Digest: May 2024
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(09.07.2024) Hallo zusammen! Hier ist Artem Klyga von der Russischen Bewegung für Kriegsdienstverweigerung. Im Mai wurden wir mit Massenübergriffen auf Militärdienstpflichtige in Moskau konfrontiert. Es waren so viele, dass wir zusammen mit unseren Kolleg*innen eine öffentliche Hilfskampagne starten mussten. Inzwischen wurde in Kasachstan erstmals ein russischer Deserteur von der Militärpolizei entführt. Kasachstan ist kein sicheres Land, wir haben schon oft darüber geschrieben und gesprochen. In Krasnodar werden Militärdienstpflichtige nach einer medizinischen Musterung zum Militärdienst gezwungen und in verschiedenen Regionen Russlands übernimmt die Verkehrspolizei unrechtmäßig die Aufgaben von Militärbehörden. Viel Spaß beim Lesen!
In Moskau fanden Massenrazzien gegen Militärdienstpflichtige statt
Die Polizei in Moskau führte Massenrazzien bei Militärdienstpflichtigen durch. Zum ersten Mal wurden bei den Festnahmen Kameras zur Gesichtserkennung eingesetzt. Wurde eine Entscheidung über die Militärdienstpflicht einer Person getroffen, wurden die Passdaten zusammen mit dem Foto an die Polizei übermittelt. Die Polizei nahm die Person dann in Gewahrsam und lieferte sie an der Sammelstelle ab – dem Ort, von dem aus die Militärdienstpflichtigen auf die militärischen Einheiten des Landes verteilt werden. Am Sammelplatz hielten die Mitarbeitenden gemeinsam mit der Polizei ganze Gruppen von Militärdienstpflichtigen fest und gingen mit Gewalt gegen sie vor. Diese Situation veranlasste die Eltern der Militärdienstpflichtigen, Sammelklagen einzureichen. Auf unsere Initiative hin wurde eine Kampagne zur Unterstützung der Eltern von Militärdienstpflichtigen gestartet. Wir boten den Inhaftierten Rechtsbeistand an, führten Beratungen durch und konnten sogar einigen Militärdienstpflichtigen helfen, den Sammelplatz zu verlassen, indem wir nachwiesen, dass sie aus medizinischen Gründen nicht zum Militärdienst herangezogen werden konnten.
Erstmals ein Deserteur der russischen Armee in Kasachstan festgenommen
Russische Militärermittler*innen nahmen Kamil Kasimow direkt an seinem Arbeitsplatz fest und brachten ihn anschließend zu einem russischen Militärstützpunkt in Priozersk (Region Karaganda, Kasachstan), wo er noch immer festgehalten wird. Kasimow wurde nach Artikel 338 des russischen Strafgesetzbuchs der „Desertion“ angeklagt, auf den eine Strafe von bis zu 15 Jahren Gefängnis steht. Straftaten gegen den Militärdienst sind nach kasachischem Recht nicht auslieferungsfähig. Es besteht jedoch die Befürchtung, dass Kasimow mit dem Versprechen, die strafrechtlichen Vorwürfe gegen ihn fallen zu lassen, zur „freiwilligen“ Ausreise aus Kasachstan gezwungen werden könnte. Wir arbeiten derzeit weiter an diesem Fall und unterstützen auch Kamil Kasimovs nahe Verwandte in Russland. Dies ist der erste Fall, in dem ein russischer Militärangehöriger von russischen Militärangehörigen in Kasachstan entführt wurde. Zuvor gab es solche Vorfälle bereits zweimal in Armenien.
Die russische Verkehrspolizei versucht, Einberufungsbescheide auszustellen
Ungewöhnlich, aber eine Tatsache: Die russische Verkehrspolizei, die unter anderem für die Durchsetzung der Verkehrsvorschriften und die Ausstellung von Führerscheinen zuständig ist, versucht, künftigen Autofahrer*innen Einberufungsbescheide auszustellen. In verschiedenen Regionen Russlands werden Personen, die einen Führerschein beantragen wollen, aufgefordert, ihren Militärausweis mitzubringen oder den Vermerk „militärpflichtig“ in ihren russischen Pass einzutragen, wie uns von Antragstellenden berichtet wurde. Wird diese Anforderung nicht erfüllt, verweigern die Beamt*innen der Verkehrspolizei die Annahme der Dokumente und versuchen, Bescheide zur Klärung der Militärregistrierungsdokumente auszustellen. Leider ist diese Praxis inzwischen bei verschiedenen Behörden üblich. Wir haben bereits Informationen erhalten, dass bei der Ausstellung ausländischer Pässe die Vorlage des Militärausweises oder eines anderen militärischen Registrierungsdokuments verlangt wird. Natürlich sind alle diese Anforderungen rechtswidrig und können angefochten werden.
In Krasnodar werden Militärdienstpflichtige nach einer medizinischen Kontrolluntersuchung zwangsweise zum Militärdienst eingezogen
Eine medizinische Kontrolluntersuchung ist ein Verfahren, das manchmal bei Militärdienstpflichtigen durchgeführt wird deren Diagnose von einer höheren regionalen Militärdienstkommission in Frage gestellt wird. In solchen Fällen hebt diese Kommission die Entscheidung der unteren Einberufungskommission auf und lädt die Militärdienstpflichtigen zu einer erneuten ärztlichen Untersuchung ein. In Krasnodar wurden die jungen Männer nach diesem Verfahren gezwungen, Militäruniformen anzuziehen, sich Fingerabdrücken zu unterziehen und für den Erhalt von Militärausweisen zu unterschreiben, womit sie sich mit dem Status von Militärangehörigen einverstanden erklärten. Diese Maßnahmen sind rechtswidrig, da sie dem Militärdienstpflichtigen die Möglichkeit nehmen, die endgültige Entscheidung des Einberufungsamtes vor Gericht anzufechten. Leider ist es bei solchen Razzien nicht immer möglich, jedem Militärdienstpflichtigen zu helfen. Vieles hängt in einer solchen Situation von der Entschlossenheit und dem Willen des Einzelnen ab, seine Rechte zu verteidigen.
The Movement of Conscientious Objectors Russia (MCO): Digest May 2024 (Newsletter), gesendet via Email am 09.07.2024 und übersetzt von Connection e.V.
Stichworte: ⇒ Antimilitarismus ⇒ Friedensbewegung ⇒ Krieg ⇒ Kriegsdienstverweigerung ⇒ Menschenrechte ⇒ Militär ⇒ Projekte ⇒ Rekrutierung ⇒ Russland ⇒ Strafverfolgung