Aachener Friedenspreis 1996 an Connection e.V.

Aachener Friedenspreis 1996 an Connection e.V.

Aktionswoche anlässlich der Verleihung des Bremer Friedenspreis

von Rudi Friedrich

(27.06.2024) Es war eine ereignisreiche Woche in Bremen Ende Mai 2024. Am Freitag, dem 31. Mai, erhielt Connection e.V. gemeinsam mit Maria Biedrawa den Internationalen Bremer Friedenspreis der Stiftung die schwelle. Im Vorfeld hatte die Stiftung dankenswerterweise die verschiedensten Veranstaltungen organisiert. Klar, dass wir angesichts dessen mit einer größeren Zahl an Aktivist*innen vertreten waren.

Bereits am Dienstag gab es eine Veranstaltung im Bürgerhaus Vegesack in Bremen-Nord. Dort ist eines der ältesten Deserteursdenkmäler beheimatet. Vegesack war auch die Heimat von Ludwig Baumann, dem Deserteur des II. Weltkrieges der über Jahrzehnte hinweg mit der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz für die Aufhebung der Urteile wegen Desertion und Wehrkraftzersetzung des NS-Regimes kämpfte. Das war ein guter Anlass, den neuen Film über Ludwig Baumann zu zeigen: DIE LIEBE ZUM LEBEN. Die Filmemacherin Annette Ortlieb berichtete ergänzend mehr zur Entstehung des Films.

Bei einem Treffen mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beratschlagten wir, wie verstärkt Veranstaltungen in Schulen stattfinden könnten. Leider war es nicht möglich gewesen, zwei in der Woche geplante Termine wahrzunehmen. Das wollen wir allerdings gerne nachholen. Und uns war es bei dieser Gelegenheit ein Anliegen, deutlich zu machen, dass bei den Schüler*innen nicht wenige dabei sind, die über eine doppelte Staatsbürgerschaft in einem anderen Land der Militärdienstpflicht unterliegen. Mit der GEW vereinbarten wir, dazu mehr Infomaterial zur Verfügung zu stellen. Die aktuelle Situation für Militärdienstpflichtige aus der Türkei hatten wir erst vor kurzem aktualisiert und auf unserer Website in deutsch, englisch und türkisch veröffentlicht: www.Connection-eV.org/article-1609.

Es ist eigentlich erstaunlich, dass wir nicht schon vorher Maria Biedrawa getroffen haben. Sie macht eine wirklich beeindruckende Arbeit in Ländern Zentralafrikas. Maria Biedrawa ist gebürtige Österreicherin und lebt in Frankreich. Die Hälfte des Jahres verbringt sie in Afrika, arbeitet seit 20 Jahren in den Bereichen Traumabegleitung sowie Ausbildung in Grundlagen und Methoden der Gewaltfreiheit. Beispielhaft berichtete sie in einem Fachgespräch, wie sie es schafft, von Krieg betroffenen und traumatisierten Menschen den Raum zu geben, ihre Verletzungen und Erlebnisse zu schildern. „Eine nach der anderen stand auf und erzählte, was sie erlebt hatte. Es dauerte Stunden.“ Und am Ende war es möglich, das Leid auch derjenigen zu sehen, die zuvor als Feind*innen wahrgenommen wurden. Das ermöglicht Prozesse, mit denen die Gewalt gestoppt und überwunden werden kann, mit denen neue Gemeinsamkeiten entwickelt werden können. Es ist geradezu eine Ehre, mit ihr gemeinsam den Bremer Friedenspreis erhalten zu haben.

Wir selbst konnten am Donnerstag ein Fachgespräch zu Kriegsdienstverweigerung und Asyl anbieten. Wir hatten Artyom Klyga von der Bewegung für Kriegsdienstverweigerung Russland gebeten, dabei zu sein und über die Situation in Russland und die Arbeit der Gruppe zu berichten. Es waren wichtige Einblicke in deren alltägliche Arbeit. Und es beeindruckte zu sehen, dass die Organisation inzwischen mit 10 Hauptamtlichen und mehreren Dutzend Freiwilligen auf internationaler Ebene arbeitet.

Es ist natürlich ein erhebendes Gefühl gefeiert zu werden. 300 Menschen waren zur Preisverleihung in den altehrwürdigen Rathaussaal in Bremen gekommen. Der Saal selbst strotzt nur so vor militaristischen Bildern aus der Zeit der Hanse, in der Bremen eine wichtige machtpolitische Rolle spielte. Nun wurde er genutzt, um den Friedenspreis zu vergeben.

Die Vorsitzende der Stiftung, Anette Klasing, stellte zunächst kurz die Preisträger*innen vor. Die Laudatio wurde im Anschluss von Karoline Linnert gehalten, Schirmfrau des Internationalen Bremer Friedenspreises und ehemalige Bürgermeisterin der Stadt Bremen: „Der Friedenspreis erscheint nötiger denn je, andererseits fast anachronistisch und gewinnt gerade daraus seine Stärke. Wenn Putin und Netanjahu schon nicht auf uns hören, unsere Überzeugungen bleiben und sie tragen auch Früchte. Viele Menschen lassen sich in ihrem Streben nach mehr Gerechtigkeit nicht beirren. Der Friedenpreis ist vor allem ein ‚Mutmacher‘.“

Zu Maria Biedrawa, die seit 2018 im Vorstand von Church and Peace ist, sagte sie: „Ihnen gelingt es ganz offensichtlich, eine Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit zu wecken und in Taten münden zu lassen. Den Friedenspreis der schwelle 2024 bekommen sie in der Kategorie ‚wegweisende Friedensarbeit‘ für ihre unermüdliche Friedensarbeit in Ländern wie Kongo, Togo, Burundi, Südsudan, der zentralafrikanischen Republik und anderen.“

Zu Connection e.V. führte Karoline Linnert unter anderem aus: „Sie schlagen einen großen Bogen, indem Sie eine Zukunft zeigen, in der sich Kriegstreiber eben nicht mehr darauf verlassen können, genug Menschen zu finden, die sich für ihren Wahnsinn opfern wollen. Ihr Ansatz ist radikal humanitär, indem Sie mit der Durchsetzung des Rechtes auf Kriegsdienstverweigerung und Desertion nicht warten wollen, bis auch die letzten eingesehen haben, dass Kriege einige reich machen und viele tot. Und Ihr Ansatz ist radikal, weil Sie sich auf die Frage der Kriegsgründe, ob ein Krieg in dieser Lage nun legitim, gerecht, sinnvoll, geboten oder was auch immer sein mag, nicht einlassen, sondern das Recht des Individuums stark machen, unabhängig davon zu entscheiden, ob es selbst daran teilnehmen will.“

Wir danken sehr herzlich für diese Unterstützung. Als Zeichen unserer internationalen Arbeit konnten wir auch zwei weitere Aktivist*innen in Bremen begrüßen. Neben Artyom Klyga war auch noch Olga Karatch von Nash Dom dabei. Und das ist ja auch, was unsere Arbeit ausmacht: die Vernetzung und gemeinsame Arbeit mit den Gruppen und Organisationen, die sich in den verschiedensten Ländern für Kriegsdienstverweiger*innen und Deserteur*innen einsetzen.

Zum Abschluss führten wir noch recht spontan eine Aktion in der Bremer Innenstadt durch, mit Beiträgen von Anette Klasing und Artyom Klyga. Wir hatten Schilder mit Geburtsdaten und Namen mitgebracht, um deutlich zu machen, für wen wir uns einsetzen. Marah Frech von Connection e.V. stellte in ihrem Beitrag einige der Kriegsdienstverweiger*innen vor:

„Sofia Orr aus Israel erklärte im Februar ihre Kriegsdienstverweigerung aus Protest gegen den Krieg in Gaza und die langjährige Besatzung Palästinas: ‚Ich verweigere aus Empathie, Solidarität und Liebe für alle Israelis, die in Israel leben, und für alle Palästinenser*innen, die im Gazastreifen und im Westjordanland leben, unabhängig von ihrer Nationalität oder Religion. Ich verweigere aus der Überzeugung heraus, dass jeder Mensch es verdient, ein Leben in Sicherheit und Würde zu führen.‘

Stanislav ist 22 Jahre alt und hat die Ukraine verlassen, um der Rekrutierung für den Krieg zu entgehen. Nach seinem Schulabschluss hat er zunächst ein Studium in Kyiv begonnen und wurde daher vom Militärdienst zurückgestellt. Doch dann kam der Krieg. Seitdem droht ihm die Einberufung. Er ist geflohen und lebt derzeit als „vorübergehend Schutzberechtigter“ in Deutschland. Ob er bleiben kann, bis der Krieg zu Ende ist, weiß Stanislav nicht. Er hat Angst, als Militärdienstpflichtiger in die Ukraine zurückgeschickt zu werden.

Anastasia ist 34 Jahre alt. Sie ist Russin, sie ist Soldatin und Mutter eines Kindes im Grundschulalter. Wegen der Schwangerschaft mit ihrem zweiten Kind wurde sie zunächst vom Dienst befreit. Während der letzten Mobilmachung wurde Anastasia dennoch einberufen. Das Militärgericht verurteilte sie zu sechs Jahren Haft, weil sie sich nicht bei den Militärbehörden zurückmeldet hatte – schwanger und vom Dienst befreit, wohlgemerkt. Die Vollstreckung des Urteils wurde aufgeschoben bis ihre Kinder volljährig sind. Eine Berufung gegen das Urteil und die 6-jährige Haftstrafe blieb ergebnislos.“

Marah Frech schloss mit den Worten: „Wir lehnen die staatliche Logik des Militärischen und des Kriegszwangs entschieden ab. Kriege zwingen immer mehr Menschen zur Flucht und zugleich werden die Bewegungen der Migration mit militärischer Gewalt und an die Ränder der Europäischen Union gedrängt. Diejenigen, die es nach Deutschland schaffen, werden zu einem Leben in Unsicherheit gezwungen, weil ihre Flucht vor Krieg und Kriegsdienst nicht als Asylgrund anerkannt wird. Wir stehen hier als Stimme des Widerstands gegen Militär, Militarisierung und Krieg. Wir sind solidarisch mit allen, die sich der Kriegsbeteiligung verweigern – aus vielfältigen Gründen, auf allen Seiten des Krieges.“

Rudi Friedrich: Aktionswoche anlässlich der Verleihung des Bremer Friedenspreises. 27. Juni 2024. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Juli 2024

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