Digest: April 2024
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(04.06.2024) Meine Lieben, hallo an alle!
Der April stand im Zeichen des Beginns einer weiteren Kampagne zur Militärdienstpflicht in Russland und der Reformen des Militärdienstsystems in Moskau. Die russische Regierung versprach und verabschiedete schließlich das jüngste Gesetz über die elektronische Registrierung des Militärdienstes und die elektronische Einberufung: Mit all diesen Vorschriften steht uns ein ziemlich schwieriges Jahresende bevor. In Armenien wurde zum zweiten Mal innerhalb von fünf Monaten ein russischer Soldat entführt. Wir gehen davon aus, dass dies von der russischen Militärpolizei durchgeführt wurde und wir beobachten die Situation aktiv. Und unsere Organisation wurde zusammen mit Kolleg*innen aus der Ukraine und Belarus mit dem Friedenspreis des IPB ausgezeichnet! Viel Spaß beim Lesen!
In Russland hat die Frühjahrskampagne zur Militärdienstpflicht begonnen
Am 1. April hat eine weitere Einberufungskampagne zur Militärdienstpflicht begonnen. Diesmal wollen die russischen Behörden 150.000 Personen einberufen. Es ist die erste Militärdienstpflicht mit geänderten Einberufungsalter. Es werden diejenigen einberufen, die in diesem Jahr 27 Jahre alt werden. Auch das Zentrum für die einheitliche Militärdienstpflicht in Moskau hat seine Arbeit aufgenommen. Es wurde anstelle der Bezirksmilitärkommissariate eingerichtet, die es bisher in Moskau gab. In dem neuen Gebäude haben die Rekrut*innen keine Möglichkeit zur Kommunikation und Eltern oder Anwält*innen haben keinen Zutritt. Dieses „Super-Militärdienstpflicht-Zentrum“ kann nur mit einer speziellen Karte verlassen werden. Wer sich dort aufhält, verliert also für eine bestimmte Zeit seine Freiheit. Die Russische Bewegung für Kriegsdienstverweigerung hält die Moskauer Reform der Militärkommissariate für illegal. Wir haben beim Moskauer Stadtgericht Klage eingereicht und fordern, dass die Anordnung des Moskauer Bürgermeisters, ein einheitliches Zentrum für die Militärdienstpflicht einzurichten, für illegal erklärt wird.
Die russische Militärpolizei hat zum zweiten Mal einen Deserteur in Armenien entführt
Im April wurde bekannt, dass ein Soldat der russischen Armee, Anatoli Schtschetinin, von der russischen Militärpolizei in der armenischen Stadt Gjumri entführt wurde. Seit Dezember 2023 ist dies die zweite Entführung, an der die Militärpolizei des Militärstützpunkts Nr. 102 in Gjumri beteiligt ist. Russland hält sich nicht an die offiziellen Auslieferungsregeln – und zwar aus einem einfachen Grund: Dieses Verfahren ist komplex, langwierig und erfordert eine Interaktion mit den armenischen Behörden. Russland verfügt jedoch über eine Militärbasis in Gjumri und eine Militärpolizei, deren Handlungen schwer zu kontrollieren sind. Die Militärpolizei kann nämlich operative Durchsuchungsmaßnahmen durchführen, die sowohl gegen die Gesetzgebung der Republik Armenien als auch gegen das separate Abkommen über die russische Militärbasis verstoßen. Armenien ist das einzige Land der Welt, in dem es eine große Zahl von Deserteur*innen gibt die Russland verlassen haben. In der gegenwärtigen Situation sind sie alle in großer Gefahr. Die Russische Bewegung für Kriegsdienstverweigerung hat auf diese Geschichte aufmerksam gemacht. Wir haben uns an den armenischen Premierminister Nikol Pashinyan gewandt und mit lokalen Menschenrechtsverteidiger*innen gesprochen. Zurzeit wird Anatoli Schtschetinin auf dem Militärstützpunkt festgehalten.
Die russische Regierung hat den Beschluss über die elektronische Erfassung des Militärdienstes geändert
Ende April hat die russische Regierung das Verfahren für das elektronische Militärdienstregister und die elektronische Einberufung veröffentlicht. Die vollständige Digitalisierung des Systems der Militärdienstpflicht in Russland soll bis Ende 2024 abgeschlossen sein. Das elektronische Militärdienstregister wird Daten über fast alle Männer zwischen 18 und 70 Jahren enthalten. Diese Liste von Informationen umfasst fünfzig verschiedene Punkte, vom Familienstand bis hin zu Informationen über das Recht auf Eigentum an beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen. In den Militärkommissariaten wird eine riesige Menge an Daten über jeden Militärdienstpflichtigen gespeichert werden. Außerdem ist die Einführung eines elektronischen Vorladungsregisters geplant. Vorladungen, die in dieses Register eingestellt werden, gelten nach sieben Tagen als zugestellt. Selbst wenn eine Person nicht weiß, dass sie eine solche Vorladung erhalten hat, ist sie verpflichtet, beim Militärkommissariat zu erscheinen. Ein solches Benachrichtigungssystem wird die Situation bei der Militärdienstpflicht bis Ende 2024 stark verändern.
Die Russische Bewegung für Kriegsdienstverweigerung erhielt den Friedenspreis des Internationalen Friedensbüros
Unsere Organisation hat zusammen mit der belarussischen Organisation Nash Dom („Unser Haus“) und der ukrainischen pazifistischen Bewegung den Friedenspreis des 1891-1892 gegründeten Internationalen Friedensbüros erhalten. Das Internationale Friedensbüro selbst wurde im Jahr 1910 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet und hat sich der Vision einer Welt ohne Krieg verschrieben. Ihr derzeitiges Hauptprogramm konzentriert sich auf Abrüstung für eine nachhaltige Entwicklung. Innerhalb dieses Programms liegt der Schwerpunkt hauptsächlich auf der Umverteilung von Militärausgaben.
Kommentar von Direktor Saša Belik im Zusammenhang mit der Auszeichnung: Die Russische Bewegung für Kriegsdienstverweigerung ist dem Internationalen Friedensbüro dankbar für die Anerkennung unserer Bemühungen. Für unsere Sichtbarkeit auf der internationalen Bühne ist die Unterstützung durch die internationale gewaltfreie Antikriegsbewegung äußerst wichtig. Solche Auszeichnungen verleihen unseren Worten, die wir auf den Podien des Europäischen Parlaments, des Bundestags und anderer ausländischer Einrichtungen sprechen, mehr Gewicht. In der wunderbaren Zukunft Russlands wird eine solche Anerkennung unserer Organisation im Dialog mit der Weltöffentlichkeit mehr Gewicht verleihen.
Vielen Dank fürs Lesen!
The Movement of Conscientious Objectors Russia (MCO): Digest April 2024, gesendet via Email am 04.06.2024 und übersetzt von Connection e.V. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Juli 2024
Stichworte: ⇒ Friedensbewegung ⇒ Kriegsdienstverweigerung ⇒ Militärdienstentziehung ⇒ Militarisierung ⇒ Rekrutierung ⇒ Russland ⇒ Soldaten ⇒ Wehrpflicht