Seit 1994 wurden mindestens 243 Zeug*innen Jehovas in Eritrea inhaftiert. Im Durchschnitt verbringen diese Menschen wegen ihres Glaubens zwischen 5 und 26 Jahren im Gefängnis. Während dieser Zeit müssen sie unmenschliche Haftstrafen erdulden, die in einigen Fällen zum Tod führten: So wurde bekannt, dass mindestens vier Betroffene während der Haft starben. Weitere drei Personen starben nach ihrer Entlassung als Folge der harten Bedingungen, die sie während der Haft erdulden mussten.
All dies geschieht trotz wiederholter Appelle internationaler Gremien, die sich für die Achtung der Menschenrechte einsetzen und auf eine Änderung des Tempos in diesem Bereich drängen. Im Jahr 2016 legte die Untersuchungskommission der Vereinten Nationen für Menschenrechte in Eritrea dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen einen Bericht vor, in dem sie feststellte, dass die eritreischen Behörden mit der "religiösen und ethnischen Verfolgung" der Zeug*innen Jehovas und anderer ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" begangen haben. Im Jahr 2017 äußerte der Afrikanische Expertenausschuss für die Rechte und das Wohlergehen des Kindes große Besorgnis über die Misshandlung von Kindern der Zeug*innen Jehovas und forderte Eritrea auf, "die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit jedes Kindes ohne jegliche Diskriminierung anzuerkennen und vollständig zu garantieren."
Im Mai 2019 forderte der UN-Menschenrechtsausschuss Eritrea auf, jene Personen freizulassen, die wegen der Ausübung ihres Rechts auf Religionsfreiheit inhaftiert wurden, und forderte weiter, dass Eritrea "Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen rechtlich anerkennt und einen alternativen Zivildienst für Kriegsdienstverweigerer einrichtet". Daraufhin folgten weitere Appelle, die bis heute ungehört geblieben sind. In der Tat zeigt die gegenwärtige Realität, dass Zeug*innen Jehovas in Eritrea gezwungen sind Haftstrafen von unbestimmter Dauer zu erdulden – die in einigen Fällen sogar lebenslang sein können. Leider gibt es in Eritrea keine Rechtsmittel zu ihren Gunsten, sodass eine Verurteilung einer ewigen Haftstrafe gleichkommt.
Drei emblematische Fälle
Die Geschichten von Negede Teklemariam, Paulos Eyasu und Isaac Mogos sind drei Geschichten, die zeigen, was Zeug*innen Jehovas in Eritrea durchleben müssen: Negede, Paulos und Isaac wurden am 17. September 1994 im Alter von 21, 22 und 19 Jahren wegen ihrer Kriegsdienstverweigerung verhaftet und ohne formelle Anklage, Gerichtserfahren oder Verurteilung für 26 Jahre inhaftiert.
In einem kürzlich geführten Interview sagte Negede, dass er in den letzten Jahren im Militärlager Sawa inhaftiert war. Dort würden Gefangene mit Seilen gefesselt und gefangen gehalten, seien schwer unterernährt, erlitten schwere Schläge und seien dazu gezwungen, bis an die Grenze ihrer Kräfte zu arbeiten. "Wir waren uns sicher, dass sie uns niemals freilassen und dass sie uns niemals vor Gericht stellen würden. Wir dachten, dass sie nur darauf warteten bis wir verrückt werden oder vielleicht an einer Krankheit sterben", sagte der Mann.
Negede erzählt weiter: "Eines Tages brachten mich die Soldaten in die Wüste und sagten mir, ich solle ein Loch graben. Sie sagten mir: "Wir haben alles mit dir versucht, einem Zeugen Jehovas, aber du wolltest dich einfach nicht ändern" [...]. Ich landete in dem Loch, und es war so tief, dass nur noch mein Kopf aus dem Sand ragte. Es war helllichter Tag und die sengende Sonne verbrannte mich. Ich war dort im Sand begraben, den die Sonne den ganzen Tag über erwärmt hatte, ich schwitzte stark und begann, das Bewusstsein zu verlieren. Dann kam zufällig ein Auto mit Soldaten nicht weit von mir vorbei. Sie sahen meinen Kopf aus dem Sand ragen, und einer von ihnen, der nicht aus dem Lager Sawa stammte, eine hohe militärische Position innehatte und nicht wusste, wer ich war – und ich wusste natürlich auch nicht, wer er war – fragte diese Soldaten: "Was macht ihr da? Wer würde auf die Idee kommen, einem anderen Menschen so etwas anzutun?"
Die drei Männer standen auch im Mittelpunkt eines besonders bedeutsamen Ereignisses. Einige Mitglieder des Gefängnispersonals machten ein Foto von den drei Männern, um der Welt ihre Geschichte zu erzählen und ihren Familien mitzuteilen, wie es den Angehörigen geht. Auf dem Foto scheinen die drei Jungen zu lächeln. Negede erklärte dieses Lächeln nach vielen Jahren wie folgt: "Wir wollten nicht, dass unsere Familienmitglieder und Eltern die Traurigkeit in unseren Gesichtern sehen." Dann erzählte er, dass er und die anderen Zeug*innen Jehovas im Gefängnis all die Jahre über die Kraft, diese Härten zu ertragen, aus ihrem starken Glauben und der einzigartigen Kraft des Gebets schöpften.
Im Dezember 2020, nachdem sie mehr als ein Vierteljahrhundert hinter Gittern verbracht hatten, wurden Negede, Isaac und Paulos freigelassen, zusammen mit 23 anderen Zeug*innen Jehovas, die zwischen 5 und 19 Jahren im Gefängnis saßen. Derzeit sind in Eritrea noch 32 Zeug*innen Jehovas, darunter 22 Männer und 10 Frauen im Alter zwischen 24 und 81 Jahren, wegen ihres Glaubens inhaftiert. Heute ist es wünschenswerter denn je, dass diese Unterdrückung aufhört und die unveräußerlichen Rechte eines jeden Menschen unabhängig von seinem religiösen Glauben respektiert werden.
Davide Bagnoli: Conscientious objection led to real persecution: the sad report of Jehovah’s Witnesses in Eritrea. Veröffentlicht am 21.09.2023 von La Pressenza. Aus dem Englischen übersetzt von Marah Frech. https://www.pressenza.com/2023/09/conscientious-objection-led-to-real-persecution-the-sad-report-of-jehovahs-witnesses-in-eritrea/. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe November 2023
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